Abschied von Christian Lindner Die FDP steuert auf ein schwarzes Loch zu
Christian Lindner ist gescheitert und verantwortlich für den Fall der FDP. Ohne ihn wird es für die Partei aber auch eng, kommentiert Tobias Peter.
Christian Lindner ist gescheitert und verantwortlich für den Fall der FDP. Ohne ihn wird es für die Partei aber auch eng, kommentiert Tobias Peter.
Die FDP war schon immer ein Experiment mit offenem Ausgang. Dass die Partei um ihr Überleben kämpfen muss, ist also nicht neu.
Die deutsche Gesellschaft ist, wie viele andere westliche Demokratien, immer vielfältiger geworden. Es ist also ein Stück weit eine Übertreibung, von einer deutschen Mentalität zu sprechen. Aber wenn es – auch über lange Zeit – ein verbindendendes Element im Denken in der Bundesrepublik gibt, ist es folgendes: Viele Menschen haben zuallererst hohe Erwartungen an den Staat. Wie viele Jugendliche in einer zehnten oder elften Schulklasse träumen davon, ein Start-up-Unternehmen zu gründen? Und wie viele stattdessen von einer Beamtenstelle?
Die FDP hat sich der Idee verpflichtet, politische Lösungen immer zuerst vom Individuum her zu entwickeln. Das ist ein Unterschied nicht nur zu den Konzepten von Sozialdemokraten und Grünen. Bundeskanzler Friedrich Merz ist ein Wirtschaftsliberaler, die Union zielt allerdings auf breite Mehrheiten. Ihre Politik passt sie naturgemäß entsprechend an. Das ist nichts Verwerfliches. Union und FDP haben unterschiedliche Funktionen.
Im deutschen Parteiensystem kann die FDP einem schon mal vorkommen wie eine Horde Nackter, die über einen gediegenen Teeempfang läuft. Das scheint vulgär. Doch diese Irritation – im Sinn einer Politik von Freiheit und Eigenverantwortung – ist wichtig. Richtig ist aber auch: Erfolgreich waren die Liberalen am Ende immer dann, wenn sie sich in der konkreten Regierungspolitik als kompromissfähig gezeigt haben. Das war an der Seite des SPD-Manns Willy Brandt ebenso der Fall wie an der des Christdemokraten Helmut Kohl. Dieses eingelöste Versprechen der Professionalität war die Grundlage dafür, dass die FDP über Jahrzehnte das Land entscheidend mitprägen konnte. Für eine Partei, deren DNA die Freiheit ist, muss sowieso klar sein: Schuld an einer Wahlniederlage ist nur sie selbst.
Die Ampel mag eine schwierige Konstellation für die FDP gewesen sein. Doch statt mit den anderen gemeinsam nach Lösungen zu suchen, haben die Liberalen in hohem Maße den Streit und die Paralyse bis zum Bruch der Regierung mitzuverantworten. Dafür hat sie die Quittung bekommen. Viele Menschen haben nicht mehr geglaubt, dass die FDP in der Lage ist, sich konstruktiv in eine womöglich wieder komplizierte Regierung einzubringen.
Der Wiederaufstieg und Fall der FDP lassen sich in zwei Worten zusammenfassen: Christian Lindner. Er hat die Partei mehr als elf Jahre geführt. Ohne ihn hätte es die FDP nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag im Jahr 2013 vier Jahre später nicht wieder in den Bundestag geschafft. Lindner ist der vielleicht beste politische Redner seiner Generation. Ein guter Regierungspolitiker ist er aber nicht. Dieses Drama hat die FDP bereits bei Guido Westerwelle erlebt. Jetzt hat es sich wiederholt. Lindner könnte in einem Kinofilm hervorragend einen Staatsmann spielen. Er ist nur keiner.
Mit Christian Dürr hat die FDP nun jemanden für den Vorsitz gefunden, der erst einmal dafür sorgen kann, dass die Partei nicht auseinanderfliegt. Mit dem sympathischen Niedersachsen kommen alle Parteiflügel klar. Nur: Ein bloßer innerparteilicher Kompromisskandidat begeistert eben auch nicht. Und: Dürr hat eben anders als Lindner nicht die Fähigkeit, in der Zeit außerhalb des Parlaments die Partei im Alleingang in der Öffentlichkeit zu halten. Mit jeder weiteren Wahlniederlage wird es für die FDP schwerer werden, überhaupt noch Menschen für sich zu interessieren. Eine liberale Partei ist gut für Deutschland. Doch wenn nicht ein mittleres Wunder geschieht, steuert die FDP auf ein schwarzes Loch zu.