Josef Schuster beklagt den „explosionsartigen Anstieg“ des Antisemitismus. Doch jüdisches Leben in Deutschland könne man nicht darauf reduzieren, betont der Zentralratschef.
“Mitten dabei – 80 Jahre Jüdisches Leben in Stuttgart“ heißt das Motto der Jüdischen Kulturwochen der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg. Zur Eröffnung ist der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nach Stuttgart gekommen und unterstreicht damit die Bedeutung der Veranstaltung.
Herr Schuster, ist das Motto der diesjährigen Kulturwochen für Sie von besonderer Aussagekraft?
Natürlich. Ich freue mich sehr, hier zu sein und die Kulturwochen zu eröffnen. Juden sind weitaus mehr als Akteure im Kampf gegen Antisemitismus, weitaus mehr als nur Opfer. Das gerät manchmal aus dem Fokus. Für mich ist es eine Herzensangelegenheit, dass jüdische Perspektiven mit Strahlkraft ins gesellschaftliche Leben hineinwirken. Genau dafür stehen die Kulturwochen.
Überlebende der Shoah, die nach 1945 in Deutschland heimisch wurden, ernteten oft Unverständnis von denen, die zum Beispiel nach Israel ausgewandert sind. War die Entscheidung für Deutschland dennoch richtig?
Diese Entscheidung war und ist eine höchstpersönliche. Ich bin nicht unglücklich, dass meine Eltern nach Deutschland, nach Unterfranken, zurückgekehrt sind, wo wir seit Jahrhunderten verwurzelt waren. Genauso froh und dankbar bin ich aber, dass es den Staat Israel als Schutzmacht des jüdischen Volkes gibt.
Was ist der jüdische Beitrag zur demokratischen Erneuerung Deutschlands?
Fünf Jahre nach Ende des singulären Menschheitsverbrechens der Shoah gründeten einige wenige Überlebende eine Organisation. Das war ein Akt des jüdischen Selbstbestimmungswillens. Dieses Jahr hat der Zentralrat der Juden in Deutschland sein 75-jähriges Bestehen gefeiert. Wir haben unter anderem dabei geholfen, zehntausende entwurzelter Juden, die mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nach Deutschland kamen, in unsere Gesellschaft zu integrieren.