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MIT DER BRECHSTANGE

MIT DER BRECHSTANGE

Vorerst hat das Bundesverfassungsgericht das umstrittene Heizungsgesetz gestoppt. Doch die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) kann immer noch zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Ein Überblick.

Petra Mostbacher-Dix

Experten bemängeln, dass der Einbau einer Wärmepumpe nicht in jeder Immobilie sinnvoll oder auch machbar ist. Foto: romaset/stock.adobe.com

Petra Mostbacher-Dix

Aufregung auf allen Kanälen! Kaum eine Zeitung, kaum ein Sender, kaum eine Homepage, kurz kaum ein Medium, in dem nicht seit Monaten über die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) heiß diskutiert wird. Hintergrund: Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Und das „Heizungsgesetz“, wie es landläufig genannt wird, sollte noch vor der Sommerpause 2023 vom Bundestag verabschiedet werden. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht die Abstimmung über den Gesetzentwurf wegen Formfehlern gestoppt. Das eigentliche Gesetz ist davon nicht betroffen und die Abstimmung kann trotzdem erfolgen – aber eben später, voraussichtlich im Herbst dieses Jahres. 

Die Inhalte sind nicht neu. Schon im Koalitionsvertrag Ende 2021 einigte sich die Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP, dass - um den CO₂-Ausstoß abzusenken - ab dem 1. Januar 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden soll. Allerdings ist das Gesetz, dessen Entwurf im Bundesbauministerium und Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet wurde, um ein Jahr vorgezogen worden, also von 2025 auf 2024. Gründe sind der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise.

Sind sich die Ampelparteien in der Sache einig, dass zukünftig Gebäude nicht mehr mit fossilen Brennstoffen gewärmt werden sollen, so liegt der Teufel im Detail und in der Dynamik, also wie schnell, womit und von wem angesichts mangelnder Fachkräfte im Handwerk dieses Ziel umgesetzt werden soll. Denn machbar muss dieses faktische Aus von Öl- und Gasheizungen sein: ein pragmatischer Umstieg auf erneuerbares Heizen, der wirkt, sozial ist und bezahlbar. 

Der Teufel steckt im Detail

Diesem Vorziehen folgte bekanntlich ein Hin und Her, bis sich die Ampelkoalition im Juni verständigte und ein Eckpunktepapier mit Änderungen aufsetzte. Über diese „Leitplanken“ wurde am 8. Juli im Bundestag beraten. Dass der Entwurf überarbeitet wurde, finden Verbände der Branche und Kommunen gut, vor allem dass die GEG-Novelle mit kommunaler Wärmeplanung verzahnt werden soll. Laut SPD, Grünen und FDP soll diese bis 2028 bundesweit umgesetzt werden, für Großstädte ab 100 000 Einwohnern ist eine Frist bis 2026 geplant. Ausgenommen von der Pflicht zur Wärmeplanung sollen Kommunen unter 10 000 Einwohnern sein, indes will man über diese angedachte Schwelle nochmals debattieren. 

Die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes stößt unter Eigenheimbesitzern auf wenig Gegenliebe. Sie befürchten hohe Investitionskosten. Immobilienexperten halten das Verbot von Öl- und Gasheizungen in Neubauten für eine reine Klientelpolitik des grünen Wirtschaftsministers. Foto: Racamani/stock.adobe.com
Die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes stößt unter Eigenheimbesitzern auf wenig Gegenliebe. Sie befürchten hohe Investitionskosten. Immobilienexperten halten das Verbot von Öl- und Gasheizungen in Neubauten für eine reine Klientelpolitik des grünen Wirtschaftsministers. Foto: Racamani/stock.adobe.com

Wärmeplanung im Ländle weit fortgeschritten

Baden-Württemberg ist da längst weiter. Bereits 2020 wurde beschlossen, dass bis zum 31. Dezember 2023 Stadtkreise, Große Kreisstädte sowie Städte mit mehr als 20 000 Einwohnenden verpflichtend einen kommunalen Wärmeplan erstellen: eine Analyse von Bestand, Potenzial, Zielszenario und Wärmewendestrategie, um Einsatzmöglichkeiten der Energiequellen im künftigen Energiesystem zu definieren und lokal umzusetzen. Spätestens alle sieben Jahre ist diese fortzuschreiben, dabei weitere Entwicklungen berücksichtigend. „Die Transformation der Wärmeversorgung zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung und die kommunale Wärmeplanung als strategischer Steuerungsprozess sind von herausragender Bedeutung für das Gelingen des Klimaschutzes“, schrieb der damalige Umweltminister Franz Untersteller im „Handlungsleitfaden: Kommunale Wärmeplanung“.

Zurück zum Gesetz auf Bundesebene. Das Verbot neuer Öl- und Gasheizungen ab 1. Januar 2024 greift zunächst nur für Neubauten in reinen Neubaugebieten. In neuen Gebäuden außerhalb dieser Gebiete sowie in Altbauten können neue Öl- und Gasheizungen so lange installiert werden, bis die Kommune eine Wärmeplanung vorgelegt hat. So sollen Eigentümer beim Heizungstausch einen besseren Überblick darüber haben, welche Optionen möglich sind. 

Erst einmal neue Heizungen nur in reinen Neubaugebieten

Dass die Ampel auch große Hoffnungen in die Fernwärme setzt, wurde beim Gipfel von Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bauministerin Klara Geywitz mit Vertretern der Fernwärmebranche deutlich. Man einigte sich darauf, künftig jährlich 100 000 Wohnungen an das Fernwärmenetz neu anzuschließen. Geplant ist, bis 2030 insgesamt die Hälfte der Wärme in den Netzen klimaneutral zu erzeugen. Allerdings fehle es an gesetzlichen Vorgaben dafür, hieß es beim Gipfel. „Es ist wichtig, dass wir bei der Fernwärme vorankommen“, so Habeck bei der Pressekonferenz. Gerade in Städten sehe er großes Potenzial. Die Fernwärme könne eine Alternative zur Wärmepumpe sein. Letztere, in den vergangenen Monaten umstrittenes Sinnbild der Wärmewende, brauche man nicht, wenn man an Wärmenetze angeschlossen sei, so Habeck. 

Auf Wasserstoff umrüstbar

Diese hängen eng mit der kommunalen Wärmeplanung zusammen. Liegt eine solche nicht vor, gelten bis 2028 die neuen GEG-Regeln nicht für den Austausch von Heizsystemen im Gebäudebestand. Weiterhin dürfen dann ab dem 1. Januar 2024 – auch bei Neubauten außerhalb von Neubaugebieten – Gasheizungen eingebaut werden, wenn sie auf Wasserstoff umgerüstet werden können. 

Liegt aber ein kommunaler Wärmeplan vor mit klimaneutralem Gasnetz, können neben allen anderen Erfüllungsoptionen auch auf Wasserstoff umrüstbare Gasheizungen eingebaut werden. Ohne CO₂-neutrales Gasnetz dürfen, so ist im Eckpunktepapier zu lesen, Gasheizungen nur weiter eingebaut werden, „wenn sie zu 65 Prozent mit Biomasse, nicht-leitungsgebundenem Wasserstoff oder seinen Derivaten betrieben werden“. In diesem Fall ergäben sich angemessene Übergangsfristen zur Umstellung auf die neue Technologie, die die Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung nicht verzögern“. Was angemessen ist, wird nicht ausgeführt. Auch darf eine neue oder gebrauchte Öloder Gasheizung eingebaut werden, wenn die alte nicht mehr zu reparieren ist. Die Übergangslösung muss aber nach spätestens drei Jahren ökologisch nachgerüstet werden, also zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen.

Regionalen Unterschieden Rechnung tragen

Die geänderten Leitplanken machen aber deutlich, dass ab 1. Januar 2024 Öl- und Gasheizungen nur mit Beratung verkauft werden können, „die auf mögliche Auswirkungen der kommunalen Wärmeplanung und die mögliche Unwirtschaftlichkeit hinweist“. Auch soll es Aufklärungskampagnen über CO₂-Bepreisung und Klimaschutzgesetz geben. Private und öffentliche Gebäude würden dabei gleichbehandelt.

Im Papier betonen die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zudem, dass die verschiedenen Optionen gleichwertig behandelt werden beim Umstieg auf klimaneutrale Heizungssysteme, um so den regionalen Unterschieden Rechnung zu tragen. „Die Erfüllungsoptionen sollen praxistauglich sein und Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Die Bedingungen zur Erreichung des 65-Prozent-Ansatzes werden einheitlich für Neubau und Bestand überarbeitet.“ Diese Vorgabe kann technologieoffen erfüllt werden: Verschiedene Heizsysteme wie Wärmepumpen, Solarthermie, Stromdirektheizungen und Biomasse dürfen genutzt werden, um eben auch das Gebäude an ein Wärmenetz anzuschließen. Als Beispiele für Erfüllung der Vorgaben werden Holz- und Pellets-Heizungen genannt, allerdings seien Fehlanreize „beim Einsatz von Holz und Pellets“ zu vermeiden. 

Fahrplan und Monitoring

Unnötige ordnungsrechtliche Vorgaben würden ebenfalls gestrichen. Und statt Transformationsplänen müssten die Kommunen und Betreiber einen „verbindlichen Fahrplan mit verbindlichen und nachvollziehbaren Zwischenzielen (Monitoring) zum Hochlauf des Wasserstoffs bis 2045“ vorlegen. In Sachen sozialer Komponenten bleibt das Papier unkonkret. Mieter sollen nicht über Gebühr belastet werden, Vermieter Anreize haben, in moderne Heizungssysteme zu investieren. Man wolle die bestehende Förderkulisse weiterentwickeln, dabei die Modernisierungsumlage berücksichtigen. Damit Haushalte bei notwendigen Neuinvestitionen nicht überfordert werden, soll es vonseiten des Bundes eine Förderung geben, die „aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert wird“ und möglichst pass genau einzelne Bedürfnislagen und soziale Härten bis in die Mitte der Gesellschaft berücksichtige. „Wir wollen niemanden zu etwas verpflichten, das in der jeweiligen Lebenslage nicht leistbar ist. Darum werden die Ausnahmeregelungen, wie zum Beispiel die Regelung zur 80-Jahre-Grenze, überarbeitet und plausibler gestaltet.“ In anderen Worten müssen Hauseigentümer, die 80 Jahre oder älter sind, nicht auf eine Heizung mit erneuerbaren Energien umsteigen. Und bei einem Heizungsdefekt dürfen sie eine reine Öl- oder Gasheizung anschaffen. Wird indes das Haus verkauft oder vererbt, greift das neue Recht nach einer Übergangsfrist von maximal zwei Jahren. 

Mehr Umweltthermie im Neubau

Laut dem Statistischen Landesamt wurden in Baden-Württemberg 2022 insgesamt 14 956 Baugenehmigungen für neue Wohngebäude erteilt. Überwiegend werde da mit Heizungen geplant, die über Umweltthermie (73,5 Prozent) betrieben werden. Das ist ein Anstieg um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr 2021. 

Innerhalb von fünf Jahren legte der Anteil an Umweltthermie in den genehmigten Neubauten gar um 16 Prozent zu. Der Aufwärtstrend spiegele wider, dass erneuerbare Energien in Neubauten verpflichtend sind, so die Forschenden. Die bereits am häufigsten eingebaute Heizquelle in neu gebauten Wohngebäuden von Baden-Württemberg sei, heißt es im Umweltministerium, die Wärmepumpe. Der Absatz von Wärmepumpen sei im Jahr 2022 um rund 50 Prozent gewachsen. Umzusteigen lohne sich, weil dies den Geldbeutel schone und zugleich ein Schritt aus der fossilen Abhängigkeit sei, so Umweltministerin Thekla Walker. 

Die Statistiker betonen, dass im Gegenzug dazu die Anzahl an Wohngebäuden (1131), die primär mit Gas betrieben werden, weiter rückläufig sei: 5,1 Prozent weniger Gasheizungen seien im Vergleich zum Vorjahr beantragt worden, im Fünf-Jahres-Abstand betrage der Rückgang 15 Prozent. Weitgehend stabil blieb indes in den vergangenen Jahren die Bedeutung von Fernwärme als Energiequelle neu genehmigter Wohngebäude – mit einem Anteil von 9,2 Prozent. Fast keine Rolle mehr spielten schließlich Heizungen, die mit Öl (0,1 Prozent) oder Strom (0,3 Prozent) versorgt werden. peix

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