Die Jahresstatistik des Medizinischen Diensts Bund verzeichnet 75 Todesfälle durch schwere Behandlungsfehler. Laut dem Vorstandsvorsitzenden des Medizinischen Diensts, Stefan Gronemeyer, dürfte die Dunkelziffer aber deutlich höher liegen.

. Die Jahresstatistik des Medizinischen Diensts Bund verzeichnet 75 Todesfälle durch schwere Behandlungsfehler. Laut dem Vorstandsvorsitzenden des Medizinischen Diensts, Stefan Gronemeyer, dürfte die Dunkelziffer aber deutlich höher liegen. Er forderte am Donnerstag eine Meldepflicht für solche schweren Fehler. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, und die Sprecherin für Gesundheitspolitik der Gruppe Die Linke im Bundestag, Kathrin Vogler, dringen auf einen Härtefallfonds für Geschädigte.

 

Die am Donnerstag in Berlin veröffentlichte Jahresstatistik für 2023 des Medizinischen Diensts listet 151 sogenannte Never Events auf, also Fehler, die niemals hätten passieren dürfen, beispielsweise die Verwechslung von Patienten, Körperteilen oder Medikamenten. In einem Fall sei eine 39-Jährige, bei der eine Zyste operiert werden sollte, sterilisiert worden. Insgesamt seien es aber 14 Fälle weniger gewesen als 2022.

17.000 fehlerbedingte, vermeidbare Todesfällen

Gronemeyer verwies allerdings darauf, dass Fachleute davon ausgingen, dass es bei etwa einem Prozent aller stationären Behandlungen zu Fehlern und vermeidbaren Schäden komme: „Demnach sind jedes Jahr 168.000 Patientinnen und Patienten davon betroffen. Die Experten gehen von circa 17.000 fehlerbedingten, vermeidbaren Todesfällen aus.“

„Wenn solche Fehler passieren, dann bestehen Risiken im Versorgungsprozess, denen systematisch nachgegangen werden muss, um sie in Zukunft zu vermeiden und Schaden an Patienten zu verhindern“, sagte Gronemeyer. Dafür brauche es eine Meldepflicht für Never Events.

Der Medizinische Dienst habe im vergangenen Jahr mehr als 12.000 Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern angefertigt, hieß es. In jedem vierten Fall sei dabei ein Fehler festgestellt worden, in jedem fünften Fall sei der Fehler Ursache für einen Schaden gewesen, den Patientinnen oder Patienten erlitten hätten. Solche Gutachten würden aber nur dann angefertigt, wenn Patienten den Verdacht auf einen Behandlungsfehler äußern und sich deswegen an ihre Krankenkassen wenden, die solch ein Gutachten beauftragen kann.

Aus diesem Grund sage eine statistische Häufung in einem Sachgebiet nichts über das tatsächliche Fehleraufkommen dort aus, teilte der Medizinische Dienst mit. Fehler bei chirurgischen Eingriffen seien für Patienten in der Regel leichter zu erkennen als zum Beispiel Medikationsfehler. Die meisten der Vorwürfe (29,5 Prozent) beträfen daher die Orthopädie und die Unfallchirurgie. Rund zwei Drittel aller Vorwürfe bezogen sich auf den stationären Sektor, meist Kliniken.

Betroffene warten viele Jahre auf Schadensersatz

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Brysch, sagte, derzeit sei eine Fehlerkultur in Praxen und Pflegeheimen nicht existent, sie müssten daher zur Mitarbeit verpflichtet werden. Zudem müssten Geschädigte oft viele Jahre auf Schadenersatz warten. Der Bundesgesundheitsminister müsse deshalb einen Gesetzentwurf für den Härtefallfonds vorlegen, den die Bundesregierung im Koalitionsvertrag versprochen habe.

Einen Härtefallfonds forderte auch Linken-Politikerin Vogler, wie auch Beweislasterleichterungen für Patientinnen und Patienten. Vogler sagte außerdem, vermeidbare Fehler entstünden durch Zeit- und Personalmangel. Beides sei durch zunehmende Profitorientierung im Gesundheitswesen bedingt.