Cornelia Ruppert, Präsidentin des Landesrechnungshofs Foto: dpa
Nutzlose Förderprogramme, strategische Defizite, überregulierte Fortbildung und Spontanvergabe von Fördergeld: der Rechnungshof schaut bei der Landesregierung genauer hin.
Jedes Jahr schaut der Landesrechnungshof der Politik in Baden-Württemberg bei der Haushaltsführung auf die Finger. An diesem Montag legt Präsidentin Cornelia Ruppert bei einer Pressekonferenz den Jahresbericht vor – hier die zentralen Befunde der Prüfer.
Die wichtigste Mahnung
Nachdrücklich warnt die oberste Rechnungsprüferin des Landes die Koalition vor einer weiteren Verschuldung. Cornelia Ruppert spricht sich dezidiert dagegen aus, die neuen Verschuldungsspielräume zu nutzen, die durch die Lockerung der Schuldenbremse im Grundgesetz prinzipiell möglich geworden sind. Schon jetzt hat Baden-Württemberg einen Schuldenstand von knapp sechzig Milliarden Euro. Obwohl die Steuereinnahmen im Vorjahr allein um zwei auf 48 Milliarden Euro gewachsen und die Gesamteinnahmen des Landes leicht auf 69 Milliarden Euro gestiegen sind, hat das Land seinen Etat nur durch einen tiefen Griff in die Rücklagen mit einem Überschuss von 2,3 Milliarden Euro abschließen können. Das heißt, dass das Land sich nur durch einen Griff ins Ersparte vor roten Zahlen retten konnte. Die nächsten Haushaltsjahre werden laut der Prüfbehörde noch schwieriger. Umso wichtiger ist Cornelia Ruppert die Mahnung, die nicht nur Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) als obersten Kassenwart des Landes, sondern die gesamte Koalition trifft: „zugunsten einer generationengerechten Finanzpolitik die neuen Schuldenspielräume für das Land nicht auszureizen“.
Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) ist zentraler Adressat des Rechnungshofs. Foto: dpa
Nicht gerüstet fürs Digitalzeitalter ist das Land mit seinen Rechenzentren. Der Befund muss die Ohren von Digital- und Innenminister Thomas Strobl (CDU) zum Klingen bringen. Die baden-württembergische Verwaltung hat zwar mehrere Rechenzentren. Aber da sie nach Einschätzung der Prüfer weitgehend isoliert und ohne strategische Koordinierung betrieben werden, gibt es nicht einmal einen Überblick über Kapazitäten und Auslastung. „Eine Steuerung im Sinne einer Rechenzentrumsstrategie ist auf dieser Basis nicht möglich“, schreiben die Prüfer. Fatal ist das, weil die Verwaltung ihre Aufgaben künftig nur noch mit einer verstärkten, gut funktionierenden digitalen Infrastruktur bewältigen kann. Angemahnt haben die Prüfer eine Rechenzentrumsstrategie schon mehrfach. Aber die ist heute nicht nur wegen der immer schärferen Personalnot in der öffentlichen Verwaltung auf der einen und den Fortschritten in Sachen Digitalisierug und künstlicher Intelligenz auf der anderen Seite dringender denn je.
Die teuerste Nebensache
Für die Sicherung von Fußballspielen hat das Land in der Saison 2023/2024 insgesamt 13,9 Millionen Euro investiert. Damit wurde der Einsatz von knapp 28.000 Polizisten finanziert, die mehr als 188.000 Einsatzstunden in den Stadien verbracht haben. Wie viele Spiele dabei abgesichert wurden, da gehen die Zahlen schon auseinander. Während der Rechnungshof von 286 Fußballspielen der ersten fünf Ligen ausgeht, nennt das Innenministerium 348 Spiele und beruft sich zur Erklärung der Differenz auf ein „Büroversehen“. Dass das Land den Polizeieinsatz dieser kommerziellen Großveranstaltungen selbst finanziert und nicht den Vereinen in Rechnung stellt, kritisiert der Rechnungshof nicht zum ersten Mal. Nachdem das Bundesverfassungsgericht Klarheit in der Gebührenfrage geschaffen hat, hält es der Rechnungshof „für geboten, nunmehr auch in Baden-Württemberg eine entsprechende landesrechtliche Regelung zu schaffen“, heißt es im Prüfbericht.
Nutzlos und unwirtschaftlich – so lautet das Urteil der Rechnungsprüfer über die ein Förderinstrument für zusätzliche Wohnungen in Baden-Württemberg. Das Ziel von Bauministerin Nicole Razavi (CDU), unter dem Titel „Wohnraumoffensive“ Kommunen dabei zu unterstützen, mehr bezahlbaren und sozial gemischten Wohnraum zu schaffen, ist zwar aller Ehren wert. Aber in der Praxis sind die Förderinstrumente wie Grundstücksfonds oder Wiedervermietungsprämie aus Sicht der Rechnungsprüfer komplett durchgefallen: weitgehend unwirksam, teuer und von schwacher Nachfrage geprägt. „Teilweise waren die Verwaltungskosten für die Abwicklung deutlich höher als die bewilligten und ausbezahlten Mittel“, schreiben die Prüfer. Sie glauben nicht daran, dass die noch jungen Programme sich in Zukunft berappeln wird. Ihr Rat: Die Programme einstellen und die Mittel in die allgemeine Wohnraumförderung stecken.
Überregulierte Fortbildung
Bei der Lehrerfortbildung, die das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) organisiert und von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) zu verantworten ist, bestätigt der Prüfbericht des Landesrechnungshof im Grundsatz die Kritiker, die das ZSL als bürokratisches Monster sehen. Bei der Planung von Fortbildungsangeboten geht die Bearbeitung laut den Prüfern etwa hundertmal zwischen verschiedenen Stellen hin und her; allein dreißigmal wechselt das Thema zwischen ZSL, Regierungspräsidien und Ministerium. Das ZSL schlägt sein Programm für die nächste Saison bereits ein Jahr vorher vor – das Kultusministerium entscheidet erst zehn Monate später. Dazwischen hängt alles in der Luft. Insgesamt sind 650 Fachteams in die Planung involviert. Laut Rechnungshof sollten die Prozesse gestrafft, die – in den vergangenen Jahren nie ausgeschöpften - Haushaltsmittel gekürzt und die Zahl der für Verwaltungstätigkeiten in der Fortbildung eingesetzten Lehrkräfte reduziert werden.
Die ungeprüfte und undokumentierte Zusage von Fördergeldern hat das Haus von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) praktiziert. 67 von 72 Anträge auf Adhoc-Förderung für Projekte der Elektro- und nachhaltigen Mobilität, Klima- und Lärmschutz sowie automatisiertem und digitalisiertem Verkehr – wurden laut Landesrechnungshof im Verkehrsministerium sozusagen aus dem Handgelenk genehmigt. 53 Millionen Euro wurden so bewilligt. „Das Eigeninteresse der Antragsteller und deren finanzielle Leistungsfähigkeit hat das Ministerium bei der Entscheidung über die Bewilligung meist nicht berücksichtigt“, heißt es im Bericht. Förderregeln gibt es, so der Befund der Prüfer, für solche Programme nicht, ob andere Fördertöpfe zur Verfügung gestanden oder EU-Regeln hätten beachtet werden müssen, wurde nicht geprüft. Für die Zukunft raten die Prüfer, die Finger von solchen Adhoc-Förderungen zu lassen.
Wer ist der Landesrechnungshof
Auftrag Der Landesrechnungshof hat den Auftrag, die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Baden-Württemberg zu prüfen und sowohl Regierung, als auch Parlament und Verwaltung bei diesem Themenfeld zu beraten. Jedes Jahr legt der Rechnungshof einen Routinebericht vor. Darüber hinaus kann er Sonderprüfungen vornehmen.
Sitz Die Behörde hat ihren Hauptsitz in Karlsruhe.