Wirtschaft in Stuttgart Beste Risikoversicherung

Stuttgart, Autostadt. Monostrukturen in der Wirtschaft sind ein Risiko, resümiert Jörg Scheller. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Wird Stuttgart das zweite Detroit? Was wirklich gegen die wirtschaftliche Krise helfen würde, bringt unser Kolumnist Jörg Scheller auf den Punkt.

In Stuttgart mache sich Angst breit, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ diese Woche. Zehntausende Arbeitsplätze drohten infolge der Krise in der Autoindustrie wegzubrechen – und damit in einer Branche, auf der Stolz und Wohlstand der Stadt gründeten. „Wird Stuttgart das zweite Detroit?“, hieß es sorgenvoll im Artikel. Dass es so weit kommt, ist zwar unwahrscheinlich. Aber die dräuende Krise bietet einen guten Anlass, sich einmal mit Diversität in wirtschaftlicher Hinsicht auseinanderzusetzen.

 

Gefahr: Wirtschaftliche Monostrukturen

In den letzten Jahren diskutierte die deutsche Medienöffentlichkeit hitzig über „Diversity“ im Zusammenhang mit Gender, sexueller Orientierung, Herkunft, Religion, Alter, jüngst vermehrt auch Klasse. Es handelte sich um Debatten, die überwiegend aus dem angloamerikanischen Raum übernommen worden waren. Ein Schattendasein fristete die Diversität an der wirtschaftlichen Basis. Die aber ist genauso wichtig wie soziale, geschlechtliche, generationelle Diversität. Wo Städte, Regionen, Länder am Tropf einer einzelnen Branche hängen, ist das Klumpenrisiko durch wirtschaftliche Monostrukturen hoch – vergleichbar mit Teams, in denen Checks & Balances fehlen, weil alle Mitglieder aus demselben sozialen Stall stammen. Man denke nur an das Ruhrgebiet, dessen Monostruktur zum Niedergang beitrug, der bis heute nicht gestoppt ist.

Die beste Versicherung gegen ein solches Risiko ist eine diverse Wirtschaftsstruktur, über die Deutschland mit seinen vielen kleinen und mittelständischen, inhabergeführten Unternehmen zum Glück noch verfügt, zumindest in der Gesamtschau. Punktuell aber kommt es zu riskanten Ballungen, wie in der Stadt Stuttgart. Die Region Stuttgart ist da breiter aufgestellt.

Verödung in der Grundstruktur

Diversität an der wirtschaftlichen Basis trägt nicht nur zur materiellen Risikoreduktion bei, sondern begünstigt auch eine Vielfalt von Unternehmenskulturen. Neben Theatern und Museen, Literaturhäusern und Konzerthallen, Schulen und Medien ist die Wirtschaft ein oft übersehener kulturbildender Faktor. Überall dort, wo nur eine Branche oder ein paar Konzerne den Ton angeben, droht die Gefahr innerbetrieblicher Kulturverödung, die über kurz oder lang auf die allgemeine Kultur abfärbt. Während etwa Konzerne in den letzten Jahren Diversity-Programme einführten und die Personalbestände mit impliziten oder expliziten Quoten durchmischten, forcierten sie zugleich eine Verödung in der Grundstruktur: überall die gleiche Software, die gleichen Managementtechniken, das gleiche Vokabular. Wer Diversity ernst nimmt, sollte darauf bedacht sein, diese Tendenz nicht durch Ignoranz gegenüber Vielfalt an der wirtschaftlichen Basis zu verstärken.

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