Ende November tagt die wohl aktivste rechtsextreme Gruppe Baden-Württembergs in Ludwigsburg. Das Bündnis gegen Rechts ist schockiert – denn auch die führende Figur der neuen Rechten könnte bei der Veranstaltung dabei sein.
Die rechtsextremistische Reconquista 21 ist jung, digital und bestens vernetzt. In den vergangenen Jahren machte die Gruppe in Baden-Württemberg mit Plakataktionen gegen Geflüchtete und für Remigration auf sich aufmerksam. Gegen mehrere Mitglieder wird wegen der teils rassistischen Aktionen ermittelt, einige wurden bereits zu Haftstrafen verurteilt. Nun lädt Reconquista 21 zum sogenannten „Schwabenkongress“ nach Ludwigsburg ein – auf dieser Veranstaltung zeigten sich in der Vergangenheit AfD-Funktionäre und der Rechtsextremist Martin Sellner.
Was ist bisher bekannt?
Laut einem Social-Media-Post der Gruppe Reconquista 21 findet am 30. November der zweite sogenannte „Schwabenkongress“ in Ludwigsburg statt, ein „patriotisches Vernetzungstreffen“ in Süddeutschland. Die aktivistische Gruppe wirbt mit „spannenden Referaten“, „interessanten Ausstellern“ und der Möglichkeit, sich mit den „wichtigsten Akteuren der neuen Rechten persönlich zu vernetzen“. Bis zu 100 Personen sollen dabei sein, für Unterstützer der Gruppe ist der Eintritt kostenlos, alle anderen zahlen 25 Euro Eintritt.
Wo genau der sogenannte Schwabenkongress stattfinden wird, ist noch nicht bekannt. In rechtsextremen Kreisen werden Veranstaltungsorte nur den Teilnehmerinnen und Teilnehmern genannt, um die Berichterstattung und Gegendemonstrationen zu verhindern.
Was hat der „Schwabenkongress“ mit Martin Sellner und der Correctiv-Recherche zu tun?
Der erste „Schwabenkongress“ vor einem Jahr sorgte bereits für Aufregung. Laut Recherchen des Bayerischen Rundfunks trafen sich am 11. November 2023 in Dasing bei Augsburg führende Köpfe der rechtsextremen Szene, um unter anderem über das Thema Remigration zu sprechen – also die Vertreibung von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland.
Nur eine Woche später fand in Berlin ein ähnliches Treffen der extremen Rechten statt, das durch die Berichterstattung der Rechercheplattform Correctiv bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Nach Bekanntwerden der Remigrationspläne demonstrierten Menschen in ganz Deutschland Anfang des Jahres gegen Rechtsextremismus.
Bei den Treffen in Berlin und Dasing waren jeweils auch Politiker der AfD anwesend, zudem die wohl einflussreichste Person der neuen Rechten: Martin Sellner. Der Österreicher formte die Idee der Remigration und treibt diese voran. Ob Sellner auch wirklich in Ludwigsburg sprechen wird, bleibt abzuwarten. In Social-Media-Posts ist er jedenfalls regelmäßig mit der Gruppe Reconquista 21 zu sehen.
Was bedeutet das für die Stadt?
In Ludwigsburger Gemeinderatskreisen, im Rathaus und der Ludwigsburger Polizei ist die rechtsextremistische Veranstaltung bereits ein Thema. Die linke Szene und bürgerliche Gruppen der Stadt sind alarmiert. Dass eine so wichtige Veranstaltung der extremen Rechten in Ludwigsburg stattfindet, habe ihn erschrocken, sagt Herbert Würth vom Bündnis gegen Rechts.
Es sei aber auch nicht ganz abwegig. Rechtsextreme Kreise würde es dahin ziehen, wo es Sympathisanten gibt, sagt Würth. „Und im Kreis Ludwigsburg gibt es schon lange rechtsextremistische Strukturen. Es gab immer wieder ausländerfeindliche Angriffe und auch der NSU hatte beste Kontakte in und um Ludwigsburg.“
Was steckt hinter Reconquista 21?
Die Gruppe hat ihre Wurzeln in der Identitären Bewegung. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung vertreten die Identitären islamfeindliche, rassistische und demokratiefeindliche Positionen. Diese werden popkulturell aufbereitet und aktionistisch verpackt, um damit vor allem ein junges Publikum zu erreichen.
Laut dem aktuellen Verfassungsschutzbericht war die Gruppe erst unter dem Namen „Identitäre Bewegung Schwaben“ unterwegs, dann als „Wackre Schwaben“. Im Oktober 2023 änderte die Gruppe erneut ihren Namen in Reconquista 21 und passte ihren Online-Auftritt an. Dort treten die Mitglieder mal vermummt, mal ganz offen auf. Die öffentlichen Themen der Gruppe sind allen voran Nationalstolz, kriminelle Geflüchtete und Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund.
Die Gruppe veranstaltet regelmäßig Aktivistenwochenenden mit Wanderungen und Kampfsportübungen. Mit Plakataktionen sorgen sie für Aufsehen, polizeiliche Ermittlungen und Gerichtsprozesse. Im Sommer 2023 kletterten Mitglieder beispielsweise auf das Dach des Inselbads in Stuttgart-Untertürkheim entzündeten Rauchtöpfe und entrollten ein Banner mit der Aufschrift „Remigration für sichere Freibäder“. Sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung für drei Männer waren die Folge.
Wie stark sind die Verbindungen zur AfD?
Eigentlich hat die AfD eine Unvereinbarkeitsliste, Mitglieder der Identitären Bewegung und ihren Ablegern können demnach nicht AfD-Mitglied werden. Dennoch pflegen die rechtsextremen Aktivisten der Reconquista 21 enge Verbindungen zur Jungen Alternative Baden-Württemberg (JA) – der Jugendorganisation der AfD. Beide Organisationen zeigen auf ihren Online-Kanälen offen ihre gegenseitige Unterstützung. Zwischen den Gruppen gebe es auch personelle Überschneidungen, sagt ein Sprecher des Landesverfassungsschutzes. Ein Bruch mit der Unvereinbarkeitsliste.
Während Reconquista 21 ihre rechtsextremen Positionen immer häufiger kommuniziert, immer mehr Aktionen umsetzt und damit auch immer Straftaten begeht, nehmen die Verbindungen zur Jungen Alternative im Land zu. Den gewollten Brückenschlag unterstrich im Frühling der damalige JA-Landessprecher Severin Köhler im Gespräch mit dieser Zeitung. Auch andere politische Parteien hätten ein aktivistisches Umfeld, verharmloste der Ditzinger und forderte von der Mutterpartei, offen zu den Gruppen der neuen Rechten zu stehen.