Die Verabschiedung des langjährigen Marbacher Stadtrats Hendrik Lüdke am Donnerstagabend im Gemeinderat war ein hochgradig emotionaler Moment, bei dem mehr als eine Träne floss. Lüdke war mit Leib und Seele Kommunalpolitiker, erst für die Grünen, zuletzt für die links orientierte Liste Puls. Wegen einer Krebserkrankung trat er schweren Herzens den Rückzug an. Mitten in der Zeremonie, Bürgermeister Jan Trost würdigte gerade das Engagement von Lüdke, sorgte eine Zuhörerin für einen handfesten Skandal. Die Marbacherin, die sich im Frühjahr auf der Liste der AfD vergeblich um einen Sitz im Ludwigsburger Kreistag beworben hatte, verließ den Saal mit einem deutlich vernehmbaren „Sieg-Heil“-Ruf.
Zuvor hatte sie in einem fort vor sich hin geschimpft, wodurch sich ein junger Mann gestört fühlte und sie höflich, aber bestimmt bat, den Raum zu verlassen. Nach einem kurzen Wortgefecht machte sie sich schließlich auf den Weg zur Tür. Dabei äußerte sie die Nazi-Parole. Räte und Zuhörer reagierten empört, der Rathauschef kündigte sogleich an: „Das wird eine Anzeige nach sich ziehen.“
Den Worten folgten schnell Taten. Man habe schon Kontakt mit der Polizei aufgenommen, berichtet Trost am Freitagmorgen. „Die Stadt Marbach am Neckar beabsichtigt, Anzeige zu erstatten“, bestätigt Yvonne Schächtele, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums in Ludwigsburg. Die Kollegen vom Revier in Marbach hätten sich in der Sache bereits mit dem Präsidium in Verbindung gesetzt.
Das Äußern der Parole „Sieg-Heil“ fällt unter Paragraf 86 a des Strafgesetzbuches, in dem es um das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen geht. Demnach drohen bei Vergehen im Sinne des Paragrafen Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Der Fall wird nach Angaben der Polizei an die Kripo weitergeleitet, wo der Staatsschutz angesiedelt ist.
Stadt spricht ein Hausverbot aus
„So etwas kann man nicht durchgehen lassen“, betont Trost. Er weist zudem darauf hin, dass man weitere Schritte gegen die Bürgerin ergreifen und ihr im Rathaus zum neuen Jahr ein Hausverbot erteilen werde. „Sie wird bei der Verwaltung fast täglich ausfällig, krakeelt herum, belästigt die Kolleginnen und Kollegen.“ Darüber hinaus stehe man in Kontakt mit der Kommunalaufsicht und lasse prüfen, ob Leute wie sie, die „offensichtlich volksverhetzende Sachen von sich geben“, auch von öffentlichen Gemeinderatssitzungen ausgeschlossen werden können.
Wobei die Marbacherin dort in der Vergangenheit auch schon aus anderen Gründen aus dem Saal komplementiert wurde. Während Corona hatte sie beispielsweise entgegen der damaligen Vorschriften keine Maske tragen wollen.