Ab 2026 schreibt die Bundeswehr alle jungen Männer ab Jahrgang 2008 an. Sie müssen einen Fragebogen ausfüllen, Frauen können das freiwillig tun. Ab 2027 ist eine verpflichtende Musterung vorgesehen – zunächst ebenfalls nur für die Jahrgänge ab 2008.

Digital Desk: Katrin Jokic (kkl)

Der russische Angriff auf die Ukraine hat die sicherheitspolitische Lage in Europa grundlegend verändert. Die NATO drängt ihre Mitgliedstaaten stärker, ihre Verteidigungsfähigkeit auszubauen. Für Deutschland bedeutet das, die Truppenstärke deutlich zu erhöhen, um im Ernstfall handlungsfähig zu sein.

 

Verteidigungsminister Boris Pistorius beziffert den aktuellen Mangel auf rund 60.000 Soldatinnen und Soldaten. Die bisherigen Anstrengungen zur freiwilligen Personalgewinnung reichen nicht aus – deshalb soll ein neues Wehrdienstmodell die Lücke schließen.

Was ist der neue Wehrdienst?

Der neue Wehrdienst ist keine Rückkehr zur klassischen Wehrpflicht, sondern ein hybrides Modell mit freiwilligen und teils verpflichtenden Elementen.

Ab 2026 erhalten alle jungen Männer ab Jahrgang 2008 Post von der Bundeswehr. Sie sind verpflichtet, einen Online-Fragebogen auszufüllen. Darin werden unter anderem Angaben zur Gesundheit, Ausbildung und zur Bereitschaft für den Dienst abgefragt. Frauen erhalten denselben Brief, sind zur Beantwortung jedoch nicht verpflichtet.

Ab dem 1. Juli 2027 sollen dann schrittweise verpflichtende Musterungen für diese Jahrgänge folgen. Ziel ist ein Lagebild über die gesundheitliche Eignung der wehrpflichtigen Männer.

Neuer Wehrdienst: Welches Alter ist betroffen?

  • Pflicht zur Auskunft: Nur Männer, die nach dem 31. Dezember 2007 geboren wurden, sind verpflichtet, den Fragebogen auszufüllen.
  • Freiwillige Teilnahme: Frauen und Männer der Jahrgänge 2001 bis 2007 können freiwillig eine sogenannte Bereitschaftserklärung abgeben, sind aber nicht verpflichtet.
  • Musterung: Gilt ab 2027 verpflichtend, aber ebenfalls nur für Männer ab Jahrgang 2008.

Eine Ausweitung auf ältere Jahrgänge ist nur im Spannungs- oder Verteidigungsfall oder durch eine Sonderverordnung mit Zustimmung des Bundestags (§ 2a WPflG) möglich.

Welche Leistungen und Bedingungen gelten?

Wer sich verpflichtet, wird sofort als Zeitsoldat eingestuft – bislang galt das erst ab zwei Jahren Verpflichtung. Dadurch erhalten die Freiwilligen deutlich höheren Sold, mehr als 2.000 Euro netto im Monat, sowie weitere Vergünstigungen.

Der Dienst dauert mindestens sechs Monate, kann aber verlängert werden. Eingesetzt werden die Rekruten zunächst vor allem im Heimatschutz – etwa zur Sicherung, Überwachung oder Unterstützung bei zivilen Notlagen. Zusätzlich gibt es Ausbildungsangebote: Lkw-Führerschein, Drohnenschulungen, Sprachkurse oder verpflichtungsgebundene Prämien.

Kann man den Wehrdienst verweigern?

Solange es bei einem freiwilligen Modell bleibt, gibt es kein klassisches Verfahren der Kriegsdienstverweigerung (KDV). Wer nicht will, kann das im Fragebogen angeben – ohne Konsequenzen.

Sollte aber später die Wehrpflicht per Bundestagsbeschluss aktiviert werden, würde auch das Recht auf KDV wieder vollumfänglich gelten – samt möglichem Zivildienst.

Gilt der Wehrdienst auch für Frauen?

Nein. Zwar erhalten auch Frauen den Fragebogen, ihre Teilnahme ist aber freiwillig. Eine gesetzlich verpflichtende Einziehung ist nicht vorgesehen. Für eine Wehrpflicht für Frauen müsste das Grundgesetz geändert werden – dafür fehlt aktuell jede politische Mehrheit.

Wann wurde die Wehrpflicht abgeschafft?

Die Wehrpflicht wurde 2011 unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg per Bundestagsbeschluss ausgesetzt, aber nicht abgeschafft. Sie ist weiterhin im Grundgesetz verankert und kann mit einfacher Parlamentsmehrheit reaktiviert werden.

Kommt die Wehrpflicht zurück?

Ziel des neuen Modells ist es, den Personalbedarf über Freiwillige zu decken. Bis 2030 sollen über 100.000 junge Menschen den neuen Wehrdienst absolviert haben und später der Reserve zur Verfügung stehen.

Wenn sich jedoch nicht genug Freiwillige melden, kann der Bundestag mit einfacher Mehrheit eine verpflichtende Einberufung per Verordnung beschließen – auch ohne Spannungs- oder Verteidigungsfall. Das Gesetz enthält dazu eine klare Regelung in § 2a WPflG.

Einen Automatismus gibt es aber nicht: Während CDU und CSU auf klare Zielmarken und einen Pflichtmechanismus drängen, setzt die SPD auf einen attraktiven Start über Freiwillige.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf am 27. August 2025 beschlossen. Die Beratung im Bundestag folgt im Herbst. Ziel ist, dass das Gesetz noch 2025 verabschiedet wird und ab 2026 gilt.

Langfristig soll die Truppenstärke auf 260.000 aktive Soldaten plus 200.000 Reservisten wachsen – insgesamt 460.000 einsatzbereite Kräfte.