In Baden-Württemberg wird derzeit darüber diskutiert, ob eine Impfpflicht gegen Masern für Kinder und Jugendliche eingeführt werden soll. Die Mehrheit der Kinderärzte in Stuttgart rät zur Impfung im ersten Lebensjahr – doch es gibt auch andere Meinungen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Masernerkrankungen nehmen aktuell zu, auch dass die Impfquote von 95 Prozent für die zweite Masernimpfung unterschritten wird, gibt der Politik Anlass zur Sorge. Wir haben mit Thomas Jansen und Ulf-Jürgen Beckmann zwei Kinderärzte aus Stuttgart gefragt, wie sie zur Maserimpfung stehen. Ihre Aussagen unterscheiden sich – und doch sind sie sich bei einer Sache einig.

 

Pro: Manche Kollegen verniedlichen die Risiken (Thomas Jansen)

Es ist immer ein Abwägen von Nutzen und Risiken beim Impfen. Und der Nutzen überwiegt bei der Masernimpfung klar die Risiken. Masernerkrankte sind immer schwer krank. Sie haben eine Abwehrschwäche und dadurch ein erhöhtes Risiko für weitere Infektionen. Die Wahrscheinlichkeit, dass als schwerwiegendste Komplikation eine Gehirnentzündung auftritt, liegt bei eins zu tausend; dass ein Kind durch das Impfen eine Maserngehirnentzündung durchmacht, liegt bei unter eins zu einer Million. Masern sind extrem ansteckend. In der Gesellschaft brechen die Infektionsketten erst bei einer Impfquote von 92 bis 95 Prozent ab. Deshalb ist der ganz überwiegende Teil der Kollegen in Stuttgart überzeugt, dass impfen sinnvoll ist. Gegen Masern impfen sollte man mit einem Jahr, vorher wirkt die Impfung unter Umständen nicht, der Nestschutz durch Abwehrstoffe der Mutter wehrt sie ab. Die erste Impfung wirkt nur bei etwa 92 Prozent der Kinder, die zweite sollte daher bald darauf erfolgen. Die tödliche Spätfolgeerkrankung SSPE tritt wesentlich häufiger auf, wenn Kinder im Säuglingsalter Masern hatten. Eine Impfpflicht sehe ich aber kritisch, die bringt uns nicht weiter. Die Zahl der Impfgegner unter den Eltern ist sehr klein. Die Skeptiker erreicht man mit guter Aufklärung. Die Impfquote hängt wesentlich von der Haltung des Arztes ab. Manche Kollegen verniedlichen aber die Risiken der Krankheiten.

Kontra: Masernkinder erleben einen Entwicklungsschub (Ulf-Jürgen Beckmann)

Ich rate den Eltern zu einer individuellen Entscheidung nach reiflicher Überlegung. Für das Impfen spricht, dass Masern nie garantiert ungefährlich sein können und Säuglinge ungeschützter Geschwister gefährdeter sind. Gegen die Impfung kann sprechen, dass sie keine lebenslange Immunität erzeugt und nicht wirksam aufgefrischt werden kann. Wie bei allen Impfstoffen mit ihren Zusatzstoffen sind die individuellen Auswirkungen auf das Immunsystem nicht endgültig geklärt. Es wird auch nicht berücksichtigt, was die Mehrzahl der Eltern nach rund 1000 von mir betreuten Masernerkrankungen beobachtet haben: einen großen Entwicklungsschub der Kinder. Durch das verbreitete Impfen sind heute die meisten Säuglinge wegen fehlendem Nestschutz durch nur geimpfte Mütter und viele Erwachsene wegen Impfversagern oder nachlassendem Impfschutz ungeschützt. Wenn die Impfung gewünscht wird, empfehle ich sie erst im zweiten Lebensjahr, da das Immunsystem dann weiter entwickelt ist. Eine zweite Impfung ist nur eine Wiederholungsimpfung, um die Rate der Impfversager zu minimieren. Eine Impfpflicht halte ich nicht für effektiver, das zeigen die Durchimpfungsraten von Ländern mit Impfpflicht. Vor allem halte ich sie für nicht vereinbar mit unserer freiheitlichen Werteordnung. Nicht umsonst haben die Väter des Grundgesetzes die Unverletzbarkeit der Würde und des Leibes als Lehre aus unserer Geschichte festgeschrieben.