Die ARD-Filmer Stephan Lamby und Egmont Koch erzählen die Geschichte der CDU-Spendenaffäre mit neuer Pointe. Altkanzler Helmut Kohl kommt dabei schlecht weg.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Bimbes ist ein Wort aus der Gaunersprache. Altkanzler Helmut Kohl hat dieses Wort gerne benutzt. Bimbes bedeutet ursprünglich Brot, sagt das „Wörterbuch des Rotwelschen“. Bimbes war für Kohl das tägliche Brot, mit dem er sein Machtsystem fütterte. Diese Geschichte erzählt der gleichnamige Dokumentarfilm von Stephan Lamby und Egmont Koch, der am späten Montagaben in der ARD lief. Die Geschichte ist sattsam bekannt. Der Film erzählt sie jedoch mit einer neuen Pointe.

 

Eine neue Lesart der Erfolgsgeschichte von Helmut Kohl

Die ursprüngliche Pointe hatte Kohl selbst 1999 in Umlauf gebracht. Damals räumte er vor laufender Fernsehkamera ein, illegale Spenden erhalten zu haben, anderthalb bis zwei Millionen Euro. Entgegen aller gesetzlichen Vorschriften wolle er die Namen seiner Sponsoren aber nicht nennen, da er ihnen sein Ehrenwort gegeben habe. Lamby und Koch haben diese Geschichte neu aufgerollt. Sie kommen zum Schluss, dass Kohls seinerzeit viel mehr verschwiegen habe, als ein paar Namen seiner Gönner. Mit dem Ehrenwort und der Legende von privaten Spendern habe er ein dunkles Imperium zu vertuschen versucht: das System an schwarzen Kassen, aus dem er seinen Aufstieg und seine Macht finanziert habe.

Es ist eine Art Parallelgeschichte des eben erst mit Pomp und großen Reden zu Grabe getragenen Staatsmannes Kohl, der sich nach dieser Lesart um Gesetze nicht scherte, wenn es darum ging, Schmierstoff für seinen Machtapparat zu beschaffen. Diese Geschichte reicht weit zurück: bis in die 1950er Jahre. Damals wurde in Koblenz eine unscheinbare Stiftung gegründet, die später als Geldwaschanlage dienen sollte, über die potente Spender aus der Wirtschaft Parteien mit Finanzspritzen versorgten, vor allem die CDU. „Staatsbürgerliche Vereinigung“ hieß diese Stiftung. Bis 1980 hat sie 227 Millionen Mark eingenommen, 214 Millionen wurden in die CDU geschleust. Wichtigster Geldgeber war über lange Jahre der Flick-Konzern. „Politische Landschaftspflege“ nannten das die Herrschaften aus der Flick-Chefetage.

„Blackout“ rettet dem Kanzler die Macht

Als das System der illegalen Parteifinanzierung in den 1980er Jahren aufflog, wäre auch Kohl, seit 1982 Bundeskanzler, beinahe über die Flick-Affäre gestolpert. Während einige seiner Mitstreiter wie der ehemalige CDU-Chef Rainer Barzel und der damalige Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) zum Rücktritt gezwungen waren, gab Kohl den Ahnungslosen: Er bestritt, von der gesetzwidrigen Spendenpraxis gewusst zu haben. Heiner Geißler, seinerzeit CDU-Generalsekretär, sagte später, Kohl habe „möglicherweise einen Blackout“ gehabt.

Die schwarzen Kassen überdauerten alle widrigen Zeitläufte, den Mauerfall und die Wiedervereinigung. Erst als einer der Helfershelfer Kohls, der langjährige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep, 1999 aufflog, weil er eine Parteispende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber angenommen hatte, kam das mafiöse Finanzgebaren ans Licht. Kohl war als Kanzler damals schon in Rente. Die zwielichtige Herkunft seines „Bimbes“ kostete ihn den Ehrenvorsitz in der CDU.

Ehrenwort für einen wenig ehrenvollen Zweck

Was die Filmemacher dazu an Fakten präsentieren, war überwiegend bekannt. Ihr Fazit folgt einer These von Wolfgang Schäuble, lange Zeit vermeintlicher Kronprinz, für kurze Frist sein Nachfolger als CDU-Chef, jetzt Bundestagspräsident. Lamby und Koch hatten Schäuble 2015 interviewt und auch nach Kohls ominösen Spendern befragt. Er sagte damals: von diesen Spendern fehlten nicht nur die Namen, es habe sie auch nie gegeben. Das Geld komme aus den schwarzen Kassen.

Einen gerichtsfesten Beweis legen die ARD-Filmemacher nicht vor, plausibel ist ihre Deutung dennoch. Sie sagen selbst, das System der schwarzen Kassen und der später als Privatspenden getarnten Erträge „kann man erahnen“. Die Affäre sei aber trotz diverser Gerichtsverfahren und eines akribisch arbeitenden Untersuchungsausschusses im Bundestag „bis heute nicht vollständig aufgeklärt“. Das gilt auch für das Motiv Kohls für jenes fatale Ehrenwort und für die Leute, die er damit decken wollte. Fest steht allerdings: Es diente wenig ehrenvollen Zwecken. Seine eigene Ehre hat er damit beschädigt. Das Ehrenwort war womöglich nur ein Ablenkungsmanöver, um einen viel größeren Skandal als ein paar illegale Geldgeber zu vertuschen.