Ex-Abgeordneter Nemeth Warum die CDU den neuen Lotto-Chef aussuchen durfte

Hier tritt bald ein neuer Chef an: Lotto-Zentrale am Stuttgarter Nordbahnhof Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Warum gab es keine Ausschreibung für den Chefposten bei der landeseigenen Lotto-Gesellschaft? Ein offenes Rennen war unerwünscht, denn eine Partei hatte den Zugriff.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Nur Ältere in der Landespolitik erinnerten sich noch an den Ex-Manager, der in diesem Februar im Alter von 83 Jahren starb. Zu lange ist es für viele her, dass Wolfgang Crusen an der Spitze der landeseigenen Lotto-Gesellschaft stand – von 1995 bis 2005. Doch aus der Reihe der Geschäftsführer sticht er bis heute heraus: der promovierte Volkswirt kam aus der Wirtschaft, hatte bei Daimler-Benz und der Treuhand-Anstalt gearbeitet. Seine Vorgänger und Nachfolger waren in der Regel Politiker: einstige Minister, Staatssekretäre oder Abgeordnete unterschiedlicher Couleur, die oft ihre letzten Berufsjahre auf dem wohldotierten Chefposten verbrachten. Ihre Bilanz war mal mehr, mal weniger überzeugend.

 

Zuletzt wurde die Staatliche Toto-Lotto-GmbH von Georg Wacker (CDU) geführt, einem früheren Staatssekretär im Kultusministerium. Ende Juli verabschiedete sich der 63-Jährige vorzeitig aus seinem Vertrag, nach einem „langen aktiven Berufsleben“ alleine aus persönlichen Gründen. Die Finanzstaatssekretärin Gisela Splett (Grüne) fand als Aufsichtsratschefin lobende Worte für ihn. Er habe „das Unternehmen sehr erfolgreich und vorausschauend geführt und für die Zukunft bestens aufgestellt“. Neue Produkte, Digitalisierung, Nachhaltigkeit – all das sei unter seiner Ägide vorangekommen.

Firma mit 200 Leuten und Milliarde Umsatz

Mit Wackers Ausscheiden vermeldete Splett auch gleich den Nachfolger: Neuer Lotto-Chef werde zum 1. November Paul Nemeth (60) aus Böblingen, bis 2021 drei Legislaturperioden lang CDU-Landtagsabgeordneter. Neben Expertise in Politik und Verwaltung bringe er „viel Erfahrung aus der Wirtschaft“ mit, speziell in Personalführung, Informationstechnologie und Marketing. Nemeth selbst wurde zitiert, er fühle sich „bestens gerüstet“ für den Chefposten bei dem Unternehmen mit 200 Beschäftigten und mehr als einer Milliarde Euro Umsatz.

Tatsächlich spricht einiges für den Christdemokraten. Er war im Landtag parteiübergreifend geschätzt, als unideologischer Sachpolitiker und stets freundlicher Gesprächspartner. Er kann auf viele Jahre als IBM-Manager verweisen, mit Station auch in New York. Und er ist kein Versorgungsfall, wonach es bei manch anderer Besetzung gerochen hatte. Derzeit arbeitet er noch als Regionalmanager für den Energiekonzern RWE. Mit 60 ist er freilich in einem Alter, wo anderswo allmählich der Ruhestand winkt.

Auf Ausschreibung wurde bewusst verzichtet

Aber war Nemeth auch die beste verfügbare Person für den Posten? Mit einer Ausschreibung der Stelle hätte sich das leicht herausfinden lassen, doch davon wurde bewusst abgesehen. Das Land sei dazu nicht verpflichtet, erläutert ein Sprecher des Finanzministeriums – also macht man es auch nicht. Für die Auswahl der Geschäftsführung sei alleine der Aufsichtsrat zuständig, und der habe nach einem transparenten Verfahren eine „unabhängige Entscheidung“ getroffen. Gezählt hätten im Kern Kenntnisse und Fähigkeiten.

Doch es gab noch ein inoffizielles Kriterium: Für die Position hatte die CDU das Vorschlagsrecht – so war es in der Koalition mit den Grünen vereinbart. Ganz leicht fiel es ihr offenbar nicht, in den eigenen Reihen einen passenden Kandidaten zu finden; auf Nemeth kam sie nicht gleich. Offiziell bestätigt werden solche Nebenabreden natürlich nicht. Eine Ausschreibung hätte da nur gestört – womöglich hätten sich Interessenten gemeldet, an denen man nur schwer vorbeigekommen wäre.

Der Vorgänger verdiente 173 000 Euro

Das Finanzministerium mag nicht einmal verraten, was Nemeth verdient und wie lange sein Vertrag läuft. Dabei lässt sich beides zumindest grob abschätzen. Sein Vorgänger kam nach dem Beteiligungsbericht des Landes zuletzt auf knapp 173 000 Euro im Jahr, und neue Manager werden nach dem Kodex für Landesfirmen zudem für höchstens drei Jahre verpflichtet. Nemeths fortgeschrittenes Alter kann in der Logik der Politik sogar von Vorteil sein. Der lukrative Posten ist nicht ewig besetzt, sondern in absehbarer Zeit neu zu vergeben – auf wessen Vorschlag beim nächsten Mal, hängt auch von der Landtagswahl ab.

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