Die gebürtige Freiburgerin wurde statt Frauke Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht nominiert – was die 48-Jährige früher in Baden-Württemberg trieb.
„Sigrid wer?“ - fragte man sich noch vor einigen Wochen, als die SPD ihre neue Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht lanciert hatte. Doch die Personalie Sigrid Emmenegger ist bemerkenswert: Die 48-jährige Juristin aus Freiburg im Breisgau hat nicht nur eine akademische Karriere hinter sich, sondern auch umfassende praktische Erfahrungen an verschiedenen Instanzen bis hin zum Bundesverwaltungsgericht gesammelt.
Geboren im Oktober 1976, begann Emmenegger das Studium in ihrer Heimatstadt, wo sie Rechtswissenschaft und „Euroculture“ miteinander verband – eine Kombination aus Jura und europäischen Perspektiven im Dreiländereck.
Sigrid Emmeneggers Doktorarbeit
Ihre Doktorarbeit befasste sich mit einem für Juristen eher ungewohnten rechtshistorischen bis philosophischen Thema, nämlich „Gesetzgebungskunst“ im historischen Kontext um 1900, betreut von Andreas Voßkuhle, dem späteren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts (2010-2020), bei dem Emmenegger auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Karlsruhe tätig war.
Im Anschluss führte der Weg der Voßkuhle-Schülerin zur richterlichen Tätigkeit in Rheinland-Pfalz, wo sozialdemokratische Seilschaften anders als im schwarz-gelb-grün dominierten Baden-Württemberg in der Justiz durchaus karriereförderlich sein können. Seit 2021 wirkt sie am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig insbesondere im Bereich des Verwaltungsrechts zu Fachthemen wie dem Energieleitungsbau.
Sigrid Emmenegger: „Megawatt statt Menschenrechte“?
„Megawatt statt Menschenrechte“ betitelte das juristische Magazin LTO deswegen ein Porträt, das Emmenegger nicht gerecht wird, denn die 48-Jährige war früher bei der SPD und den Jusos in Baden-Württemberg aktiv und durchaus feministisch engagiert unterwegs.
Schwer zu sagen, wie Emmenegger heute über Themen wie Abtreibung oder ein AfD-Verbot urteilen würde. Sollte es belastbare Hinweise auf Bestrebungen Richtung „Bürger erster und zweiter Klasse“, rassistische Ideologie oder auf Pläne zur Massenabschiebung von Deutschen geben, werden wohl nicht nur bei ihr allein die demokratischen Alarmglocken schrillen.
Geht es dagegen nur um den von manchen verpönten Begriff eines deutschen Staatsvolks, das sich laut Grundgesetz und Staatsangehörigkeitsrecht eben bis heute zum Teil über die Herkunft definiert, wären die juristischen Argumente für den kühlen Kopf einer erfahrenen Verwaltungsrichterin wohl etwas dünn.
Emmenegger für AfD-Verbot?
Indes stellt sich die Frage in nächster Zeit nicht, denn ganz offensichtlich will die CDU gar kein AfD-Verbotsverfahren einleiten, kokettiert mitunter sogar selbst mit dem Rechtspopulismus. Und im zuständigen 2. Senat, für den sich Emmenegger in der Tat beworben hat, wäre eine Zweidrittelmehrheit mit sechs von acht Stimmen für ein Parteienverbot nötig. Im Alleingang könnte sie also nicht entscheiden, hätte noch nicht einmal riesigen Einfluss.
Absonderlichkeiten wie die These, dass Naturgütern wie Steinen oder sogar KI-Agenten möglicherweise Grundrechte zukommen könnten (Ann-Katrin Kaufhold) waren von Emmenegger bislang übrigens nicht zu hören. Das konservative Magazin "Cicero" hat in diesem Zusammenhang auf voraufklärerische Zeiten verwiesen, in denen 1478 in Bern angeblich ein Maikäfer-Schwarm für von ihm verursachte Schäden vor Gericht angeklagt wurde.
Die Emmenegger-Nominierung erfolgte indes nach dem von manchen begrüßten Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf und wurde parteiübergreifend positiv aufgenommen – ein Beleg für fachliches Renommee und persönliche Integrität.
Ein Promotionsthema mit inhaltlichen Überschneidungen zum damaligen Freund und heutigen Ehemann Johannes Saurer – inzwischen mit eigenem Lehrstuhl für Öffentliches Recht in Tübingen und um die Jahrtausendwende Landesvorsitzender der Jusos von der eher linkeren Sorte – wäre für Emmenegger jedenfalls schon aus Gründen des intellektuellen Profils undenkbar gewesen. Das wird bestätigen können, wer sie aus Uni-Zeiten kennt. In diesem Sinn ist die Juristin trotz ihres mittleren Alters noch ein Stück „alte Bundesrepublik“.
Wer ist Sigrid Emmenegger?
- Geboren am 4. Oktober 1976 in Freiburg im Breisgau
- Studium der Rechtswissenschaften (1. und 2. Staatsexamen)
- Promotion im Bereich des Öffentlichen Rechts
- Schülerin von Andreas Voßkuhle
- Juristische Karriere in Rheinland-Pfalz
- Seit 2021 Richterin am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
- verheiratet, zwei Kinder
Neben ihrem herausfordernden Beruf ist die 48-Jährige verheiratet und hat eine Familie mit zwei Kindern. Und was das frühere Engagement betrifft: Die eine oder andere Anekdote gäbe es nach der Wahl vielleicht schon zu erzählen. Es wäre aber nichts von der ganz extremen Sorte und dürfte nach fast 30 Jahren auch „zivilrechtlich“ nahezu verjährt sein.