Das Video eines auf Architektur spezialisierten Youtubers beschert der Fellbacher Bauruine SLT 107 neue Aufmerksamkeit. Wir haben mit dem Mann hinter der Kurzdoku gesprochen.
Im Fellbacher Osten nichts Neues: Weiterhin prangt dort Baden-Württembergs höchste Bauruine, in den vergangenen Monaten hat sich am Schwabenlandtower SLT 107 wenig bis gar nichts getan. Das Bauprojekt hat in den letzten Tagen aber einen ganzen Schwall neuer Aufmerksamkeit bekommen. Der Grund dafür: Der Youtuber Cato hat sich den Tower in einem knapp zwanzigminütigen Clip vorgeknöpft.
Der junge Filmemacher widmet sich in seinen Videos ausschließlich verschiedenen Bauprojekten; knapp 70 000 Menschen folgen ihm inzwischen auf Youtube. Auch die mit „Schande – warum das höchste Haus in Baden-Württemberg nie fertig wird“ betitelte Kurzdoku über den Schwabenlandtower hat eine beträchtliche Reichweite erreicht: Fast 375 000 Mal wurde er bislang angeklickt, auch überregionale Medien wie der Münchner Merkur haben das Thema aufgegriffen.
Wer steckt hinter dem Youtube-Kanal @catchcato?
Wir konnten mit dem Mann hinter dem Video sprechen: Cato heißt bürgerlich Simon Gruninger und ist vor kurzem der Liebe wegen nach Stuttgart gezogen. „Ich bin schon länger auf Youtube unterwegs, mir hat nur immer ein Thema gefehlt“, erzählt er. Doch mit der Architektur und Bauprojekten hat er nun seine Nische gefunden. „Jeder wohnt irgendwo, ob in der Stadt und auf dem Dorf. Ich glaube, das Bewusstsein für Architektur und Design wächst überall – und viele beschäftigen sich damit, wie sie in Zukunft wohnen und leben wollen“, sagt der 24-Jährige.
Auf einer Erkundungstour durch die Region entdeckte der Neu-Stuttgarter dann den Schwabenlandtower 107. „Das hat mich beschäftigt. Warum steht der da einfach und ist nicht fertig? Ich bin ein ästhetisch denkender Mensch und habe mich auch gefragt, wie es den Menschen damit geht, die hier wohnen“, so Gruninger. Er begann, zur Geschichte des Towers zu recherchieren, der eigentlich schon lange als höchster Wohnturm des Landes fertig sein sollte.
Ob die Baustelle in Fellbach je fertig wird, ist unklar
Der Youtuber hat die Geschichte des Pleiteturms, der in der ganzen Region sichtbar ist, umfassend zusammengetragen und unter anderem Interviews mit Anwohnern geführt. Die meisten haben für den ehemals als Gewa-Tower bekannten Turm nur Verachtung übrig: „Das ist wirklich eine Schande, was da passiert ist“, findet ein Fellbacher. „Das passt hier überhaupt nicht, hat nie gepasst“, ein anderer. Immerhin: „Ich finde es schade, dass da einfach nicht weitergebaut wird“, sagt eine Frau. Ein anderer meint: „Ich hoffe nur als Fellbacher mit Leib und Seele, dass sich so etwas nie mehr wiederholt.“
Die Recherchen und der Dreh zu dem Towervideo haben Gruninger zufolge rund drei Wochen gedauert. Der Youtuber hat sich dabei in Zeitungsartikeln, aber auch schnipselweise im Archivmaterial von Fernsehsendern bedient, um die Geschichte des Bauprojekts zu erzählen. Knackig geschnitten und doch differenziert, vermittelt der Clip auch jenen Menschen einen Überblick, denen die Fellbacher Hochhaus-Bauruine bislang nichts sagte. „Ich habe auf das Video hin viele Kommentare von Fellbachern bekommen, die sich gefreut haben, dass ich den Tower aufgegriffen habe – das hat mich etwas überrascht, weil sich mein Kanal ja sonst eher mit deutschlandweiten Themen beschäftigt“, sagt Gruninger.
Auch mit dem langjährigen Fellbacher SPD-Stadtrat und Projektkritiker Harald Raß hat Cato gesprochen. Im Interview erinnert sich dieser daran, dass der Towerbau auch mit fast 4000 Unterschriften nicht gestoppt werden konnte. Im Jahr 2010 hatte das Verwaltungsgericht Stuttgart eine entsprechende Klage abgewiesen. Auch das Fellbacher Rathaus kommt zu Wort: Die Fellbacher Baubürgermeisterin Beatrice Soltys erklärt unter anderem, sie verstehe Anwohner durchaus, die sich am Anblick des leer stehenden Towers störten. Auch der Fellbacher Nabu darf etwas über seine Schützlinge, die Tower-Falken, erzählen.
Youtuber Cato erklärt die Geschichte der Bauruine in Fellbach
Wie es mit dem Tower nun weitergeht, steht weiterhin in den Sternen. Von der jahrelangen Baupause ungeachtet, preist die finanziell angeschlagene Adler-Group den Wohnwolkenkratzer auf ihrer Webseite weiterhin als „Landmark und Trophy- Investment“, hebt die „außergewöhnliche Architektur“ hervor, weiter heißt es, der SLT 107 sei „exakt auf die Bedürfnisse des wirtschaftsstarken Standortes Fellbach zugeschnitten“. Die Gruppe hat auf eine Anfrage des Youtubers geantwortet, ein Verkauf des Towers sei weiterhin vorgesehen, derzeit würden Gespräche mit mehreren Interessenten – und sogar Trockenbauarbeiten im Hotelbereich des Turms- laufen. „Tatsächlich war dort ein kleiner Bautrupp, als ich gedreht habe“, sagt Gruninger.
Der Youtuber plant schon weitere Videos zu anderen Bauprojekten. „Themen gibt es in der Architektur genügend. Das nächste große wird Stuttgart 21, noch so ein Sorgenkind, das ich gerne behandeln würde“, sagt Gruninger. Er betont aber auch, dass er den Kanal eigentlich nicht mit dem Ziel gestartet habe, Pleiten und Skandale aufzudecken: „Eigentlich wollte ich in meinen Videos gerade positive Sachen und neue Projekte vorstellen.“ Jedenfalls hat er mit seinem Youtubekanal große Pläne und möchte sich auch beruflich bald voll auf seine Tätigkeit als Content-Creator konzentrieren. Man darf also gespannt sein, wie es für den jungen Stuttgarter weitergeht.