Debatte über Opernsanierung Vier Jahre längere Bauzeit – Ministerin und OB erschüttert
Die Projektgesellschaft muss bis zum Sommer 2025 den Zeitplan optimieren, um Kosten zu sparen. Die Belegschaft der Staatstheater ist von der Nachricht entsetzt.
Die Projektgesellschaft muss bis zum Sommer 2025 den Zeitplan optimieren, um Kosten zu sparen. Die Belegschaft der Staatstheater ist von der Nachricht entsetzt.
Die Verzögerung der im politischen Raum zumindest im Umfang nicht unumstrittenen Opernsanierung hat mindestens zwei Politikprofis heftig erschüttert: Für die baden-württembergische Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Petra Olschowski (Grüne), ist die Botschaft über den Zeitverzug und die daraus resultierende Berichterstattung keine „leicht verdauliche Kost“ gewesen, sagte sie am Montagabend in einer Pressekonferenz nach der Sitzung des Verwaltungsrats der Württembergischen Staatstheater (WST)Stuttgart. Und der aktuelle Vorsitzende des Gremiums, OB Frank Nopper (CDU) meinte, manchmal würde man sich „beim Eintreffen derartiger unangenehmer Überraschungen am liebsten auf einen anderen Planeten wünschen“.
Es oblag Christoph Niethammer, dem Leiter der vor einem Jahr von Land und Stadt gegründeten Projektgesellschaft ProWST, die nicht mehr überraschende, gleichwohl unangenehme Wahrheit offiziell zu verkünden. Nachdem er die Planung für die Interimsoper von der Stadt übernommen und sich die baulichen und betrieblichen Rahmenbedingungen anhand des im Sommer verabschiedeten Bebauungsplans und das Ergebnis des Architektenwettbewerbs vergegenwärtigt hatte, stand für ihn fest: Baubeginn für die drei Gebäude, wovon zwei später als Teil der Maker-City – ein Pilotprojekt für Wohnen, Arbeiten und Kultur - genutzt werden und nur der Modulbau für Bühne und Zuschauerraum verschwindet, wird nicht 2026 sein, sondern frühestens 2028.
Oper und Ballett können deshalb nicht, wie der Geschäftsführende Intendant Mark-Oliver Hendriks fest geplant hat, im September 2029, spätestens 2030 in den Interimsbau umziehen, sondern erst nach dessen Fertigstellung vier Jahre später. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Belegschaft, die seit Jahrzehnten unter inakzeptablen Arbeitsbedingungen mit altertümlicher Technik und in völlig unzureichenden Räumlichkeiten Herausragendes leistet.
Aber natürlich will die Abteilung Vermögen und Hochbau des Landes auch nur noch das Notwendigste in teils abgängige Bühnentechnik und das marode Gebäude mit durchlässigem Dach investieren. Die Vorstellung, dass das alles nun noch acht statt vier Jahre funktionieren soll, fällt allen schwer. Die Maßnahmen müssen nun angepasst werden. Rund vier Millionen Euro fließen weiter pro Jahr in den Erhalt. Zudem schließt Hendriks als Folge der Verzögerung nicht aus, dass ab 2027 kürzere Spielzeiten ins Auge gefasst werden müssen, um die notwendigen Arbeiten, die normalerweise in der Sommerpause stattfinden, zu verrichten.
Laut ihren Beschlussvorlagen zur Interimsoper hinkt die Stadt ihrem Zeitplan seit Langem zwei Jahre hinterher: Das Gebäude sollte anfangs zur Internationalen Bauausstellung IBA `27 fertiggestellt sein. Vor zwei Jahren hieß es dann, sie solle (von 2026 an) bis 2028 gebaut werden. „Wir haben aber nicht getrödelt“, betont Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) und verwies auf die herausfordernde Planung und umfangreichen vorbereitenden Arbeiten für die Erschließung des Geländes. Darauf befindet sich unter anderem eine von Künstlern bewohnte Containerstadt, ein Skaterpark, eine Baustraße der Bahn und eine Wasserleitung. Außerdem ist die Fläche Heimat von Zauneidechsen. Die Bauvorbereitung betrifft nicht nur die Interimsoper, sondern das ganze Quartier, in dem weiterer Wohnungsbau vorgesehen ist. Sie beinhaltet den Bau von Straßen, sämtlicher Versorgungsleitungen sowie Grün- und Freiraumanlagen. Vor der Umsetzung stehen die Ausschreibung der Leistungen und die Auftragsvergabe an externe Planungsbüros.
Die Verzögerung wird sich zwangsläufig auf die Aufwendungen auswirken, die bisher inklusive eines großzügigen Puffers auf rund eine Milliarde Euro „geschätzt“ wurden, wie Gisela Splett (Grüne), Staatssekretärin im Finanzministerium, und Ministerin Olschowski betonten, um Spekulationen von Kostenexplosionen keine weitere Nahrung zu geben. Allerdings hieß es bisher, pro Jahr würde sich das Projekt um 30 Millionen Euro verteuern. Längst ist eine Ausweitung auf 1,5 bis zwei Milliarden Euro im Raum.
Die Verantwortlichen räumten ein, derzeit schlichtweg nicht zu wissen, was die drei Teilprojekte unterm Strich einmal kosten würden. Das zu veröffentlichen sei erst möglich, wenn eine Entwurfsplanung vorliege. Dann werde man auch transparent und ehrlich kommunizieren. Die Sanierung sei auch deshalb, anders als behauptet, sicher kein zweites Stuttgart 21. Beim Littmann-Bau müsse man mit der Kostentransparenz allerdings bis 2030 warten. Dann ist die Interimsoper allerdings längst im Bau.
„Überzeugende Alternativen“ sehen die Vertreter von Land und Stadt aktuell nicht. Das Vorhaben, den Interimsbau im Paketpostamt unterzubringen, war von Ex-OB Fritz Kuhn (Grüne) wegen damals zu hoher Kosten abgeräumt worden – heute bedauern viele diese Entscheidung. Ein Neubau, wie etwa von der SPD-Landtagsfraktion in den Raum gestellt, sei sicher noch teurer. Ein Moratorium, um neu nachzudenken, komme aus denselben Gründen nicht in Frage. Allerdings sagte Ministerin Petra Olschowski, man könnte gegebenenfalls über das vor zehn Jahren auf Basis der Vorstellungen der Intendanten erstellte Raumprogramm noch einmal nachdenken.
Sie verwies dabei auf Hinweise der Fünf Stuttgarter Kammergruppen der Württembergischen Architektenkammer. Nach deren Meinung sollte der Littmann-Bau zwar als zentrale Spielstätte für Oper und Ballett erhalten werden, das Raumprogramm aber auf das Notwendigste beschränkt werden. Die geplante Kreuzbühne, einst auf „nur“ 30 Millionen Euro Kosten geschätzt, wird zur Disposition gestellt. Hinterfragt werden sollen auch die vorgesehenen technischen Standards sowie der Umfang und die Wirtschaftlichkeit der für Gastronomie vorgesehene Flächen, denn: „Luxusgastronomie ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand.“ Der Pausenpavillon von Gottfried Böhm solle aber erhalten werden.
OB Nopper erinnerte zur Frage der Kosten allein für das städtische Projekt Interimsoper an die 2019 genannte Kalkulationsgrundlage von 224 Millionen Euro. Diese bezog sich allerdings auf ein mittleres Fertigstellungsdatum im Jahr 2025. Was er am Montag offenbar nicht auf dem Schirm hatte: Für eine Fertigstellung der Maker-City erst im Jahr 2028 wurden seitens der Stadt schon beim Vorprojektbeschluss im Jahr 2022 bereits rund 259 Millionen Euro Kosten genannt. Nach dieser Rechnung würde das Projekt mit dem Modulbau für eine erst 2033 fertiggestellte Ersatzoper bereits bei 330 Millionen Euro liegen.
Allerdings gilt zu berücksichtigen, dass die Gebäude nach der Sanierung des Littmann-Baus von der Stadt wieder zu Geld gemacht werden können. Für den Oberbürgermeister hat trotz allen Unwägbarkeiten die Opernsanierung „oberste Priorität“. Bekanntlich hat sein Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) am Montag angesichts drohender Steuerausfälle ultimativ gefordert, darüber nachzudenken, welche der von Verwaltung und Gemeinderat favorisierten Kulturprojekte tatsächlich benötigt werden und welche nicht. Nopper sagte, diese Priorisierung würde im neuen Jahr vorgenommen. Ministerin Olschowski machte dagegen deutlich, die Opernsanierung konkurriere im Land nicht mit anderen Kultureinrichtungen, sondern mit anderen Baumaßnahmen, etwa an Universitäten.