Zwei Tote in Stuttgarter Lokal Italienische Gastroszene unter Schock
Der Tod der beiden stadtbekannten Wirte, die Geschäftspartner und Freunde waren, macht viele Kollegen fassungslos. Und das liegt auch an den Ermittlungsergebnissen.
Der Tod der beiden stadtbekannten Wirte, die Geschäftspartner und Freunde waren, macht viele Kollegen fassungslos. Und das liegt auch an den Ermittlungsergebnissen.
Normalerweise beginnt die Arbeitswoche im Valle genau jetzt, am Dienstag um 11.30 Uhr, und zwar nach zwei vorangegangenen Ruhetagen. Doch an diesem Dienstag ist um 11.30 Uhr nichts mehr so, wie es einmal war. Und so gilt es auch als vollkommen ungewiss, wann das italienische Restaurant in der Stadtmitte das nächste Mal für Gäste öffnet.
Ein lilafarbenes Polizeisiegel hält die Tür an der Geschwister-Scholl-Straße 3 verschlossen und markiert gleichzeitig eine dramatische Zäsur in der 20-jährigen Geschichte des beliebten familiengeführten Gastrobetriebs vis-à-vis des Uni-Campus Stadtmitte. Von dort schauen am Vormittag Studenten ungläubig in Richtung Tatort, der noch den ganzen Montagnachmittag über und am Abend abgesperrt war. Mittlerweile ist das rot-weiße Polizeiband wieder weg, was bleibt, ist die große Fassungslosigkeit über eine Tat, die zwei Männer mit jeweils 53 Jahren aus der Mitte des Lebens gerissen hat.
In diesem Fall ist die Kripo dagegen vergleichsweise unaufgeregt, was angesichts der Dramatik überrascht. Das liegt jedoch daran, dass sich eine erste Theorie als höchstwahrscheinlich herausstellt.
Die zwei Männer lagen mit schweren Verletzungen im Untergeschoss des Lokals. Nach Informationen unserer Zeitung hatten beide Stichverletzungen. Das bestätigen die Polizei und die Staatsanwaltschaft nun: „Verletzungen, mutmaßlich entstanden durch scharfe Gewalt“, hätten beide Tote gehabt, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Pressemitteilung. Die Tür des Raumes, in dem die Männer lagen, war abgeschlossen. Ob sie mit Messern oder anderen spitzen Gegenständen wie Scheren oder abgebrochenen Flaschen verletzt wurden, dazu sagt die Polizei noch nichts. Die beiden Toten werden erst am Mittwoch obduziert, die Kripo bildet keine Ermittlungsgruppe. Denn: „Es war offenbar niemand sonst beteiligt“, sagt ein Sprecher der Polizei. Es soll sich bei ihnen um einen der Chefs des Valle und einen befreundeten Gastronomen und Geschäftspartner handeln, der mit den Geschwistern vom Valle einen Ableger an der Tübinger Straße bei der Paulinenbrücke betrieben hatte, das Perbacco. Vor Kurzem hatte er sich von dort zurückgezogen und das Lokal an neue Betreiber übergeben.
Wie die beiden Männer zu den Verletzungen kamen, ob sie sich stritten und dabei gegenseitig verletzten, oder einer dem anderen und dann sich selbst die Verletzungen zufügte, das soll die Obduktion am Mittwoch klären. Die Kripo ist sich nur in dem Punkt sicher, dass keine weitere Person dabei gewesen sein soll. Die Einschätzung der Verletzungen würden auf einer ersten Begutachtung der beiden Toten durch Gerichtsmediziner beruhen, teilen die Ermittlungsbehörden mit. Erst die Obduktion werde den genauen Ablauf voraussichtlich nachvollziehbar machen.
„Die ganze italienische Gastronomie ist im Schockzustand“, sagt Marcel Elsässer wenige Hundert Meter vom Tatort entfernt im Restaurant Oggi auf dem Kleinen Schlossplatz. Elsässer ist der Schwiegersohn von Oggi-Mitinhaber Maurizio Estrano und als Juniorchef an diesem Dienstag für den gerade angelaufenen Mittagsbetrieb zuständig. „Die beiden Toten kannte jeder in Stuttgarts italienischer Restaurantszene“, berichtet Elsässer. „Und für jeden von uns ist die Tat absolut unerklärlich.“ Der Valle-Mitinhaber und sein Geschäftspartner seien doch die engsten Freunde und offenbar auch Patenonkel eines Kindes des jeweils anderen gewesen.
„Das ergibt doch alles überhaupt keinen Sinn“, sagt Marcel Elsässer und berichtet von Gerüchten, die deshalb im Umlauf seien und im krassen Widerspruch zu den polizeilichen Ermittlungen stehen. Unter anderem gibt es die Theorie von einem Doppelmord, ausgeführt von Bandenmitgliedern einer rockerähnlichen Straßengang. Weder darauf noch auf eine wie auch immer geartete Mafia-Verstrickung deute nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen etwas hin. Auch wenn die Lage klar erscheine, ermittele die Kripo weiter „unter Hochdruck“, um die Hintergründe der Tat aufzuklären.
Eine andere Spekulation, die einem italienischen Café-Betreiber zu Ohren gekommen ist, der seinen Namen nicht in der Zeitung sehen will, orientiert sich enger an den kriminaltechnischen Ergebnissen, dass keine weitere Person an der Tat beteiligt gewesen sei. Im Untergeschoss des Restaurants sei zwischen beiden Männern ein tödlicher Streit übers Geld ausgebrochen, heißt es.
Der aktuelle Fall weckt Erinnerungen an eine Tat vor zwölf Jahren, die die italienische Gastro-Szene in Stuttgart ähnlich tief erschüttert hat. Der damalige Chef des nur wenige Schritte vom Valle entfernten Restaurants Mezzogiorno im Stadtgarten wurde im März 2010 im Heusteigviertel auf offener Straße von einem seiner Mitarbeiter erschossen. Der Täter wurde damals wegen heimtückischen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.