Bundeskanzler Olaf Scholz und Mercedes-Chef Ola Källenius schieben das erste Batteriemodul auf einem Förderband der neuen Recyclingfabrik in Kuppenheim an. Foto: dpa/Uli Deck
Der Autohersteller will bis zu 96 Prozent der Rohstoffe aus E-Auto-Batterien zurückgewinnen. Bundeskanzler Olaf Scholz erklärt bei der Fabrikeröffnung, woran er beim Stichwort „schwarze Masse“ denkt.
Der geheimnisvolle Begriff hat es dem Kanzler angetan: „Schwarze Masse – das klingt für mich wie eine Mischung aus Grundlagenchemie und Star Wars“, sagt Olaf Scholz. Bei seiner Rede zur Eröffnung der ersten Batterierecycling-Fabrik von Mercedes macht der Bundeskanzler aber deutlich, dass man von beidem keine vertieften Kenntnisse braucht, um eines zu erkennen: „Jedem leuchtet ein, dass es sinnvoll ist, was hier geschieht. Ich gratuliere Mercedes zu dem Mut und der Weitsicht für diese Investition“, so Scholz.
Schwarze Masse ist ein wichtiges Thema an diesem Vormittag in Kuppenheim nahe Rastatt. Nach Treffen mit dem US-Präsidenten Joe Biden und dem türkischem Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdogan ist Scholz nach Nordbaden gereist, um gemeinsam mit Mercedes-Chef Ola Källenius das erste Batteriemodul auf dem Förderband der neuen Anlage anzuschieben.
Seit der Grundsteinlegung sind eineinhalb Jahre vergangen. Das sei zwar noch nicht ganz China-Speed, aber doch Deutschland-Tempo, sagt Källenius – und meint offenbar: Für hiesige Verhältnisse ging es relativ flott.
Die Zukunft der Autoindustrie ist elektrisch, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz
Von Scholz erhält Källenius die Bestätigung, in Sachen Elektromobilität auf dem richtigen Kurs zu sein. Auch wenn man nicht wisse, wie schnell es geht, auf Dauer würden sich Elektroautos für die individuelle Mobilität durchsetzen, führt der Mercedes-Chef aus. Scholz pflichtet ihm bei: „Die Zukunft der Automobilindustrie ist elektrisch. Und das ist keine Ideologie und erst recht keine Entscheidung gegen irgendeine andere Technologie, sondern schlicht die Einsicht, dass die ganze Welt auf diese Technologie setzt.“ Und in Kuppenheim, erläutert Scholz augenzwinkernd, kommen nun zwei Leidenschaften der Deutschen zusammen: das Auto und das Recyceln. Im Land der gelben Säcke muss man schließlich niemandem erklären, was Wiedergewinnung von Rohstoffen ist. Für Autobatterien sind erhebliche Mengen an Nickel, Lithium, Mangan und Kobalt nötig, die teils selten sind und oft unter fragwürdigen Bedingungen gefördert werden. Mercedes verspricht sich von der Fabrik in Kuppenheim, dass bis zu 96 Prozent der Rohstoffe aus verschlissenen Batterien herausgelöst und wiederverwendet werden können. Das sei „die Mine von morgen“.
In der Pilotfabrik werden die Batteriemodule zuerst geschreddert, dann werden mit mechanischen Verfahren Plastik, Kupfer, Aluminium und Eisen sortenrein ausgesiebt. Übrig bleibt die schwarze Masse, deren Farbe vom hohen Graphitanteil in den Batterien kommt. In einer Art chemischem Auswaschungsprozess können Nickel, Lithium, Mangan und Kobalt dieser Masse entzogen werden. Eine Fabrik, in der beide Prozesse nacheinander ablaufen, gibt es in Europa bisher nicht. „Unseres Wissens ist es die einzige Fabrik dieser Art weltweit, die von einem Autohersteller betrieben wird“, sagt der Mercedes-Produktionsvorstand Jörg Burzer. Das Verfahren sei gleichermaßen ökologisch wie wirtschaftlich sinnvoll.
Ein Blick in die Halle, in der unter anderem Nickel zur Wiederverwendung gewonnen wird. Foto: dpa/Uli Deck
Mercedes hat einen zweistelligen Millionenbetrag in die mit Grünstrom betriebene Recycling-Fabrik gesteckt, „weniger als 50 Millionen Euro“, genauer sagt es der Produktionschef nicht. Vom Bund kommen 17 Millionen Euro für die wissenschaftliche Begleitung des technischen Verfahrens. Als Partner fungieren dabei das Karlsruher Institut für Technologie und die Technischen Unis in Clausthal und Berlin. Mit ihrer Hilfe sollen die Prozesse optimiert werden.
Dass die Anlage in Kuppenheim nur ein erster Schritt zu einer Batterie-Kreislaufwirtschaft sein kann, steht dabei außer Frage. Die Verarbeitungskapazität liegt bei 2500 Tonnen beziehungsweise 50 000 Batteriemodulen im Jahr. Rechnet man pro Fahrzeug derzeit mit acht bis zehn Modulen für die Batterie, kann also das Material für rund 5000 Autos wiedergewonnen werden. Zum Vergleich: im Jahr 2023 verkaufte Mercedes-Benz allein gut 240 000 Elektroautos – und in den kommenden Jahren sollen es bekanntlich bedeutend mehr werden.
Der Aufbau weiterer Recyclingkapazitäten ist damit vorgezeichnet. Offen bleibt fürs Erste, ob Mercedes selbst Fabriken in allen wichtigen Absatzregionen betreiben will – oder das Geschäft industriellen Partnern überlässt. Für die Anlage in Kuppenheim hat Mercedes die Expertise des australisch-deutschen Recyclingspezialisten Primobius in Anspruch genommen. Nun gehe es darum, Erfahrungen zu sammeln und die Prozesse zu verbessern, sagt Burzer. Nach dem Hochlauf sollen knapp 100 Mitarbeiter in Kuppenheim tätig sein. Die wiedergewonnenen Rohstoffe werden dann an Batteriezellenhersteller geliefert – unter anderem an das Joint Venture ACC, an dem Mercedes neben Stellantis und Total Energies beteiligt ist.