Severin Köhler ist AfD-Stadtrat in Ditzingen (Kreis Ludwigsburg) und umgibt sich mit Götz Kubitschek und Martin Sellner. Der AfD-Landesverband hat reagiert und ihm seine Mitgliedsrechte entzogen – es geht auch um Macht.

Ludwigsburg : Emanuel Hege (ehe)

Severin Köhler fiel schon vor seiner Wahl in den Ditzinger Gemeinderat im Sommer 2024 durch seine Kontakte in die rechtsextreme Szene auf. Unter anderem befürwortet er eine enge Zusammenarbeit mit der Identitären Bewegung. In den vergangenen Monaten ist Köhler nun weiter von der Partei und in die extreme Rechte abgedriftet – eine Steilvorlage für die Spitze des Landesverbandes, den Kommunalpolitiker loszuwerden. Köhler hat seinen Vorstandsposten in der AfD-Jugendorganisation verloren, es läuft ein Parteiausschlussverfahren. Ein Blick auf den Fall eines AfD-Politikers mit gefährlichen Freunden.

 

Die Entfremdung zwischen Köhler und dem Landesverband zeigte sich vor rund einem Jahr auf dem AfD-Parteitag in Rottweil. Köhler war damals im Landesvorstand und Vorsitzender der Jungen Alternative (JA). Mit sechs anderen AfD-Mitgliedern meuterte er offen gegen die Landesgranden Alice Weidel, Markus Frohnmaier, Emil Sänze und Martin Hess.

Vordergründig ging es um mutmaßliche Vertuschungen rund um eine vererbte Immobilie, im Hintergrund ging es aber um die Macht im Landesverband. Der Putschversuch scheiterte und belastet Köhlers Beziehungen zur Landesspitze bis heute – es gibt Hinweise, dass die Beteiligten eine regelrechte Feindschaft pflegen.

Auftritt in RTL-Undercover-Reportage

Einige Monate später machte unsere Zeitung Köhlers Verbindungen in die extremistische Szene öffentlich. Er pflegt Kontakte zur Identitären Bewegungen in verschiedenen Ländern, in der Partei steht er Maximilian Krah und dem formal aufgelösten Flügel unter der Leitung Björn Höckes nahe. Die Mutterpartei sollte den Mut haben, die Verbindungen in die Neue Rechte zu stärken und sie als aktivistisches Vorfeld der Partei zu nutzen, sagte Köhler im Gespräch mit dieser Zeitung.

De r 28-Jährige hat seine Kontakte zu Extremisten in den vergangenen zehn Monaten offensichtlich intensiviert. Eine RTL-Reportage zeigt Köhler vergangenen Sommer bei einer exklusiven Veranstaltung der extremen Rechten in Wien – auch Martin Sellner, ein prominenter Vertreter der Remigrationsidee, war dort. Köhler ist in der Reportage unkenntlich gemacht, bestätigt aber auf Nachfrage, dort gewesen zu sein.

Auf den Bildern scheint er sich sichtlich wohlzufühlen, er kennt offenbar viele der Anwesenden. Vor der versteckten Kamera erklärt er den RTL-Reporterinnen die Idee des aktivistischen Vorfeldes, die helfen soll, „die Mehrheitsverhältnisse in die richtige Richtung zu lenken“.

Ein besonderer Moment der RTL-Reportage ist der Auftritt einer jungen AfD-Funktionärin, die Köhler zur Begrüßung umarmt. Nach einem Schnitt – Köhler ist nicht mehr zu sehen – beginnt die Frau vor versteckten Kameras über den Holocaust zu sprechen. „Es waren höchstens 175 000 vergaste Juden, keine sechs Millionen. Ich finde es auch geil, dass es stattgefunden hat.“ Ja, er kannte die Frau flüchtig, sagt Köhler. „Auf Veranstaltungen anderer Landesverbände habe ich sie vier, fünf Mal gesehen, jedoch ist sie mir gegenüber niemals negativ aufgefallen.“ Aber nein, bei „dieser Straftat“ – Köhler meint die Szene im Film – sei er nicht anwesend gewesen. Mit so etwas habe er nicht das Geringste zu tun und hätte interveniert, hätte er das mitbekommen.

Ende Januar trat Köhler erneut mit extremen Rechten auf. Im berüchtigten Dorf Schnellroda in Sachsen-Anhalt war er bei den „Studientagen“ des völkisch-nationalistischen Vordenkers Götz Kubitschek dabei. In einer Reportage von Spiegel TV sieht man Köhler auf dem Weg zum Veranstaltungssaal. Während andere Besucher ihr Gesicht verbergen, grüßt Köhler offensiv die Presse und fragt, wo man die Bilder denn später zu sehen bekommt.

Auch Martin Sellner war in Schnellroda sowie die Spitze der Reconquista 21. Die Gruppe ist der baden-württembergische Ableger der Identitären Bewegung. Die Extremisten bewarben im vergangenen Herbst ein angebliches Vernetzungstreffen in Ludwigsburg und instrumentalisierten in einem Video den Tod Tabithas und den Streit um die Landeserstaufnahmestelle Schanzacker für ihre ausländerfeindliche Propaganda.

Köhler ins Aus gedrängt

Diese Kontakte in die rechtsextreme Szene hat der AfD-Landesverband offenbar zum Anlass genommen, einen Parteiausschluss Köhlers einzuleiten. „Wir wissen, dass Herr Köhler in Österreich bei einem Identitären Treffen war und da Aussagen auf den Tisch kamen, die wir als Partei so nicht stehen lassen können“, sagte Verbandsvize Emil Sänze im Januar im Deutschlandfunk und spielte damit auf die Vorfälle in Wien an.

Im November, kurz vor der Wahl des neuen JA-Vorstandes, hat Köhler seine Mitgliedsrechte verloren, somit konnte er nicht erneut für den Vorsitz antreten. Der endgültige Ausschluss hängt derweil in der Schwebe, ein Bundesschiedsgericht muss noch entscheiden.

Köhler bestätigt das Ausschlussverfahren gegen ihn. Er fühlt sich ungerecht behandelt, verweist auf Verfahrensfehler und auf die vielen weiteren Ausschlussverfahren, die der Landesverband in den vergangenen Monaten vor allem gegen Mitglieder des Vorgänger-Vorstands angestoßen habe. Laut Deutschlandfunk laufen tatsächlich mehrere Verfahren in Baden-Württemberg gegen interne Kritiker. Presseanfragen an Frohnmaier und Sänze blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

In den vergangenen Jahren stieg Severin Köhler rasant in der baden-württembergischen AfD auf und bekleidete einige der höchsten Parteiämter. Doch innerhalb weniger Monate hat sich das Blatt gewendet – nun droht ihm der Parteiausschluss. Er selbst betont, sich künftig auf die Kommunalpolitik konzentrieren zu wollen und zeigt sich zuversichtlich, dass das Schiedsgericht letztlich zu seinen Gunsten entscheidet. Fragen zu seiner weiteren Zukunft und seinen politischen Ambitionen weicht er jedoch aus.