Matthias Hahn verstorben Der Architekt der Sozialen Stadt
Der ehemalige Stuttgarter Bau- und Umweltbürgermeister ist im Alter von 77 Jahren verstorben. Hahn war 42 Jahre für die SPD im Rathaus.
Der ehemalige Stuttgarter Bau- und Umweltbürgermeister ist im Alter von 77 Jahren verstorben. Hahn war 42 Jahre für die SPD im Rathaus.
Die Stuttgarter Sozialdemokratie muss erneut den Verlust eines großen Repräsentanten betrauern. Am vergangenen Montag ist der ehemalige Stuttgarter Bau- und Umweltbürgermeister Matthias Hahn im Alter von 77 Jahren gestorben. Das teilte die Stadtverwaltung mit. Anfang 2023 war sein Kollege aus dem Wirtschaftsreferat, Dieter Blessing, zu Grabe getragen worden. Es folgte mit Helga Ulmer die erste weibliche Vorsitzende im Stuttgarter Gemeinderat, und an Karfreitag 2024 war der legendäre ehemalige Erste Bürgermeister Gerhard Lang verstorben.
Sein Amtsnachfolger Peter Pätzold (Grüne) sagte: „Matthias Hahn war ein Mensch mit einer
sehr großen Kenntnis von Architektur und Kultur. Er hat diese Stadt entscheidend
geprägt. Ob nachhaltige Quartiersentwicklungen wie beim Olgaareal, die
Umgestaltung von öffentlichen Räumen wie den Marienplatz oder ein
Stadtentwicklungskonzept, vieles hat er auf den Weg gebracht und umgesetzt.
Insbesondere die Projekte der Sozialen Stadt lagen ihm sehr am Herzen, weil es hier
immer direkt um die Menschen und ihr Umfeld ging. Ich habe Matthias Hahn sehr
geschätzt. Seine sachliche, vermittelnde und zugewandte Diskussionsleitung in
‚seinem‘ Ausschuss für Umwelt und Technik waren vorbildhaft.“
Die SPD-Kreisvorsitzende Katrin Steinhülb-Joos würdigte Hahn als einen fleißigen Bürgermeister, der sich jedes Projekt und jede Baustelle genau angeschaut habe und immer informiert gewesen sei. Sie erinnert daran, dass er als Juso-Chef das Bohnenviertel gerettet habe und verweist auf das von ihm umgesetzte Kunstmuseum. Den Rosensteintunnel habe er auf den Weg gebracht, „damit Bad Cannstatt nicht im Verkehr ertrinkt“. Hahn sei stets verlässlich gewesen und habe die Menschen mitgenommen.
Matthias Hahn war 1980 in den Gemeinderat der Landeshauptstadt gewählt worden. Bis zu seinem Amtsantritt als Bürgermeister im Jahr 1996 vertrat er die SPD-Fraktion im Ausschuss für Umwelt und Technik sowie im Städtebauausschuss und war Sprecher für städtebauliche Fragen. 1992 wurde er Vorsitzender seiner Fraktion.
Der SPD gehörte er seit 1967 an, und seine Tätigkeit im Rathaus hatte in Stuttgart bereits 1973 begonnen – unter der kommunalpolitischen Grasnarbe als stellvertretendes Mitglied im Bezirksbeirat Mitte. Geboren wurde Matthias Hahn 1948 in Mannheim. Nach dem Abitur in Stuttgart und dem Studium der Rechts- und Politikwissenschaften an den Universitäten Lausanne, München und Tübingen war er von 1981 bis 1996 als selbstständiger Rechtsanwalt in Stuttgart tätig.
Im September 1996 wählte der Gemeinderat den Juristen zum Bürgermeister für Städtebau. 2004 wurde er durch Wiederwahl bestätigt. Im Mai 2006 wurden seine Aufgaben um den Umweltbereich erweitert. Damit war er für die Ämter Stadtplanung und Stadterneuerung, Baurecht sowie Umweltschutz zuständig. Nach der erneuten Wiederwahl im Oktober 2012 startete Hahn in seine dritte Amtszeit, die er aber nicht vollendete. 2015 verabschiedete OB Fritz Kuhn (Grüne) Matthias Hahn in den Ruhestand. Gesundheitliche Probleme seien nicht der Anlass, betonte der Italien- und Opernfreund Hahn damals: „Das Leben außerhalb des Rathauses lockt.“ Ein Hahn allein machte in Stuttgart übrigens noch keinen Sommer. Vor Matthias Hahn wirkte Vater Jürgen von 1964 bis 1979 als Erster Bürgermeister im Rathaus.
Hahns Ernennung zum Baubürgermeister war nicht unumstritten gewesen – dem Juristen mangelte es am „Stallgeruch“. Alle seine Amtsvorgänger waren Architekten oder Baumeister. Die Spitzen der Architektenschaft und der Verband der Stadt-, Regional- und Landesplaner formulierten es so: „Der Komplexitäts- und Schwierigkeitsgrad der in Stuttgart anstehenden Probleme, sowohl im städtebaulichen wie im bauplanerischen Bereich, erfordert ganzheitliches Denken und Gesamtverantwortung für erarbeitete Ziele und ihre Umsetzung.“ Notwendig sei eine fachliche Ausbildung als Architekt und Stadtplaner, berufserfahren und qualifiziert. Der Jurist Hahn wurde trotzdem gewählt, danach zweimal im Amt bestätigt.
Mit seiner Sachkenntnis und kommunalpolitischen Erfahrung erwarb sich Hahn während seiner drei Amtszeiten das Vertrauen der arrivierten Stuttgarter Architektenschaft. Man sagte ihm aber auch eine gewisse Konfliktscheue und allzu defensive Art nach, wenn etwa der frühere Rathauschef Wolfgang Schuster und Finanzbürgermeister Michael Föll (beide CDU) einen Investor oder ein Projekt aus dem Hut zauberten, ohne Hahn vorab darüber in Kenntnis zu setzen.
Erinnert sei an die Möbelhauspläne von Ikea in dem von ihm nach dem Olympiadebakel entwickelten Neckarpark, an die Vision einer Modemeile des österreichischen Investors Franz Fürst und – mit Grausen – an den Hamburger Klinikenbesitzer Ulrich Marseille, der auf dem Pragsattel einen Trump-Tower erstellen wollte. Hahn roch den Braten und blieb damals der Präsentation des Vorhabens fern, das dann auch wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel.
Beim Großprojekt Stuttgart 21, heißt es, habe der dem Projekt durchaus skeptisch gegenüberstehende Hahn fachliche Bedenken schon mal hintangestellt. Ihn haben vor allem die Möglichkeiten zur Stadtentwicklung fasziniert. Das Einkaufszentrum Milaneo kritisierte er als „überdimensioniert“. Er setzte gegen den Willen des Investors Hunderte Wohnungen und eine Halbierung der Stellplätze durch. Mit Stolz schaute Hahn auf den Marienplatz, dessen Umgestaltung er gegen alle Widerstände vorangetrieben hat. Auch das Engagement für die Gestaltung des Südheimer und des Schoettleplatzes hätten sich gelohnt.
Die Umweltthematik, die ab 2006 in sein Ressort fiel, stellte ihn vor neue Herausforderungen. Der Rahmenplan für die Halbhöhenlage, die Sicherung von Frischluftschneisen für den feinstaubgeplagten Talkessel – hier zeigte sich der Baubürgermeister, wie er trotz erweiterter Zuständigkeiten weiterhin apostrophiert wurde, versiert und engagiert.
Besondere Würdigung erfuhr der ehemalige Bürgermeister durch sein Engagement für den sozialen Zusammenhalt. Thomas Hermann betonte bei seiner Verabschiedung für die Architektenkammer, es sei ein Verdienst Matthias Hahns, dass es in Stuttgart keinen sozialen Brennpunkt gebe. Ob in Neugereut, Freiberg oder im Hallschlag, die sozialen Projekte hat Bürgermeister Hahn erstmalig in der Stadt angestoßen und engagiert verfolgt. Oft war er bei unterschiedlichsten Veranstaltungen vor Ort und hat so den Bürgerinnen und Bürgern der Sozialen Stadt vermittelt, dass sie geschätzt sind, gesehen und gehört werden.
Hahn hat zudem wichtige Grundsteine der Wohnungsbaupolitik etabliert. Sowohl das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM) als auch das Konzeptvergabeverfahren und die Förderung von Baugemeinschaften wurden von ihm unterstützt und dann vom Gemeinderat beschlossen. Insbesondere im Olgaareal wurde dies konsequent umgesetzt. Ein weiteres wichtiges Projekt war die Entwicklung des Hospitalviertels. Das Stadtentwicklungskonzept (STEK) trägt ebenso seine Handschrift.