Mehr als 100 Menschen haben am Freitagabend in Waiblingen gegen Rechtsextremismus und Ausgrenzung demonstriert. Die Kundgebung war eine Reaktion auf die Wahlerfolge der AfD im Osten. Doch ein Bündnis ruft zu weiteren Aktionen und Widerstand auf.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

„Warum wir heute hier sind, ist uns allen klar“, sagt Lena, die Sprecherin des Bündnisses Rems-Murr gegen Rechts, und liefert die Antwort gleich mit: „Zum ersten Mal seit der Niederlage des deutschen Faschismus 1945 zieht eine in Teilen faschistische Partei als Siegerin in deutsche Parlamente ein.“ Mehr als hundert Menschen sind am Freitagabend dem Aufruf des Bündnisses gefolgt, um in Waiblingen ein gemeinsames Zeichen der Solidarität zu setzen – gegen die AfD und eine zunehmende Rechtsentwicklung, für eine sozialere Politik und eine solidarische Gesellschaft.

 

Von Welle des Fremdenhasses erfasst?

Die Kundgebung soll nach dem Willen der Veranstalter der Auftakt für weiteren, aktiven Protest und Widerstand im Rems-Murr-Kreis sein. Denn nicht wenige halten die Wahlerfolge der AfD für kein exklusives ostdeutsches Problem. Ganz Deutschland sei längst von einer Welle des latenten oder offenen Fremdenhasses erfasst worden. So berichtet etwa der 27-Jährige Danial, einer der Redner bei der Kundgebung auf dem Alten Postplatz, der er als Kind mit seiner Familie aus dem Iran geflohen war, weil sein Vater dort politisch verfolgt wurde, wie beeindruckt er in der von anderen als „Flüchtlingskrise“ titulierten Zeit um 2015 von den „vielen helfenden Händen“ gewesen sei. Diese Willkommenskultur habe ihm Zuversicht gegeben, sagt er. Und er habe sich als Teil der Gesellschaft wertgeschätzt gefühlt. Heute spüre er das leider immer weniger. Grund dafür seien unter anderem rassistische Debatten, die auch von Spitzenpolitikern etablierter demokratischer Parteien aufgegriffen oder gar befeuert würden.

Ein Vertreter des Schorndorfer Bündnisses gegen Rechtsextremismus spricht deshalb ausdrücklich seine Wertschätzung an alle Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund sowie Handicaps oder anderen Merkmalen, die nicht der allgemeinen Norm entsprechen, aus: „Danke für euren Anteil an unserer Vielfalt!“. Und den unterschiedlichen Initiativen, Organisationen, Bündnissen oder engagierten Einzelpersonen empfiehlt er, die Ausgrenzung anderer und Propaganda dafür nicht mehr passiv zu erdulden, sondern aktiv dagegen vorzugehen: „Vernetzt euch und handelt.“

Ein Dach für den Kampf gegen Faschismus

Das ist auch das erklärte Ziel von Rems-Murr gegen Rechts. „Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, gegen die lokale Zersplitterung von Antifaschist:innen zu wirken und eine Art Dach zu sein, unter dem sich verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen, Gewerkschaften, antifaschistische Vereinigungen und Bündnisse gegen Rechts oder für Demokratie zusammenfinden können“, sagt dessen Sprecherin Lena. Dabei sei durchaus der eigene Anspruch, dass auf den Veranstaltungen und Kundgebungen verschiedene Ansichten Platz fänden. Eines aber eine alle: „Die Sorge vor dem Erstarken der extremen rechten Bewegung, Solidarität mit all jenen, die von diesem betroffen sind und die klare antirassistische und antifaschistische Grundhaltung.“ Die einzelnen Schwerpunkte und Aktionsformen mögen unterschiedlich sein, aber sie trügen alle zu einer vielfältigen Bewegung bei, die sich gegen die extrem rechte Gefahr auf verschiedene Weisen zur Wehr setze.

Erste gemeinsame Demo im Februar

Bereits im Februar war man als Rems-Murr gegen Rechts gemeinsam in Waiblingen auf die Straße gezogen. Ausgelöst worden war dies durch die Enthüllungen des Recherche-Verbunds Correctiv über ein Treffen von radikalen Rechten im November in Potsdam, an dem AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU in Potsdam teilgenommen und unter anderem über das Thema „Remigration“ gesprochen hatten. In der Folge zog es in den ersten Monaten des Jahres Hunderttausende zu Demonstrationen und Kundgebungen gegen Rechts in ganz Deutschland auf die Straße.

Eine Frau aus Weinstadt tut auf einem Zettel kund, warum sie gegen die AfD demonstriert: weil sie „Zivilcourage zeigen und keine rechten Argumente akzeptieren“ will. Foto: Frank Rodenhausen

Bei der Kundgebung an diesem Freitag sind alle Teilnehmer aufgerufen, auf vorbereitete Zettel zu schreiben, warum sie gekommen sind, um zu protestieren. „Weil wehret den Anfängen gestern war“, „ich für eine bunte Kultur bin“ oder „Weil ich eine Frau bin die nicht wie meine Mutter 60 Millionen Tote erleben will“ wird auf ihnen später zu lesen sein.

Bettina Süßmilch ist eine der ersten, die nach vorne tritt um sich einen der laminierten Zettel zu besorgen, die danach öffentlich an einer Wäscheleine ausgehängt werden. Sie ist Sozialwissenschaftlerin und hat ein Mandat für die SPD im Waiblinger Gemeinderat. Doch auch aus eigenem familiären Hintergrund – der Vater stammt aus Polen, die Mutter aus Ungarn – weiß die 54-Jährige, wie wichtig es ist, gegen Fremdenhass und Ausgrenzung einzustehen. Sie demonstriere gegen die AfD, weil diese für niemanden eine Alternative sein dürfe – „die einzige Alternative für Deutschland“, sagt Süßmilch, „ist die Demokratie“.