Im Stuttgarter Stadtteil Uhlbach entsteht seit vier Jahren ein neues Bio-Boutiqueweingut. Es braucht seine Zeit, weil Claudio Wieder alles von Hand macht – und in seiner Freizeit. Gelernt hat er das Handwerk von seinem Großvater.
Es gibt bessere Zeiten, um sich im Weinbau selbstständig zu machen. Aktuell gehen die Signale in die entgegengesetzte Richtung: Weinberge werden gerodet, Nachfolger verzweifelt gesucht, weil der Weinmarkt am Boden liegt. Aber laut dem Deutschen Institut für Wirtschaft scheint dieser Art von Endzeitstimmung immer ein Anfang innezuwohnen. „Unternehmensgründungen nehmen zu, wenn die Konjunktur abflaut“, lautet die nüchterne Überschrift eines Aufsatzes, dessen Autor herausgefunden hat, dass ein Anstieg der Arbeitslosenquote um zehn Prozent in der darauffolgenden Periode zu einem Anstieg der Zahl von Gründungen um drei bis vier Prozent führt. Diese Entwicklung ließe sich dann 1:1 auf den Weinbau übertragen, wenn die Menschen in Zeiten von erhöhter Arbeitslosigkeit wieder mehr Wein tränken. Aber dazu steht in dem Aufsatz leider nichts.
Claudio Wieder ist auch nicht arbeitslos, und der Weinbau ist eigentlich nur sein Hobby. Aber seine Betriebsgründung ist definitiv antizyklisch. Im Stuttgarter Stadtteil Uhlbach hat der Autodidakt mit seiner Frau Lena im Jahr 2020 ein Boutique-Weingut eröffnet, das aber noch am Entstehen ist. Die Weinberge am Uhlbacher Götzenberg und am Cannstatter Zuckerle stammen vom Opa, dem er „schon als kleiner Kerle in den Reben über die Schulter geschaut“ hat. Sein Erbe wollte er tatsächlich „unbedingt“ antreten, bewirtschaftet nun nebenher rund einen Hektar – und zwar nach Bioland-Regeln. In Weinberg und Keller verzichtet das Ehepaar weitgehend auf Technik, alles ist Handarbeit. Das großväterliche Haus mit großartigem Gewölbekeller renoviert Claudio Wieder außerdem, baut eine Vinothek und eine Kelter. Die Vermarktung ist allerdings nicht einfach, hat er festgestellt. Dabei ist sein maischevergorener, lang im Fass gelagerter Pinot Noir von den Terrassen genial. Ein trendiger Naturwein, der sich wunderbar trinken lässt. Fruchtig und kräutrig ist er gleichzeitig, leicht und trotzdem gehaltvoll. Ein spannender, zukunftsträchtiger Spätburgunder, mit dem sich eine antizyklische Betriebsgründung meistern lässt.
Das Urteil der Weinrunde:
Holger Gayer Ein ganz klarer, leichter und feiner Spätburgunder ist das, der mit seinem bemerkenswerten Liebstöckel-Aroma nicht nur zum Trinken, sondern auch zum Essen animiert.
Harald Beck Ob mir dieses leicht Maggiwürzige so richtig gefällt, da bin ich mir noch nicht so ganz sicher. Aber ansonsten: leicht trinkbar, gute Struktur – ein gefälliger Zeitgenosse.
Pinot Noir von den Terrassen 2022, 18 Euro, Weinbau Claudio Wieder, Trollingerstraße 26a, Stuttgart-Uhlbach. www.weinbau-wieder.de