Im Hegel Eins wird neuerdings Mittagstisch serviert, im Lamm in Rosswag ein Rostbraten-Menü. Auch in der Speisemeisterei müssen es nicht immer acht Gänge sein. Um die Hemmschwelle vor dem Gourmet-Lokal zu senken, lassen sie sich einiges einfallen.
Für einen Gast war es angeblich das beste Risotto aller Zeiten. Mit Champignons und Pancetta hatte Joseph Nesbitt-Larking den Reis gekocht, das Gericht mit eingelegten Shimeji-Pilzen und Petersilienöl angerichtet. Der 34-Jährige ist für den im März wieder eingeführten Mittagstisch im Hegel Eins zuständig. „Es ist eine Herausforderung“, sagt er. Denn immerhin ist das Restaurant im Stuttgarter Volkskundemuseum mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet – und der britische Koch ein Autodidakt. Eigentlich hat der Lunch nichts mit dem Programm am Abend zu tun, wenn Küchenchef Felix Herp acht Gänge für 224 Euro serviert. Aber gewisse Erwartungen muss Joseph Nesbitt-Larking dennoch erfüllen: „Dass es den Gästen schmeckt und dass sie auf uns aufmerksam werden“, erklärt Restaurantinhaber Jan Tomasic sein neuestes Angebot.
Ein Menü für Familien im New Josch
Das Mittagsmenü war früher eine verbreitete Möglichkeit, sich Haute Cuisine zu einem günstigeren Preis zu leisten. Aber Franz Feckl stellt mit seinen drei Gängen, die er mittwochs bis samstags zwischen 12 und 13.30 Uhr in seinem Ehninger Landhaus für 59 Euro anbietet, unter den Sterne-Köchen eine Ausnahme dar. Patrick Giboin tischt im Degerlocher Fässle mittags noch klassisch französisch ein Menu du Jour für knapp 40 Euro auf. In der Waldenbucher Krone, wo abends das große Sterne-Menü für 151 Euro zu haben ist, lockt sein Nachfolger Erik Metzger sonntags die Gäste mit einem Kulturpaket ins Restaurant: Auf eine Führung im Museum Ritter folgen gegen 12.30 Uhr vier Gänge für rund 100 Euro. Sven Lacher und Cindy Volkmer vom New Josch auf dem Killesberg haben auch den Sonntag für sich entdeckt – und dafür den ruhigen Dienstagabend eingespart. Der Koch mit Sterne-Ambitionen serviert mittags ein Themenmenü mit vier Gängen für Familien für „leistbare“ 69 Euro, für Kinder zu 34 Euro. „Wir wollen das Haus öffnen“, erklärt die Restaurantleiterin. Aus dem ersten Sonntag im Monat wurden bald alle vier, weil das Lokal oft ausgebucht ist.
Sven Lacher und Cindy Volkmer wollen ihr Restaurant New Josch für ein größeres Publikum öffnen – mit dem Familien-Menü am Sonntag. Foto: Max Kovalenko/Max Kovalenko
Steffen Ruggaber vom Lamm in Rosswag bei Vaihingen an der Enz, das seit 2012 einen Stern hält, kocht nur samstags seinen Mittagstisch, vier Gänge für 100 Euro, fünf für 125 Euro. Am Donnerstagabend hat er außerdem ein Sterne-Schnupper-Menü im Programm mit vier Gängen für 100 Euro. „Wir wollen den Gästen die Hemmschwelle nehmen “, erklärt Sonja Ruggaber, durch die Aktionen könnten sie zu einem interessanten Preis Küche ihres Mannes kennenlernen. Ihr jüngstes Spezialmenü hat sich bereits als Appetitanreger bewährt: Auf Gästewunsch führte Steffen Ruggaber vergangenes Jahr das monatliche Rostbratenessen mit vier Gängen für 95 Euro ein. Viele hätten sich dabei so wohl gefühlt, dass sie für „das große Kino“ für 160 Euro, wie es Sonja Ruggaber nennt, wieder gekommen sind.
Rostbraten-Menü im Lamm in Rosswag
Sogar Stefan Gschwendtner hat sein Erfolgsrezept etwas aufgeweicht: Er konzentrierte sich in der Speisemeisterei Anfang 2021 auf ein Menü mit acht Gängen, um dann im Jahr darauf den zweiten Michelin-Stern zu erhalten. Vergangenen Dezember führte der Koch wieder eine kleine Variante ein, die nur auf Vorbestellung und nur montags, donnerstags und sonntags zu haben ist. „Wir wollen damit einem größeren und jüngeren Publikum den Besuch bei uns möglich machen“, sagt Stefan Gschwendtner. Die fünf Gänge kosten 169, das ganze Programm 245 Euro. Aber auch manchen Stammgästen waren acht Gänge unter der Woche einfach zu viel. An den schwächeren Werktagen verbessere das kleine Menü die Auslastung, „und das große wird deshalb nicht weniger gegessen“, sagt er. Eine weitere Aktion für junge Gourmets will die Speisemeisterei nach dem Erfolg nun zusätzlich entwickeln.
Das Twenü bietet Christian Ottenbacher in der Schwabenstube seines Hotels Adler in Asperg schon seit 25 Jahren an. Unter-30-Jährige erhalten mittwochs und donnerstags vier Gänge aus der Sterne-Küche, zwei Gläser Wein, Wasser und einen Espresso für 95 Euro. „Es ist kein Renner“, sagt der Hotelchef allerdings über die Aktion vom Verband Jeunes Restaurateurs. Alle anderen Gäste können in der Schwabenstube, die seit November 2006 den Michelin-Stern hält, jeden Abend zwischen drei Menüs und drei bis fünf Gängen für 75 bis 160 Euro wählen. „Events werden immer größer“, ist Christian Ottenbachs Eindruck: Das Valentinsmenü ist beispielsweise schnell ausgebucht. Im vergangenen Februar kosteten fünf Gänge mit Dessert in Herzform und inklusive einer Rose 95 Euro.
Kein Fine Dining mittags im Hegel Eins
Den Mittagstisch führte Jan Tomasic deshalb wieder ein, weil er „einen tollen Typen“ für die Aufgabe gefunden hat, Appetit aufs Hegel Eins zu machen. Joseph Nesbitt-Larking hat in Großbritannien eine große Grillschule geleitet, feuert seit Jahren beim Taste Festival in Abu Dhabi und Dubai an. Studiert hat er Musik, spielt Blues und Jazz auf der Gitarre. Nach Stuttgart kam er wegen seiner Frau, der Opernsängerin Ida Ränzlöv. „Ich habe meine Finger in vielen Kuchen“, zitiert er ein englisches Sprichwort und lacht. Im Hegel Eins serviert er Suppe und Pinsa sowie ein Hauptgericht für 15 bis 18 Euro. Neben Risotto setzt er auf die levantinische Küche oder kocht Pulled Pork mit Bratkartoffeln und Apfel-Fenchel-Püree. „Ich habe zwar keine Erfahrung mit Fine Dining“, sagt er, „aber die Gäste sollen auch mittags merken, dass sie in einem Sterne-Restaurant sind.“