Mario Draghi fordert eine verstärkte Zusammenarbeit in Europa, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Er gewährte in vertraulichen Sitzungen schon Einblicke in seinen Bericht, den er am Montag vorstellt. Wie sind die Reaktionen?

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Mario Draghi fordert eine umfassende Reform der Europäischen Union. Der ehemalige EZB-Präsident legt am Montag in Brüssel seinen mit Spannung erwarteten Bericht zur Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit vor. Darin fordert er vor allem eine verstärkte Zusammenarbeit der EU-Staaten, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

 

Der Italiener präsentierte das rund 400 Seiten starke Papier bereits vergangene Woche in vertraulichen Sitzungen den EU-Botschaftern und den Fraktionsvorsitzenden des Europaparlaments. Doch viele Teilnehmer äußerten sich nach den Treffen enttäuscht. Draghi sei in seinen Ausführungen sehr vage geblieben und habe keine konkreten Reformvorschläge unterbreitet. Er habe nur „allgemeine Einblicke“ in die Strukturen des Berichts gewährt, erklärten Diplomaten. Ein Teilnehmer sagte, der Ex-EZB-Präsident habe zudem eher weitläufig über die Herausforderungen referiert, mit denen die europäische Wirtschaft in den kommenden Jahren konfrontiert sein werde. Dazu zählte Draghi die hohen Energiepreise, ein Mangel an Innovation und eine unzureichende Digitalisierung.

Viele Berichte landeten wieder in der Schublade

Markus Ferber wertet es allerdings schon als Erfolg, „dass das Thema Wettbewerbsfähigkeit in dieser Legislaturperiode politisch ganz hoch aufgehängt wird“. In den vergangenen Jahren sei dieser Bereich völlig unterbelichtet gewesen, beklagt der CSU-Abgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament. Doch Markus Ferber ist schon sehr lange Abgeordneter und kennt den Weg, den die meisten der ambitionierten Reformpapiere gehen. Es sei wichtig, dass die EU-Kommission sich die Empfehlungen des Draghi-Berichts auch wirklich anschaue, mahnt er. „Es darf nicht passieren, was so häufig mit Expertenberichten und Strategiepapieren passiert: erst wird pompös präsentiert, dann landet der Bericht in der Schublade. Das Thema Wettbewerbsfähigkeit darf nicht einfach verpuffen,“ sagt der CSU-Politiker. Er erinnert sich dabei wahrscheinlich auch an den jüngst hochgelobten Bericht zur Zukunft des EU-Binnenmarktes von Enrico Letta. Darin forderte der ehemalige italienische Ministerpräsident im April dieses Jahres, dass sich die EU den neuen geopolitischen Gegebenheiten anpassen müsse, um die Wettbewerbsfähigkeit wieder anzukurbeln. Passiert ist in diese Richtung wenig.

EU-Kommissare müssen noch benannt werden

Offensichtlich hat Mario Draghi einige der Leitlinien aufgegriffen, die bereits von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im Juli vor dem Europäischen Parlament skizziert worden waren. In ihrer Rede formulierte sie mehrere Vorhaben, die sie in den ersten 100 Tagen ihrer neuen Amtszeit in Angriff nehmen wollte. Seitdem ist allerdings nur sehr wenig geschehen, zumal noch nicht einmal die neuen EU-Kommissare benannt sind, die die Veränderungen vorantreiben müssten. Eine Liste der Namen soll am Mittwoch präsentiert werden. Die Nominierten müssen danach aber noch vom Europaparlament bestätigt werden, was sich angesichts einiger umstrittener Namen bis in den Dezember ziehen könnte.