Wahlrechtsreform Schrille Töne in Debatte um XXL-Landtag
„Fake News“ und „Populismus“ – Abgeordnete wehren sich gegen Kritik am Wahlrecht. Die Fraktionschefs von Grünen und CDU zeigen sich gesprächsbereit. Die FDP geht auf Konfrontationskurs.
„Fake News“ und „Populismus“ – Abgeordnete wehren sich gegen Kritik am Wahlrecht. Die Fraktionschefs von Grünen und CDU zeigen sich gesprächsbereit. Die FDP geht auf Konfrontationskurs.
Das neue Jahr hatte kaum begonnen, da kam das lästige Thema aus dem alten schon wieder auf die Tagesordnung. Droht nach der Wahl 2026 in Baden-Württemberg ein XXL-Landtag mit 200 oder mehr Abgeordneten? Dazu waren die Chefs der Regierungsfraktionen gleich nach den Klausuren im Januar gefragt.
Einen Aufhänger dazu hatte der Grünen-Abgeordnete Markus Rösler geliefert. Als „Fake News des Jahres“ rügte er gegenüber Medien die Behauptung, das Parlament werde wegen des neuen Wahlrechts „automatisch größer“. Mit „pauschalen Falschaussagen“ mache besonders die FDP Stimmung und verunsichere die Menschen im Land. Tatsächlich, so Rösler, könne der Landtag sogar kleiner werden. Er habe vom Statistischen Landesamt verschiedene Varianten durchrechnen lassen, mit eben diesem Ergebnis.
Ob er auch von Fake News sprechen würde? „Mit solchen Begriffen“, erwiderte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz, „bin ich immer etwas vorsichtig.“ Fakt aber sei, dass das Parlament (derzeit 154 Abgeordnete statt der Sollgröße von 120) „nicht zwingend“ größer werde. Im „sehr unwahrscheinlichen“ gegenteiligen Fall, für dessen Eintreten es aber „keine Indizien“ gebe, könne man das Wahlrecht nach 2026 nochmals überprüfen. Dann käme etwa eine „Plafondierung“ in Betracht, also eine Obergrenze wie beim Bundestag. Ab welcher Größe? Das ließ Schwarz unbeantwortet.
Sein CDU-Kollege Manuel Hagel war da schon deutlicher: 160 Mandate hatte er als Schwelle zum Handeln genannt. Nun betonte er, 120 seien „genau die richtige Größe“. Wenn der Landtag wirklich wachse, dann könne man „mit uns jederzeit reden“. Eine Regel wie im Bund, wo direkt gewählte Abgeordnete womöglich keinen Sitz erhielten, wolle die CDU aber keinesfalls, betonte der Fraktionsgeschäftsführer Andreas Deuschle. Einstweilen, bat Hagel, möge man auf Schmähbegriffe wie „Bläh-Landtag“ verzichten.
Auch bei den Christdemokraten äußern sich Parlamentarier weitaus weniger diplomatisch als ihre Frontleute. „Aufgebauschter Populismus“ seien die Warnungen vor einem zu teuren Landtag, schrieb der Reutlinger Manuel Hailfinger an Bürger. Wenn man es gut meine mit der Demokratie, müsse man die Volksvertretung „stärken und nicht schwächen“. Sparpotenzial gebe es eher beim Beamtenapparat der Exekutive, der ungleich stärker gewachsen sei. Man möge damit aufhören, so Hailfinger, den Landtag „schlechtzureden“.
Wenn eine Vergrößerung so unwahrscheinlich ist, warum trifft Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) dann umfassende Vorsorge dafür? Fraktionschef Schwarz ließ diese Frage unbeantwortet. Rösler dagegen befand, Aras sei dafür „ausdrücklich zu loben“. Nichts zu tun wäre „verantwortungslos angesichts der Tatsache, dass realistische Möglichkeiten von mehr Fraktionen und mehr Abgeordneten (…) als bisher existieren“. Also doch keine Fake News?
Rösler wolle die Leute „für dumm verkaufen“, konterte der FDP-Landeschef Hans-Ulrich Rülke. Die Liberalen behaupteten gar nicht, dass das neue Wahlrecht das Parlament automatisch vergrößere. Es begünstige aber eine Vergrößerung, wie Experten dargelegt hätten. Die von dem Grünen angeführten Berechnungen seien zudem wenig belastbar. Als beste Vorsorge gegen einen XXL-Landtag unterstütze die FDP daher das laufende Volksbegehren, das die Zahl der Wahlkreise deutlich reduzieren wolle.
Doch dessen Chancen schwinden zusehends. Bis zum Fristende am 11. Februar müssten die Initiatoren um den Pensionär Dieter Distler etwa 770 000 Unterschriften sammeln. Zum Jahresende waren es laut Distler erst 92 408; es wäre also noch ein gewaltiger Endspurt nötig. Die Parteien nutzen das Thema derweil schon im Vorwahlkampf: Wer den Landtag möglichst klein halten wolle, müsse CDU wählen, empfiehlt Fraktionschef Hagel. Dämpfend würde es sich auch auswirken, rät der Grüne Rösler, wenn die FDP rausflöge.