Vorwürfe, Gerüchte, eine Razzia und ein drohender Prozess machen Hans Georg Schuhmacher zu schaffen. Der reig’schmeckte Bürgermeister ist bei Teilen des konservativen Lagers seines Ortes nicht eben beliebt.

Spaichingen - Spaichingen im Kreis Tuttlingen kommt auch zwei Jahre nach der von Querelen und falschen Verdächtigungen begleiteten Wiederwahl von Bürgermeister Hans Georg Schuhmacher nicht zur Ruhe. Jetzt hat er gleich zweimal Ärger mit der Justiz. Eine Flut von mehr als 70 Anzeigen von Bürgern der 12 000-Einwohner-Gemeinde gegen den ehemaligen CDU-Politiker haben zu einer Razzia in Dienst- und Firmenräumen sowie zu Ermittlungen und einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Rottweil geführt.

 

Die Vorwürfe lauten auf Untreue und Rechtsbeugung. Der von Teilen des konservativen Lagers angefeindete Schuhmacher spricht von „Stimmungsmache“ und einer „gezielten Hetzjagd gegen meine Person“.

24 Beamte durchsuchen Privaträume und Büros

Am Donnerstag voriger Woche durchsuchten auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Stuttgart zeitgleich 24 Beamte Büros in Spaichingen, Hessen und München. Die Beamten gingen dem Verdacht von Bestechung und Bestechlichkeit des Bürgermeisters nach. Angeblich soll der 52-Jährige die ortsansässige Maschinenfabrik begünstigt haben.

Für eine geplante Erweiterung sollte die Stadt ein umfangreiches Engagement und einen zweistelligen Millionenbetrag erbringen, um den mit 500 Arbeitsplätzen zweitgrößten Arbeitgeber am Ort zu halten. Die Firma versprach im Gegenzug 250 neue Arbeitsplätze. Als sich der Gemeinderat sträubte, zog die Firma ins benachbarte Trossingen.

Der Aktienbesitz wurde bestätigt

Schuhmacher hatte bereits im Mai 2014 kursierende Gerüchte bestätigt, er und seine Frau besäßen Aktien der MS Industrie AG in München, des Mehrheitseigners der Spaichinger Maschinenfabrik. Das rief die Korruptionsabteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart auf den Plan. Inspiziert wurden die Diensträume Schuhmachers im Spaichinger Rathaus, seine private Wohnung in Spaichingen und sein Privathaus im hessischen Birkenau (Odenwaldkreis) sowie die Firmenzentralen in Spaichingen und München.

Schuhmacher weist den Vorwurf der Korruption zurück

Schuhmacher selbst weist den Vorwurf der Korruption zurück. Die Aktien habe er schon lange. Der Portfoliobestand sei zudem lächerlich gering. Er könne damit „in keiner Weise“ die Firmenpolitik maßgeblich beeinflussen, was jedoch entscheidend für den Vorwurf der Bestechung bzw. Bestechlichkeit sei. Er habe die Frage seiner Befangenheit auch durch die Rechtsaufsicht beim Landratsamt Tuttlingen klären lassen, die keinen Grund zu einer Beanstandung gesehen habe.

Schon vor den Kollegen in der Landeshauptstadt hatte sich die Staatsanwaltschaft Rottweil von den Vorwürfen beeindruckt gezeigt und mehr als 2000 Seiten Akten angehäuft. Im Sommer 2014 hatte sie dann Anklage wegen des Verdachts der Untreue und Rechtsbeugung gegen Schumacher erhoben. Ende März will das Landgericht Rottweil entscheiden, ob gegen Schuhmacher verhandelt wird.

Die Wucht der Verfolgung des Schultes durch die Behörden erscheint gewaltig. Bei genauerem Blick auf die „Tatbestände“ relativiert sich der Eindruck der angeblichen Rechtsverstöße jedoch ganz erheblich. Die meisten Anschuldigungen wurden eingestellt. Übrig geblieben sind drei Fälle von Untreue und von Rechtsbeugung.

Schuhmacher hatte im Oktober 2010 einen Mallorca-Urlaub unterbrochen, um an der Wiederwahl des damaligen Landrats Guido Wolf (CDU) teilnehmen zu können und sich vom Hausmeister vom Flughafen abholen und wieder hinbringen lassen. Die Fahrten seien dienstlich veranlasst gewesen, sagt Schuhmacher. Dennoch habe er sie bezahlt. Streitpunkt sei allein, ob er den Gegenwert der Arbeitszeit des Hausmeisters, der ihn gefahren habe, in Höhe von 294 Euro auch hätte begleichen sollen.

Drei Strafzettel wegen Falschparken und schnelles Fahren

In den Fällen der Rechtsbeugung soll er angeblich die Bußgeldstelle in seinem Rathaus veranlasst haben, drei Strafzettel gegen ihn einzustellen. Zweimal ging es um falsches Parken seines Dienstwagens, einmal um zu schnelles Fahren innerorts. Jedes Mal schrieben Gemeindevollzugsbeamte ihren Schultes auf. Die Sünden gibt Schuhmacher zu. Er habe sich geweigert zu zahlen, da die Vorgänge „dienstlich veranlasst“ gewesen seien. Die Fälle aber seien nicht eingestellt worden, sondern weiter in der Bußgeldstelle anhängig.

Das schwere Erbe der Teufels

Der in Bruchsal geborene Jurist hat in dem kleinen Ort einen schweren Stand. Er hatte dort das Erbe des Teufel-Clans angetreten, der vier Jahrzehnte regiert hatte. Auf den Ex-Regierungschef Erwin (1964–1972) folgte dessen Bruder Albert (1972 bis 2004). Schon bei seiner Wiederwahl vor zwei Jahren war er in einem parteiinternen schmutzigen Wahlkampf mit üblen sexuellen Verdächtigungen konfrontiert worden.

Dennoch hatte er den jungen CDU-Kreisvorsitzenden und Fastnamensvetter Tobias Schumacher mit 62,1 Prozent klar in die Schranken gewiesen. Der will sein Glück nun in Allensbach (Kreis Konstanz) versuchen. Der ungeliebte Reig’schmeckte aber wird in konservativen Kreisen weiter heftig bekämpft. „Kurz nach meiner Wiederwahl ging das mit den Anzeigen los“, sagt der Amtsinhaber. Kurz darauf war er aus Protest aus der CDU ausgetreten.

Kenntnisse von Straftaten nur „vom Hörensagen“

Als Schuhmacher im Dezember 2012 die Bürger über die „Machenschaften“ gegen ihn in einer öffentlichen Bürgerversammlung aufklären wollte, ging auch das nach hinten los. Zur Belustigung der Zuhörerschaft trug er aus den Ermittlungsakten vor, dass so mancher Anzeigenerstatter seine angeblichen Kenntnisse vom bloßen „Hörensagen“ hatte.

Als Beigabe aber gab er die Namen derer bekannt, die ihn angezeigt hatten. Beides hätte der Jurist vielleicht besser unterlassen sollen, denn im Publikum saß ein früherer Amtsrichter, der den Bürgermeister prompt anzeigte: Er habe aus Ermittlungsakten wörtlich zitiert – was verboten ist. Als Anwalt hätte Schuhmacher das wissen müssen.