Neuer Vertrag mit EnBW-Tochter Stadt beendet Rechtsstreit um Wassernetz

Das Wassernetz – hier der Hochbehälter in der Hasenbergsteige – kann die Stadt erst in 17 Jahren erwerben. Foto: EnBW

Seit 2012 versucht Stuttgart, das Wassernetz zurückzukaufen. Daraus wird nun bis 2042 nichts. Der Trinkwasserpreis könnte stärker steigen als bisher.

Seit 2012 klagt die Landeshauptstadt beim Landgericht gegen die EnBW-Tochter Netze BW Wasser auf die Rückübertragung des Wassernetzes an die Stadt. Nun hat der Gemeinderat – bei 16 Gegenstimmen von SPD/Volt, Linksbündnis und Puls – innerhalb von nur neun Tagen einen Vergleichsvorschlag zur Beendigung des Rechtsstreits akzeptiert. Die Rekommunalisierung, also der Rückkauf des Netzes, die auf ein Bürgerbegehren zurückgeht, wird um 17 Jahre bis Ende 2042 verschoben. So lange gilt die neu abgeschlossene Konzession.

 

Was der Rückkauf des Netzes in 17 Jahren kosten könnte, bleibt unklar. Die vom Landgericht vorgeschlagenen 348 Millionen Euro hatte keine der Parteien akzeptiert. Für die Stuttgarter könnten mit der Einigung allerdings die jährlichen Preiserhöhungen beim Trinkwasser kräftiger ausfallen als bisher, denn die Berechnungsgrundlage wird durch die neue Einbeziehung des Baupreis-Indexes geändert. Er lag in den letzten Jahren deutlich höher als der Verbraucherpreisindex, dessen Anteil geringer wird.

„Bürgerwille missachtet“

Barbara Kern, eine der Vertreterinnen des Stuttgarter Wasserforums, das das Bürgerbegehren initiiert hatte, zeigte sich nach der Sitzung am Donnerstag enttäuscht und verärgert. „Die Energie Baden-Württemberg hat sich mal wieder durchgesetzt, der Bürgerwille wird missachtet“, so Kern. Das Wasserforum hadert damit, dass die Stadt über all die Jahre kein Urteil erwirkt hat – und dass die Grünen-Fraktion der neuen Konzession zustimmte, ohne zuvor die Parteibasis zu befragen.

Eigentümerverein Haus und Grund beklagt: Trinkwasser in zehn Jahren um 36 Prozent teurer. Foto: picture alliance / Christoph Schmidt/dpa

Fernwärmeurteil als Fingerzeig

Ein Urteil war 2023 im Streit zwischen EnBW und Stadt um das Fernwärmenetz gefallen, allerdings nicht zur Zufriedenheit der Stadt, denn der Bundesgerichtshof schlug ihr das Netz nicht zu. Sie darf nur die Konzession neu vergeben. Der Anwalt, der die Stadt beim Thema Fernwärme vertritt, befürwortet daher beim Thema Wasser einen neuen Konzessionsvertrag bis 2042. So können die verfahrene Situation – im alten Vertrag fehlte eine Regelung darüber, was nach Vertragsablauf geschehen soll – gelöst werden.

Stadt hat kein Geld für Wassernetz

Mit der Einigung werde „ein längst überfälliger Schlusspunkt“ gesetzt, so OB Frank Nopper (CDU) in der Sitzung. 2042 habe die Stadt dann „alle Möglichkeiten“. Aktuell könnte sie den Netzkauf finanziell nicht stemmen. Vor drei Jahren hatte Nopper für einen ähnlichen Vorschlag keine Mehrheit erhalten. Am Service und der Qualität der Versorgung durch die EnBW-Tochter gebe es keine Kritik, so CDU-Chef Alexander Kotz, der davor warnte, dass ein Urteil die Kaufoption verbaue. Er dankte den Grünen für ihren „Impuls“, bis 2042 Rücklagen anzusammeln. Man habe nun Rechtssicherheit, Planbarkeit und bei Gesetzesänderungen ein Vorkaufsrechts, so Petra Rühle für die Grünen. Durch die ausgehandelten drei Sitze im Aufsichtsrat der Gesellschaft könne sich die Stadt auch „endlich einen Überblick verschaffen“. Sie erhält kostenfrei ein Prozent am Stammkapital der EnBW-Tochter.

AfD: EnBW in öffentlicher Hand

Auch AfD-Fraktionschef Michael Mayer begrüßte die Einigung, mit dem Hinweis, dass die EnBW sich in öffentlicher Hand befinde. Auch Rose von Stein von den Freien Wählern nutzte dieses Argument. 17 Jahre seien „keine lange Zeit“, der Vergleich eine „runde Sache“, so die Meinung von FDP-Chef Matthias Oechsner.

Stadt zahlt künftig für Löschwasser

Gegen die Einigung, mit der Netze BW Wasser auch ihre Klage zur Vergütung der Löschwasserbereitstellung gegen die Stadt zurückzieht (diese zahlt künftig jährlich 1,5 Millionen Euro pro Jahr), votierte SPD/Volt. Beim städtischen Verkauf von EnBW-Aktien und Mitverkauf des Wassernetzes sei die Stadt „fahrlässig mit ihrer Daseinsvorsorge umgegangen“, so Fraktionssprecherin Jasmin Meergans. Mit dem Vergleich werde das Bürgerbegehren nicht erfüllt. Man werde „in 17 Jahren wieder am Anfang stehen“, habe also nichts gewonnen, so Hannes Rockenbauch für die Fraktion Linke/SÖS-plus mit Blick auf den vertagten Konflikt um den Kaufpreis. Die Einigung sei „Verarsche der Bürger“, so Rockenbauch. „Trinkwasser ist die Ressource des 21. Jahrhunderts“, sagte Puls-Stadtrat Christoph Ozasek. Der jetzige Deal lasse essenzielle Fragen ungeklärt.

Wasserpreis stark gestiegen

Dirk Güsewell, Mitglied des Vorstands der EnBW und Aufsichtsratsvorsitzender der Netze BW GmbH begrüßte die Einigung als „ fairen Kompromiss für beide Seiten“. Auch der Eigentümerverein Haus und Grund lobt den Kompromiss, fordert aber eine „effektive Preiskontrolle“, denn Trinkwasser sei in zehn Jahren um 36 Prozent teurer geworden. Die Bürgerinitiative Kommunale Stadtwerke kritisiert, dass „angesichts der zukünftigen Wasserkonflikte die Verantwortung einem kapitalmarktorientierten Energiekonzern überantwortet wird. Die Naturfreunde Stuttgart und das Klima-und Umweltbündnis sehen in der Einigung auf 2042 ein Vabanquespiel.

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