Die Nachricht über eine um vier Jahre längere Planungs- und Bauzeit für den Ersatzbau hat die Politik in Land und Stadt aufgeschreckt. Die Gremien beraten am Montagabend über Konsequenzen.

Die Sanierung der Stuttgarter Staatstheater wird länger dauern als bisher vorgesehen. Wird sie auch teurer? Die Projektgesellschaft will neue Zahlen vorlegen. Kritiker werden sich bestätigt fühlen. Nach Berichten in unserer Zeitung über eine deutlich längere Bauzeit und höhere Kosten für die Sanierung der maroden Stuttgarter Gebäude der Württembergischen Staatstheater (WST) sollen am Montagabend (Beginn im Rathaus um 18 Uhr) die Ergebnisse der jüngsten Planungen zum Mega-Projekt auf den Tisch kommen. Die zuständige Projektgesellschaft ProWST, die die Details zum Bau untersucht hatte, will dem Verwaltungsrat der Württembergischen Staatstheater die neuen Zahlen für die Opern-Sanierung vorlegen. Außerdem tagt der ProWST-Aufsichtsrat.

 

Baubeginn 2026 vom Tisch

Nach den bisherigen Planungen sollte im Jahr 2026 mit dem Bau der Übergangsoper begonnen werden. Dorthin sollten die Opernaufführungen während der aufwendigen und etwa zehn Jahre dauernden Sanierung des alten zentralen Baus ausweichen. Das Interimsgebäude sollte bis Ende 2028 fertig sein, damit sich im Herbst 2029 der erste Vorhang öffnet.

Nun wird allgemein mit einer um bislang bis zu vier Jahre längeren Bauphase für die Übergangsoper gerechnet. Dauert allerdings dieser Bau länger, so muss der Betrieb im sogenannten Littmann-Bau - also im Opernhaus - trotz aller Kritik an dessen Zustand für weitere vier Jahre gesichert werden. Mit einer Einweihung der sanierten Oper wäre zudem erst in den frühen 2040er Jahren zu rechnen - statt zum Ende der 30er-Jahre.

Kostenexplosion erwartet

Zu den daraus entstehenden Mehrkosten über die veranschlagte eine Milliarde Euro hinaus und zu den Gesamtkosten für das ganze Projekt gibt es seit einiger Zeit keine gesicherten Angaben. Kritiker befürchten allerdings bereits, die Sanierung könnte zu einem ähnlichen Milliardengrab werden wie der Stuttgart-21-Tiefbahnhof, der keinen Kilometer von der Oper entfernt gebaut wird.

Stadt und Land vereinbarten 2021 im Grundsatz, den Littmann-Bau im Oberen Schlossgarten zu sanieren. Das angrenzende Verwaltungs- und Kulissengebäude soll abgerissen und neu gebaut werden, zudem ist ein Anbau an das Kulissenlager auf dem Cannstatter Zuckerfabrikareal geplant.

Beschlossen ist auch der Bau der Interimsspielstätte im künftigen Stadtteil Rosenstein. Er soll auch der Einstieg sein in das dort geplante Quartier „Maker-City“, das als Pilotprojekt für Wohnen, Arbeiten und Kultur geplant ist. Ein großer Teil der Ausweichspielstätte soll später erhalten bleiben.

Stadtverwaltung als Sündenbock?

Es ist damit zu rechnen, dass Vertreter des Landes erneut die Stadtverwaltung für die Zeitverzögerung verantwortlich machen, schließlich ist die Interimsoper ihr Projekt. Bereits 2022 hatte es Kritik an OB Frank Nopper (CDU) gegeben, in diesem Jahr noch Verwaltungsratsvorsitzender, weil die damals im Zuge des Vorprojektbeschlusses bekannt gewordene Verzögerung um ein Jahr auf Ende 2028 nicht kommuniziert worden war. Nopper versuchte damals, die Bedeutung der Aussagen herunterzuspielen, indem er sie „sogenannten Experten und Insidern“ zuschrieb. Ausweislich des Protokolls der Ausschusssitzung war es aber sein Hochbauamtsleiter Peter Holzer, der gesagt hatte, die Spielstätte werde 2027 – zur Internationalen Bauausstellung – nicht fertig. Denkbar sei allenfalls, das ebenfalls geplante Wohnungsbauprojekt zu starten.

Die Ratsvorlage zur Erschließung des so genannten C1-Areals im Rosensteinviertel zeigt, wie weit die Verwaltung mit dem Vorhaben im Rückstand ist. Damals sollte die Vergrämung der Eidechsen auf den Baufeldern in den Jahren 2023 und 2024 erfolgen – damit wurde aber noch nicht einmal begonnen. Allerdings musste man an verschiedenen Standorten erst einmal Habitate für die schützenswerte Tiere schaffen.

Gewaltiger Planungs- und Erschließungsaufwand

Mit den Hochbauten sollte laut der Ratsvorlage vom Februar 2022 Mitte 2025 begonnen werden. Davon ist man aber noch weit entfernt, denn die Freimachung des Geländes kann jetzt erst beginnen. Die Erschließung hat es allerdings auch in sich, betrifft sie doch nicht nur die Interimsoper mit ihren drei Gebäudeteilen, sondern das ganze Quartier, in dem auch Wohnungsbau vorgesehen ist. Sie beinhaltet den Bau von Straßen, sämtliche Versorgungsleitungen sowie Grün- und Freiraumanlagen. Vor der Umsetzung stehen die Ausschreibung der Leistungen und die Auftragsvergabe. Außerdem musste die Übergabe der Aufgaben von der Stadtverwaltung an die Projektgesellschaft vorgenommen werden.

Bei der Tagung des Verwaltungsrats am Montag (18. November) wird zwar nichts entschieden. Mit einem angepassten Zeitplan, an dem sich auch eine Kostensteigerung ablesen lassen könnte, dürften aber die Karten neu gemischt und eine weitere Debatte über Sinn, Zweck und Ausmaß des Projekts angeheizt werden.

Kritiker fordern Neuplanung

Vor allem der Steuerzahlerbund und die politische Opposition fordern ein Innehalten und Alternativen, weil mit gestiegenen Kosten auch neue Tatsachen geschaffen würden. „Das ist jetzt eine andere Geschäftsgrundlage und deshalb sollte man sich noch einmal zusammensetzen“, sagt der Landeschef des Steuerzahlerbunds, Eike Möller.

Denkbar wäre aus Sicht der Kritiker ein Opern-Neubau, den die Stadt aber ablehnt. Für die Opernsanierung fordern die Gegner der Pläne eine abgespeckte Version, dazu gehört auch ein Verzicht auf eine kostspielige Kreuzbühne, die schnellere und einfachere Bühnenbildwechsel ermöglichen würde.

Opernhaus heruntergewirtschaftet

Schon vor zwei Jahren hatten Regierungskreise eine Verdopplung der Sanierungskosten nicht ausgeschlossen. Bislang war offiziell von bis zu einer Milliarde Euro die Rede - inklusive Risikopuffer und im ungünstigsten Fall. Stadt und Land teilen sich als Träger des größten Drei-Sparten-Hauses der Welt die Kosten, allerdings übernimmt die Stadt die Baukosten für die Ausweichstätte. Das Land stimmt erst später ab, ob es definitiv einsteigt.

Die Sanierung des mehr als 100 Jahre alten Opernhauses im Stuttgarter Schlossgarten steht außer Frage. Das Haus ist schlicht heruntergewirtschaftet, es platzt zudem aus allen Nähten. Unter anderem wird mehr Platz zum Beispiel für Proberäume benötigt, das Dach aus dem Jahr 1911 ist marode, die Bühnentechnik veraltet und die Gastronomie nicht mehr zeitgemäß. Verlängert sich nun die Bauzeit, müsste dort trotz aller Warnungen vor mangelnder Sicherheit vier weitere Jahre für Hochkultur gesorgt werden.