Das Heizkraftwerk Altbach/Deizisau steht vor einem großen Wandel: Von Kohle über Gas zu Wasserstoff. Der Bau eines neuen Werks auf dem Gelände ist schon weit fortgeschritten.
Das im Kreis Esslingen weit sichtbare Heizkraftwerk in Altbach steht vor einer weitreichenden Verwandlung. Das Ende des Kohlezeitalters rückt auch in Altbach und Deizisau näher.
In drei bis vier Wochen ist es im Heizkraftwerk (HKW) Altbach/Deizisau so weit: Dann werden bei einem spektakulären Schwertransport riesige Bauteile für eine neue Dampfturbine angeliefert und eingesetzt. Einige Komponenten – bis zu 450 Tonnen schwer – lagern bereits auf dem Gelände. Das ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg des Strom- und Wärmeproduzenten von der Kohle über das Gas hin zum Wasserstoff, der im Fachjargon Fuel Switch genannt wird.
Altbachs HKW 2: Von Kohle über Gas zu Wasserstoff
Altbach besteht genau genommen aus mehreren Kraftwerken, allein eines davon, das so genannte HKW 2, ist rechnerisch in der Lage, eine Großstadt wie Esslingen mit fast 100 000 Haushalten und sehr viel Industrie mit Strom zu versorgen. Noch wird ein Teil des Kraftwerks mit Kohle betrieben, ein anderer mit Gas. Künftig soll es übergangsweise nur noch Gas sein und dann – Mitte der 2030er Jahre – Wasserstoff, der die riesigen Turbinen antreibt. So jedenfalls ist der Plan.
Das geschieht alles unter der großen Überschrift Klimaneutralität und – heruntergebrochen auf ein Kraftwerk wie Altbach – Dekarbonisierung. Übersetzt heißt das: Das Kraftwerk produziert eines Tages Energie, ohne zur weiteren Klimaerwärmung beizutragen. Und um dies umzusetzen, verwendet es nicht länger fossile Rohstoffe.
Landtagsabgeordnete lädt zur exklusiven Kraftwerksführung ein
Um einen konkreten Einblick in diese technisch hoch komplizierte Thematik zu bekommen, startete die CDU-Landtagsabgeordnete Natalie Pfau-Weller aus dem Wahlkreis Kirchheim, zu dem auch Altbach und Deizisau gehören, einen Aufruf in den sozialen Medien: Sie lud ein zu einer Führung durch das Kraftwerk. Rund 40 Interessenten meldeten sich – fast alle Männer. Einige vermittelten den Eindruck, „vom Fach“ zu sein, stellten entsprechende Fragen oder kommentierten einen Fachvortrag, der der Führung durch das Werk voranging. Diese Führung endete auf dem Dach eines der Gebäude, von wo sich die gesamte Theorie in einem allumfassenden Panoramablick auf das Werk, Teile von Esslingen sowie Altbach und Deizisau auflöste.
Das HKW Altbach/Deizisau steht neben einigen anderen Kraftwerken in Deutschland symptomatisch für eine Zeit des Umbruchs, von der sich allerdings heute noch nicht sagen lässt, ob dieser auch gelingt: In verschiedenen internationalen, nationalen und lokalen Abkommen haben sich Staaten, Staatengemeinschaften, Kommunen, Unternehmen und Institutionen verpflichtet, den rapide fortschreitenden Klimawandel, sofern menschengemacht, einzubremsen. So will die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden, Deutschland bis 2045, Esslingen bis 2040, die EnBW als Betreiberin von Kraftwerken wie das in Altbach bis 2035 in Bezug auf ihre eigenen Emissionen.
Energiekonzern zeigt Fortschritte bei Altbachs Energiewende
Die Anstrengungen des Energiekonzerns, das Ziel zu erreichen, lassen sich im HKW Altbach/Deizisau recht gut nachvollziehen. So beginnt der Spaziergang durch das Werk im Außenbereich, vorbei an einem großen Kohlehaufen und einigen Fördereinrichtungen, einem so genannten Abkratzer und einem Absetzer. Diese Anlagen sind bereits denkmalgeschützt, arbeiten aber noch, solange mit Kohle Strom erzeugt wird.
Die erste Halle, die die Besuchergruppe betritt, strahlt den Charme der alten Industrie aus: Sie ist dunkel, die Maschinen sind schwarz. Hier stehen riesige Kohlemühlen, in denen faustgroße Steinkohlebrocken zu feinstem Staub gemahlen werden – der Brennstoff, um Wasser zu erhitzen. Der entstehende Dampf wird mit hohem Druck und hoher Temperatur auf Turbinenschaufeln geleitet, der Rest ist Schulphysik: Die Energie des Dampfes wird in Drehbewegungsenergie und anschließend im Generator in elektrische Energie umgewandelt.
Hightech trifft Industriecharme: Ein Blick ins Herz des Kraftwerks
Auf weiteren Stationen durch das Innere des Kraftwerks, so das Maschinenhaus, bleiben die räumliche Dimensionen gewaltig, aber es wird heller. Im Leitstand schließlich, wo die Maschinen gefahren werden, eröffnet sich schließlich das typische Bild eines solchen Raumes: Viele Daten auf vielen Bildschirmen, viel Glas, viel Licht, ein Hauch von Raumschiff.
Die Führung endet auf dem Dach des HKW 2 mit Blick auf das Gelände, wo das ganz neue Werk HKW 3 entsteht, dort, wo in diesen Wochen die neuen Turbine installiert und später mit einem Gas-Luftgemisch angetrieben werden. Was man heute schon sieht, ist ein viel kleinerer Schornstein als die alten, und auch das dazugehörige Gebäude steht deutlich niedriger in der Landschaft als die alten Werke. Wenn sich die Rahmenbedingungen etwa politischer Natur nicht ändern, wird hier eines Tages Wasserstoff der Antreiber der Turbinen sein. Im Sommer 2026 soll die Gasturbine das erste Mal gezündet werden – „First Fire“ heißt das im Fachjargon. Nach dem Probebetrieb soll dann 2027 der kommerzielle Betrieb starten.
Führungen durch das Kraftwerk
Angebot
Schulklassen, Vereine, Fachverbände oder Studenten – das Werk bietet regelmäßige Führungen an. In den vergangenen 20 Jahren haben nach Auskunft des Betreibers bereits rund 150 000 Besucher dieses Angebot genutzt.
Anmeldung
Wer eine Führung im Kraftwerk Altbach/Deizisau machen möchte, muss sich anmelden. Möglich ist dies online über die Internetseite: www.besichtigungen.enbw.com. Kinder im Alter von unter 14 Jahren dürfen aus sicherheitstechnischen Gründen nicht an dem Rundgang teilnehmen. Es gibt aber außerdem die Möglichkeit, eine virtuelle Führung zu buchen.