Neues Baugebiet Wohnungsnot mindern, Regenrisiko lindern – Spatenstich in Denkendorf
Das künftige Wohnquartier in Denkendorf soll eine sozial durchmischte Bewohnerstruktur aufweisen – und die Gemeinde bei Starkregen schützen.
Das künftige Wohnquartier in Denkendorf soll eine sozial durchmischte Bewohnerstruktur aufweisen – und die Gemeinde bei Starkregen schützen.
Entschlossenheit, Einigkeit, Zukunft: Markige Begriffe, für die laut Bürgermeister Ralf Barth das neue Baugebiet Wasserreute zeichenhaft steht, als wär’s eine Trutzburg. Ist es in gewisser Weise auch, wie der Denkendorfer Schultes in seinen weiteren Ausführungen durchblicken ließ. Die Wasserreute macht nämlich ihrem Gewann-Namen alle Ehre.
Das Areal am Ortsrand Richtung Berkheim zwischen der Straße Lange Äcker und der Uhlandstraße zählt bei Starkregenfällen zu den beiden meistbetroffenen Stellen Denkendorfs (der andere Hochrisikopunkt ist der Bereich Klingen-/Hohenheimer Straße an der Körsch). Das künftige Wohngebiet wird gleichzeitig zum Schutzwall für weite Teile der Gemeinde, versprach Barth.
Aber die Mutter des Planungsgedankens war die Wohnungsnot, der Weg zum ersten Spatenstich am Donnerstag dennoch steinig. Vor den versammelten Festgästen erinnerte Barth an den Widerstand, nachdem der Gemeinderat im Oktober 2019 den Aufstellungsbeschluss gemäß dem beschleunigten Bebauungsplanverfahren nach Paragraf 13b des Baugesetzbuchs getroffen hatte. 400 Unterschriften wurden gegen das Projekt gesammelt, ein Bürgerbegehren eingereicht – „für Denkendorfer Verhältnisse ungewöhnlich und neu“, so Barth. Er rechnete nicht ab mit den Argumenten der Bürgerinitiative, sondern lobte sie: Versiegelung wertvoller Ackerflächen, Zunahme des Verkehrs in einem eh schon belasteten Umfeld – alles nachvollziehbar, befand der Bürgermeister. Und entschied sich letztlich doch anders. Denn die Denkendorfer Wohnraumsituation sei angespannt, namentlich für Familien mit nicht ganz so dickem Geldbeutel. Was der Gemeinde seit längerem auch vom Land bescheinigt wird.
Ein Kompromiss im Jahr 2020 machte den Weg am abgeblasenen Bürgerbegehren vorbei frei: die Verkleinerung des geplanten Baugebiets von 2,5 auf 1,58 Hektar; auf zwei Straßenzüge, die mit den Namen Hubäcker und Eicherweg an die überbauten Fluren erinnern und prognostiziert 200 Menschen eine neue Heimat geben werden. Bei rund 90 entstehenden Wohneinheiten in Doppel-, Reihen- und Mehrfamilienhäusern ergibt sich rein rechnerisch freilich kein reines Familienquartier. Dieses sei auch nicht geplant gewesen, erklärt Barth auf Nachfrage, „sonst hätten wir gleich noch eine neue Kita bauen müssen“. Immerhin entsteht an der Ecke Lange Äcker/Uhlandstraße eine neuer Spielplatz. Man strebe auf der Wasserreute einen „sozial durchmischten Wohnungsmix“ an, sagt der Bürgermeister. Die Zahl 200 sei ein statistischer Wert und ergebe eine hohe Siedlungsdichte von 120 bis 130 Bewohnern pro Hektar – für Denkendorf nicht ungewöhnlich, aber weit über dem Landesdurchschnitt.
Zudem gehören inzwischen rund 80 Prozent der Fläche der Gemeinde und „stehen für ihre Wohnraumentwicklung zur Verfügung“, ergänzt Günter Baumann, Geschäftsführer der Kirchheimer Firma Geoteck Ingenieure, die mit der Projektsteuerung betraut ist. Auf der gemeindeeigenen Fläche seien „teilweise geförderte Wohnprojekte vorgesehen – mit barrierefreien Wohnungen, bezahlbaren Mieten und generationengerechten Konzepten“, so Barth.
Im Oktober 2024 gab der Gemeinderat den endgültigen Startschuss für das Projekt, gerade noch rechtzeitig vor Ablauf des gesetzlich bis Ende 2024 befristeten beschleunigten Bebauungsplanverfahrens. Anfang 2025 war die Baulandumlegung abgeschlossen. Mit dem Spatenstich beginnen jetzt die Erschließungsarbeiten, die voraussichtlich ein Jahr dauern werden – „je nach Witterung“, sagt Baumann. 2,9 Millionen Euro steckt die Gemeinde in diese Arbeiten. Wobei der Bürgermeister eine frohe Botschaft verkünden konnte: „Das sind 14,5 Prozent weniger als ursprünglich veranschlagt.“
Am Montag werden die Planierraupen aktiv, gibt Baumann bekannt. Kanäle, Wege und Straßen werden angelegt. Und selbstverständlich geht es dann auch um jene Sache, deren Bezeichnung fast so schlimm klingt wie das, was sie verhindern will: Starkregenrisikomanagement. Das Starkregenrisikomanagement auf der Wasserreute besteht aus einer Erhöhung des Straßen- und Wegeniveaus um 35 Zentimeter, aus der Anlage von Schutzwällen und drei Einlaufbauwerken. „Das schützt uns nicht bei einem Jahrtausend-, aber bei einem Jahrhundertregen, wie er statistisch nur alle hundert Jahre einmal vorkommt“, sagt Barth. Zuletzt gab es einen solchen Jahrhundertregen 2008, als sich eine Schlammlawine von den Äckern der Wasserreute in den Ort hineinwälzte. Rein statistisch wäre damit für die nächsten 83 Jahre das Regenrisiko gebannt. Aber der Klimawandel macht die Jahrhunderte kurz.
Als allererste Maßnahme wird ab Montag der Oberboden abtransportiert – aber beileibe nicht auf die Deponie. Die wertvolle Fildererde werde „auf anderen landwirtschaftlichen Flächen zur Bodenverbesserung aufgebracht“, versichert Bürgermeister Barth. Damit sich auf diese Weise seine Worte bewahrheiten: „Dieses Baugebiet entsteht nicht gegen die Natur, sondern mit ihr.“
Wohnungen
Im geplanten Denkendorfer Baugebiet Wasserreute entstehen knapp 90 Wohneinheiten am nördlichen Ortsrand zwischen der Straße Lange Äcker und der Uhlandstraße. Die Doppel-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser sollen auch Familien günstigen Wohnraum bieten. Die jetzt beginnenden Erschließungsarbeiten dauern rund ein Jahr. Eigentlicher Baubeginn ist im Sommer 2026.
Widerstand
Gegen das Bauvorhaben wurden 400 Unterschriften gesammelt, ein Bürgerbegehren auf den Weg gebracht. Der Widerstand regte sich vor allem gegen den Verbrauch landwirtschaftlich hochwertiger Flächen. Letztlich einigten sich Gemeinde und Bürgerinitiative auf einen Kompromiss: Das Baugebiet wurde von 2,5 auf 1,58 Hektar verkleinert, das Bürgerbegehren daraufhin abgesagt.