Welterbestätte im Lonetal Archäopark zur Vogelherdhöhle verrottet vor sich hin

Auch die lebensechte Nachbildung eines Wollhaarmammuts, ausgeführt einst mit Pferdehaaren, verrottet. Foto: Rüdiger Bäßler

Zehn Jahre lang rückte der Archäopark die Unesco-Welterbestätte Vogelherdhöhle mit ihrer einzigartigen Steinzeitkunst ins Licht. Dann kam das Aus. Längst hat der Keltenkult für die Landesregierung oberste Priorität. Nun folgt wohl das Aus für die Forschung.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Jetzt schmeißt auch Hermann Mader hin. Mehr als ein Jahrzehnt war der frühere Heidenheimer CDU-Landrat Vorsitzender des Fördervereins Eiszeitkunst im Lonetal, sammelte mit vielen Begeisterten Spenden für den Archäopark, diesem Erlebnisgelände mit wissenschaftlichem Anspruch. Hinein ging es durch ein Besucherzentrum aus Sichtbeton, unaufdringlich eingefügt in einen grünen Hügel vis-à-vis der Vogelherdhöhle. In der „Schatzkammer“ des Gebäudes schimmerte hinter Panzerglas das hier entdeckte 40 000 Jahre alte Mammut vom Vogelherd. Längst ist der Eingang verriegelt. „Wir werden unseren Verein auflösen“, sagt Mader (70). „Das war’s halt.“

 

Eine Historienschau mit erheblichen öffentlichen Steuermitteln bauen und sie nach einer Dekade und dem erfolgreichen Eintrag in die Unesco-Welterbeliste dicht machen – so ein Vorgehen dürfte in der Geschichte Baden-Württembergs einmalig sein. 2,6 Millionen Euro netto betrugen die Baukosten bei der Eröffnung am 1. Mai 2013. Das Geld kam von der Kleinstadt Niederstotzingen, auf deren Gemarkung der Archäopark liegt, aber auch vom Land und der Europäischen Union. Über die Jahre summierten sich die Aufwendungen auf geschätzt gut vier Millionen Euro. Dazu kamen Spenden von Firmen und Privatleuten, die Mader mit rund 1,7 Millionen Euro beziffert. Die Enttäuschung der Ehrenamtlichen sei riesig.

Es ging auch einmal um Strukturförderung

Für den Niederstotzinger Bürgermeister Marcus Bremer, der 2016 den Eiszeit-Enthusiast Gerhard Kieninger beerbte, ist der Geschichtsort selber Geschichte: „Es gibt keine Aussicht auf einer Wiedereröffnung des Archäoparks.“ Er verweist auf den Schließungsbeschluss des Gemeinderats vom November 2022, nachdem „intensive Gespräche“ mit dem Land zur Übernahme von Kosten gescheitert seien. Danach kam die Anlage nicht mehr aus der Winterpause zurück. Das jährliche Minus, dramatisch erhöht durch die Corona-Zwangsschließungen, drohte den Haushalt der 5000-Einwohner-Stadt in die Tiefe zu ziehen. Die Rückbauarbeiten dauerten an, heißt es.

En vogue sind jetzt die Kelten

Das letzte Angebot des Landes 2022 lautete, am Archäopark einen Dienstsitz des Landesamts für Denkmalpflege (LAD) mit angeschlossenem Höhleninformationszentrum der Landesdenkmalpflege einzurichten. Das hätte ein wenig Personalpräsenz gebracht und der Stadt eine Jahresmiete in Höhe von 35 000 Euro. Für die Kommune, die zuletzt 300 000 Euro pro Jahr auf den Park drauflegen musste, viel zu wenig. Die finalen Verhandlungen begleiteten auch Vertreter des 2021 neu geschaffenen Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnungsbau unter Leitung von Nicole Razavi (CDU).

Ihr Ressort soll Bauvorhaben bekanntlich beschleunigen. Im Fall Archäopark kam es zur beschleunigten Schließung. Die „Entscheidung der Gemeinde akzeptieren wir“, sagt ein Sprecher des Ministeriums knapp. In den Augen des Ministeriums ist der Archäopark „nicht konstitutiver Teil der Welterbestätte“. Mal wird das Areal als „Freigelände mit Aktivitätszonen“ bezeichnet, dann wieder als „kommunaler Erlebnispark“.

Ganz anders klingt das ministerielle Wording beim 2019 ins Leben gerufenen Projekt „Keltenland Baden-Württemberg“, mit der Heuneburg bei Herbertingen im Zentrum. Sie liegt ganz in der Nähe des Heimatorts von Winfried Kretschmann. Hier, so der Ministerpräsident schon 2019, biete sich „auch die Chance einer gezielten kulturellen Förderung des ländlichen Raums“. Den Ehrenamtlichen zollte er „hohen Respekt“. Allein für einen ersten Bauabschnitt der geplanten Heuneburg-Schau flossen vier Millionen Euro. Dazu kommen ständige Projektgelder für die Landesarchäologen.

Die SPD opponierte über Monate vergeblich

Der SPD-Fraktionschef im Landtag und Heidenheimer Abgeordnete Andreas Stoch ist sauer. Vergeblich forderte er eine Übergangsfinanzierung für den Archäopark. Das Keltenprojekt werde mit Landesmillionen gefüttert. „Aber von der kleinen Stadt Niederstotzingen wird erwartet, dass sie sich alleine ums Unesco-Welterbe kümmert.“ Die ganze Region dort bekomme die „Missachtung durch die Landesregierung“ zu spüren.

Konsterniert äußert sich der baden-württembergische Chefwissenschaftler in Sachen Eiszeitkunst, Nicholas Conard von der Universität Tübingen. Unter seiner Leitung sind in den vergangenen bald drei Jahrzehnten alle maßgeblichen Höhlenfunde im Achtal und Lonetal gemacht worden. Er sagt: „Ich bin Baden-Württemberger aus Überzeugung. Und ich bin niemand, der Dinge schlechtredet. Aber die Lage am Archäopark ist völlig misslungen. Das Land Baden-Württemberg sieht leider schlecht aus.“

Hinweise auf ein verdecktes Konkurrenzverhältnis?

An den Verhandlungen über mögliche Hilfen des Landes für den Archäopark sei er als dessen amtierender wissenschaftlicher Direktor nie beteiligt worden. Dabei hätte er, sagt der Tübinger, Ideen zur Lösung der Finanzprobleme am Archäopark gehabt, ohne dass das Land selber ins Museum hätte einsteigen und einen Präzedenzfall schaffen müssen – eine Angliederung ans Urgeschichtliche Museum Blaubeuren zum Beispiel, oder an die Universität Tübingen. „Es ging nicht um große Summen.“

Vorbei. Im Archäopark verrottet das Mobiliar, so etwa Original-Nachbauten steinzeitlicher Hütten oder das vier Meter hohe Wollhaarmammut, 2020 noch gespendet vom mittlerweile verstorbenen ehemaligen Voith-Chef und früheren Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Michael Rogowski und dessen Ehefrau Gabriele. Im Juli vergangenen Jahres trat der Landkreis Heidenheim aus der Arbeitsgemeinschaft Weltkultursprung aus, deren Büro in Ulm sich um eine touristische Vermarktung aller Unesco-Höhlen bemüht.

Stoch hofft jetzt auf die nächsten Wahlen

Conard kündigt an: „Dieses Jahr ist vermutlich das letzte, das wir im Lonetal graben werden.“ Seit der Schließung des Archäoparks stehe kaum noch jemand hinter dieser Forschung. „Kein Bürgermeister, kein Landrat, keine der ehemaligen Firmen oder Spender, die jahrzehntelang die Forschung mit Leidenschaft unterstützt haben.“ Stoch will hingegen weiter für den Archäopark kämpfen. „Nach der nächsten Landtagswahl 2026 muss das Thema wieder auf den Tisch.“ Mit dem Ehinger CDU-Landtagsfraktionschef Manuel Hagel habe er sich deswegen schon vielversprechend ausgetauscht.

Der Archäopark ebnete den Weg in die Welterbeliste

Trockental
 Die Lone entspringt in Urspring (Alb-Donau-Kreis) und mündet nach 30 Kilometern in die Hürbe, einem Brenz-Zufluss. Der Bach führt immer seltener Wasser, das Lonetal gilt als eines der längsten Trockentäler in Deutschland.

Ausstellung
 Der Archäopark Vogelherd wurde 2013 als familienfreundliche Ausstellung eröffnet, in der man Speere werfen, Feuer machen und im Sand nach Schätzen suchen konnte. Bis zur Schließung 2022 kamen jährlich 35 000 Besucher.

Exponate
 Bei Grabungen an der Vogelherdhöhle war 2006 das berühmte Vogelherd-Mammut gefunden worden. Die 3,6 Zentimeter große 40 000 Jahre alte Figur aus Mammutelfenbein gilt als ältestes vollständig erhaltenes figürliches Kunstwerk der Menschheit. Der Archäopark war mitursächlich dafür, dass im Jahr 2017 sechs Höhlen der Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb in die Unesco-Welterbeliste eingeschrieben wurden.

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