XXL-Landtag Warum ein FDP-Abgeordneter nicht mehr antreten will

Der kulturpolitische Sprecher Stephen Brauer will nicht mehr antreten. Foto: FDP/DVP Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg

Bei der Landtagswahl im Jahr 2026, fürchtet die FDP, könnte der Landtag auf eine neue Größe anwachsen. Der Finanz-und Kulturexperte Stephen Brauer zieht nun ganz persönliche Konsequenzen.

Entscheider/Institutionen: Annika Grah (ang)

Die Entscheidung von Stephen Brauer steht fest: „Jeder muss selbst wissen, ob er unter den neuen Bedingungen arbeiten will. Ich will es nicht“, sagt der Abgeordnete der FDP-Fraktion im Landtag. Er will sich für die nächsten Wahl nicht mehr aufstellen lassen. „Die Änderung des Wahlrechts hat Auswirkungen, die ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann“, erklärte er gegenüber Wählern und Parteifreunden.

 

Brauer sagt über sich selbst, er sei ein Spätberufener. Erst mit 37 Jahren hat der heute 54-Jährige in die Politik gefunden. Seit 2009 sitzt er mit einer Unterbrechung im Kreistag in Schwäbisch Hall. Im August 2018 rückte er für Friedrich Bullinger im Landtag nach. Zwischenzeitlich war Brauer finanzpolitischer Sprecher – doch bald will er überhaupt nicht mehr im Landtag mitmischen.

Der Abgeordnete hat Probleme mit dem neuen Wahlrecht

Brauer stört das neue Wahlrecht, das nach der Befürchtung der Liberalen zu einer deutlichen Aufblähung des Parlaments und nach Berechnungen des Landesrechnungshofs zu hohen Kosten führen könnte. Laut Landeswahlgesetz muss der Landtag mindestens 120 Sitze haben. Aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten hat er aktuell 154 Abgeordnete. Wegen des 2022 eingeführten Zwei-Stimmen-Wahlrechts fürchten die Liberalen künftig mehr als 200 Parlamentarier im Plenum. Sie haben deshalb vorgeschlagen, die Anzahl der Wahlkreise im Südwesten zu reduzieren, bislang ohne Erfolg. Ihr Gesetzesvorhaben scheiterte, ihr Volksbegehren wurde vom Innenministerium nicht zugelassen. Deswegen unterstützt die FDP jetzt die Unterschriftensammlung des Privatmanns Dieter Distler – bislang sind die Erfolgschancen noch ungewiss.

Obwohl auch der Rechnungshof vor einer Kostenlawine warnte, sieht die grün-schwarze Koalition vorerst keinen Handlungsbedarf. In der grünen Fraktion verweist man auf Berechnungen des Innenministeriums, wonach der Landtag sich kaum verändert hätte, wäre bei den jüngsten Wahlen das neue Wahlrecht angewandt worden. „Für uns ist völlig klar: Wenn das Parlament zu groß werden sollte, muss der Gesetzgeber handeln“, sagte etwa Fraktionschef Andreas Schwarz. Und auch CDU-Fraktionschef Manuel Hagel erklärte bereits, man wolle das Wahlrecht im Blick behalten.

Keine Änderung vor der Landtagswahl 2026

Dass die beiden Koalitionäre das heiße Eisen, an dem Grün-Schwarz in der vorangegangenen Legislaturperiode fast zerbrochen war, vor der Landtagswahl anfassen wird, ist unwahrscheinlich. Zumal es für die Wahl 2026 ohnehin zu spät ist, die Vorbereitungen laufen schon. Im kommenden Frühjahr werden die Parteien erstmals in der Geschichte des Landes Listen für die Zweitstimmen aufstellen. Noch ein Punkt, der den Liberalen Brauer stört. Denn bisher war die Wahl stark auf die Persönlichkeit der Kandidaten ausgerichtet. Wer viele Stimmen in seinem Wahlkreis errungen hat, hatte auch ohne Direktmandat bessere Chancen auf das Mandat.

„Die Aufblähung des Landtags ist nur ein Grund, warum ich 2026 nicht mehr antreten werde“, sagt Brauer. „Durch die Änderung des Wahlrechts werden wir vom Bürgervertreter zum Parteivertreter.“ Die FDP hat keine Aussichten auf ein Direktmandat, deshalb ist die Landesliste wichtig. Sie ist in den allermeisten Fällen das Ergebnis parteiinterner Aushandlungsprozesse.

Verständnis aus den eigenen Reihen

FDP-Generalsekretärin Judith Skudelny hat dafür Verständnis. „Die Rolle verändert sich. Weg von Bürgernähe hin zur Fachlichkeit und Verantwortung für das ganze Land.“ Brauer habe das aber auch schon als Abgeordneter gelebt, betont sie – etwa als er landesweit gegen die Grundsteuerreform im Einsatz war.

Für Brauer ist die Rückkehr in sein altes Leben einfach: Der Oberstudienrat war vor seiner Zeit im Landtag Lehrer am Wirtschaftsgymnasium in seinem Heimatort in Crailsheim und ist nur beurlaubt.„Abgeordneter zu sein war nie mein Lebensziel“, sagt er. „Ich gehe wahrscheinlich zurück in den Schuldienst. Dass das möglich ist, sehe ich als Privileg.“

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