In Stuttgart-Heumaden hat die Stadt die Zufahrten zu einer großen Fußgängerzone mit Vorhängeschlössern abgesperrt. Anwohner fürchten um die Sicherheit im Notfall. Jetzt zeigt sich: Offenbar nicht ganz zu Unrecht.
Die Emotionen kochen weiter hoch in Heumaden. Im dortigen Gebiet „Über der Straße“ gibt es eine Fußgängerzone mit Geschäften, Gaststätten, einer Arztpraxis und vielen Wohnungen. Allein der Haupt-Fußgängerweg, der das Areal inmitten der Bernsteinstraße von Ost nach West durchquert, ist knapp 500 Meter lang. Etliche Häuser werden durch ihn und seine Nebenwege erschlossen. Seit Jahrzehnten darf das Gebiet nicht mit Autos befahren werden. Allerdings ließen sich die Poller mit Dreikantschloss leicht entfernen, was wohl auch reichlich genutzt worden ist – in erster Linie von Handwerkern, Lieferdiensten oder Umzugsunternehmen, aber auch bei Einsätzen von Rettungsdienst, Polizei und Feuerwehr.
Das geht seit einigen Wochen nicht mehr. Aufgrund von zahlreichen Anzeigen offenbar vorwiegend eines einzelnen Anwohners hat die Stadt an den Zugängen Poller mit Vorhängeschlössern gesichert. Angaben zu Personen macht die Stadt nicht, bestätigt aber, dass es im vorigen Jahr dort aufgrund der Anzeigen vonseiten der Stadt zu 21 Verwarnungen, 13 Kostenbescheiden und einem Bußgeldbescheid gekommen ist.
Jetzt kommt keiner mehr durch – was bei vielen Anwohnern für Unmut sorgt. Bezirksvorsteher Hans Peter Klein berichtet von Reaktionen unterschiedlicher Art. Es geht dabei nicht nur darum, dass man bei Bedarf nicht mehr zu den Wohnungen kommt, sondern man sorgt sich auch um die Sicherheit. Mehrere Betroffene haben sich deshalb auch an unsere Zeitung gewendet. „Notärzte und Rettungswagen haben keine Schlüssel. Im Notfall müssen die zu Fuß über Privatwege und Treppen kommen“, sagt einer von ihnen.
Das Ordnungsamt hat das zurückgewiesen. „Die Stadt geht mit den Vorhängeschlössern gegen das andauernde Entfernen der Poller vor. Es ist zu verhindern, dass der Gehweg vom motorisierten Verkehr benutzt wird, was nicht zuletzt auch zu baulichen Schäden führt“, heißt es dort. Rettungseinsätze seien „nach Rücksprache mit dem DRK und der Feuerwehr auch an dieser Örtlichkeit gewährleistet“. Eine entsprechende Abstimmung sei erfolgt.
An diesem Punkt allerdings gehen die Meinungen auseinander. Die Polizei hat zwar seit kurzem Schlüssel für die Poller, die Feuerwehr kann zur Not zum Bolzenschneider greifen. Beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Stuttgart scheint man überrascht zu sein von den Aussagen aus dem Ordnungsamt. „Der Rettungsdienst wurde von der Stadt über diese Änderung nicht informiert“, heißt es dort wörtlich. Die Einsatzkräfte könnten die Fußgängerzone zwar erreichen – „im konkreten Sachverhalt müssen die Mitarbeitenden die Strecke bis zum Einsatzort jedoch zu Fuß zurücklegen“. Sofern medizinisch erforderlich, rufe der Rettungsdienst die Feuerwehr „zur gewaltsamen Öffnung der Absperrung“ hinzu. Die Fahrzeuge des Rettungsdienstes seien mit Dreikantschlüsseln ausgestattet. Entsprechende Poller könnten damit geöffnet werden, Vorhängeschlösser nicht.
Anwohner betonen, man habe keine Kenntnis, dass in all den Jahren mit der alten Regelung irgendetwas passiert sei. „Niemand will hier eine Fahrstraße, es soll sich nicht unnötig Verkehr bewegen. Aber hier werden pragmatische Dinge ad absurdum geführt. Das erzeugt viel Unverständnis“, kritisiert einer. Regelmäßig seien vor der neuen Regelung Rettungswagen bei Einsätzen in die Fußgängerzone gefahren. Man wolle Sicherheit und Rechtssicherheit.
Weil er die gefährdet sieht, hat ein Anwohner mittlerweile angekündigt, Klage gegen die Stadt einreichen zu wollen. „Wenn der Notarzt kommt, will ich nicht diskutieren müssen, wer das Schloss aufgehängt hat“, sagt er. Dem Ordnungsamt droht also noch ein juristisches Nachspiel.