Zusammenprall oder nicht? In rund vier Milliarden Jahren wird die Milchstraße mit ihrer Nachbargalaxie Andromeda kollidieren – so lautet die gängige Prognose. Doch es könnte auch ganz anders kommen.
Unser Sonnensystem liegt in einer recht flachen Spiralgalaxie. Ein Teil davon ist bei sehr klarem Wetter am Nachthimmel als spärlich glimmendes, unregelmäßig breites, schwach milchig-helles Band über dem Firmament zu sehen. Eine 360-Grad-Panorama-Aufnahme des Sternenhimmels zeigt sie als Bogen. Tatsächlich ist die Milchstraße eine Scheibe, die aus circa 100 bis 400 Milliarden Sternen besteht.
Von dieser Milchstraße stammt der Trivialname unserer Galaxie. 1609 erkannte Galileo Galilei mit Hilfe eines Fernrohrs, dass dieses Band aus einzelnen Sterne besteht. Alle rund 6000 Sterne, die ein Mensch als einzelne Lichtpunkte mit bloßem Auge sehen kann, sind Teil unserer Heimatgalaxie.
Was wird aus der Milchstraße?
Die Milchstraße und ihre kosmischen Nachbarn haben eine gemeinsame Geschichte voller Kollisionen, Fast-Zusammenstößen und Verschmelzungen hinter sich. So hat unsere Heimatgalaxie gleich mehrere benachbarte Zwerggalaxien vereinnahmt, während die Andromedagalaxie vor rund zwei Milliarden Jahren einen kleineren Bruder der Milchstraße verschluckte.
Und die Zukunft? Die dürfte nicht weniger turbulent sein. In rund 2,4 Milliarden Jahren wird die Milchstraße wahrscheinlich mit der Großen Magellanschen Wolke (LMC) zusammenstoßen und zu einer Galaxie verschmelzen.
Spiralgalaxien auf Kollisionskurs
Doch auch die beiden größten Galaxien der Lokalen Gruppe sind auf Kollisionskurs: Milchstraße und Andromeda-Galaxie bewegen sich direkt aufeinander zu. Zur Info: Lokale Gruppe nennt man eine Ansammlung von Galaxien, deren größte die Milchstraße und die Andromedagalaxie sind. Beide gleichgroßen Galaxien sind zurzeit nur noch 2,5 Millionen Lichtjahre voneinander entfernt. Schon jetzt berühren sich ihre weit ins All hinausreichenden galaktischen Außenbereiche , die sogenannten Halos.
Die meisten Astronomen nehmen an, dass sich beide Nachbarn-Spiralgalaxien in vier bis fünf Milliarden Jahren miteinander verschmelzen. „Dieses Szenario ist zur vorherrschenden Lehrmeinung geworden“, erklären Till Sawala von der Universität Helsinki und seine Kollegen in einer neuen Studie.
Was ist mit den anderen Galaxien?
„Als Folge ihrer Kollision werden die beiden großen Spiralgalaxien demnach zu einer neuen elliptischen Galaxie verschmelzen.“ Allerdings sind Milchstraße und Andromeda nicht allein: In der Lokalen Gruppe gibt es weitere nahe Nachbargalaxien, die die künftigen Bahnen der beiden Sternenspiralen beeinflussen, darunter die Große Magellansche Wolke und die Dreiecksgalaxie M33.
Hinzu kommt: In jüngster Zeit wurden einige Massen der Galaxien in unserer lokalen Gruppe neu vermessen. Diese neuen Werte beeinflussen auch ihre Bahnen und Gravitationswirkungen.
Suche nach dem wahrscheinlichsten Szenario
Wie sicher die Kollision von Milchstraße und Andromeda angesichts dieser Faktoren noch ist, haben Sawala und sein Team deshalb genauer untersucht. Sie nutzen dafür ein Computermodell der Lokalen Gruppe, das sie mit den neuesten Daten zu den vier Galaxien speisten. Dann verfolgten sie, wie sich die zukünftige Bahn von Milchstraße und Andromeda verändert, wenn sie dem Einfluss der beiden anderen Galaxien ausgesetzt sind.
Das Resultat: Wären Milchstraße und Andromedagalaxie allein im Weltall, würde ihr jetziger Kurs in knapp der Hälfte aller möglichen Fälle zu einer Kollision führen. „Bezieht man die Dreiecksgalaxie M33 mit ein, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit für eine Verschmelzung auf zwei Drittel“, schreiben die Astronomen.
Denn diese Galaxie wird mit 86-prozentiger Wahrscheinlichkeit vor der „großen Kollision“ mit der Andromedagalaxie verschmelzen und ihr dabei zusätzlichen Schub in Richtung Milchstraße verleihen.
Große Magellansche Wolke – der unbekannte Faktor
Doch das Bild wandelt sich, wenn man den vierten „Akteur“ hinzunimmt, die Große Magellansche Wolke. „Sie hat den gegenteiligen Effekt: Sind nur Milchstraße, Andromeda und LMC beteiligt, liegt das Kollisions-Risiko nur bei einem Drittel, berücksichtigt man alle vier, liegt die Wahrscheinlichkeit bei knapp über 50 Prozent“, berichten Sawala und sein Team.
Die Große Magellansche Wolke bewegt sich nämlich senkrecht zum Kollisionskurs der beiden Spiralgalaxien. Wenn sie mit der Milchstraße kollidiert, wird sie diese daher vermutlich ablenken.
Ob es also wirklich eine „große Kollision“ zwischen Milchstraße und Andromedagalaxie geben wird, ist alles andere als in Steingemeißelt. „Selbst wenn wir die neuesten und präzisesten Beobachtungsdaten verwenden, ist die zukünftige Entwicklung der Lokalen Gruppe eher unsicher“, schreiben die Astronomen. Das weit verbreitete Kollisions-Szenario sei demnach nicht wahrscheinlicher als ein Ausbleiben dieses Zusammenstoßes.