Aus Baden-Württemberg „Fremdenfeindlich und rassistisch motiviert“: AfD-Mann ist Job im Bundestag los

Als „Koordinator Sicherheit“ war Philipp R. bis vor Kurzem für die AfD-Bundestagsfraktion tätig (Symbolbild). Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Ein AfD-Mitglied aus dem Bodenseekreis darf nicht mehr für die Bundestagsfraktion arbeiten. In seinem Ortsverband ist er aber wohl weiter tätig.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Die AfD-Bundestagsfraktion hat bis vor kurzem einen vorbestraften Mann als „Koordinator Sicherheit“ beschäftigt. Diesen Posten ist Philipp R., der aus Baden-Württemberg kommt, nun los. Der Vertrag ist laut übereinstimmenden Medienberichten aufgelöst.

 

Der ausgebildete Rettungssanitäter und Reservist der Bundeswehr war bei Veranstaltungen der AfD auf Bundes- und lokaler Ebene als Mittelsmann zwischen Partei, Organisatoren und Sicherheitsdiensten tätig – nun nicht mehr. Auf seine Arbeit auf kommunaler und Kreisebene hat das aber bislang offenbar keine Auswirkungen.

Der 38-jährige Philipp R. war im Dezember 2022 vom Amtsgericht Tettnang verurteilt worden. Das Urteil, das zu großen Teilen vom Landgericht Ravensburg in zweiter Instanz bestätigt wurde, liegt unserer Redaktion vor. Laut den Gerichtsunterlagen hatte R. Anfang 2022 zwei jugendliche Bewohner einer Asylbewerberunterkunft in Friedrichshafen eingeschüchtert, rassistisch beleidigt und mit einer Schreckschusswaffe bedroht. Er gab einen Warnschuss ab. Dass er auf die Männer direkt gezielt hatte, konnte vor Gericht nicht bewiesen werden.

R. beteuert, er sei „nicht ausländerfeindlich“

Kurz darauf hielt ihn die Polizei an, R. hatte mehr als 1,8 Promille Alkohol im Blut. Die Beamten fanden in seinem Wagen die Schreckschusspistole, Munition, Magazine sowie einen Schlagring und Pfefferspray. Wegen Bedrohung, unerlaubtem Waffenbesitz und Trunkenheit im Verkehr wurde er zu einer Geldstrafe von 175 Tagessätzen zu je 50 Euro (8750 Euro insgesamt) verurteilt. R. musste obendrein seinen Führerschein abgeben. Nach dem Urteil in zweiter Instanz im vergangenen Jahr ist es rechtskräftig.

Die Trunkenheitsfahrt tue ihm leid, gab R. vor Gericht an. Er sei „nicht ausländerfeindlich“ und habe „definitiv keinen rechtsradikalen Hintergrund“. Chats, die auf seinem Handy gefunden wurden, lassen aber einen anderen Schluss zu. Unter anderem war R. Teil einer Chatgruppe mit dem Namen „1888“ – ein Zahlencode aus der rechten Szene. Die Zahl 18 steht für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets, „Adolf Hitler“, und die „88“ für „Heil Hitler“. „In der Gruppe wurden Bilder mit volksverhetzendem Inhalt sowie darüber hinaus makabere Filme mit menschenverachtenden Tendenzen geteilt“, heißt es im Urteil. Philipp R. hatte zudem volksverhetzende Memes geliked oder kommentiert. „Mir gefällt Fußball. Weil es noch die einzig legale Art ist, einen N*ger zu kaufen“, lautet eines. Ein anderes: „Kochen mit Adolf – Schritt1: Gas aufdrehen“.

Das Gericht kam letztlich zu dem Schluss, dass „die Taten des Angeklagten in weit überwiegendem Maße fremdenfeindlich und rassistisch motiviert waren“. R. sympathisiere „erkennbar mit dem menschenverachtenden Weltbild der Nationalsozialisten“ und verharmlose „die Ansichten in erheblichem Umfang“.

Laut einem Bericht des „Südkuriers“ habe die Veröffentlichung der Aktivitäten in den Chatgruppen die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses im Bundestag „beschleunigt“. Demnach soll R. gute Kontakte zu Parteichefin Alice Weidel pflegen.

Immer noch im Kreisverband aktiv?

Auf seine Arbeit im Kreisverband Bodenseekreis der AfD hat das alles offenbar keine Auswirkung. Philipp R. ist nach wie vor als Beisitzer des Kreisvorstands auf der Webseite zu finden, dem Wahlkreis von Parteichefin Weidel. Im Ortsverband Bodenseekreis-Mitte ist R. sogar Vorsitzender. Der Kreisverband hat sich auf mehrfache Anfrage unserer Redaktion nicht zu dem Fall geäußert. Ob R. Parteiordnungsmaßnahmen drohen, ist ebenfalls nicht bekannt.

Auch der Landesvorsitzende Markus Frohnmaier (Wahlkreis Böblingen) äußerte sich auf Anfrage nicht. Zuletzt hatte sich Frohnmaier, der zum Weidel-Lager gezählt wird, von extremen Kräften innerhalb des Landesverbands distanziert. Konkret ging es um den Fall der Abgeordneten Christina Baum, die nicht mehr auf der Landesliste im Südwesten kandidieren durfte.

Zu AfD-Chefin Weidel soll R. einen guten Draht haben. Foto: AFP

Philipp R. gehörte offenbar auch zu der Gruppe von AfD-Mitarbeitern, denen der Bundestag im vergangenen Monat den Hausausweis entzogen hatte. „Bei allen abgelehnten Antragstellern erschien es möglich, dass das Betreten der Liegenschaften des Bundestages mit einem Hausausweis zu verfassungsfeindlichen Zwecken missbraucht werden könnte“, hieß es in der Begründung.

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner argumentierte mit einer „Vielzahl und Schwere der sicherheitskritischen Erkenntnisse zu den betreffenden Abgeordnetenmitarbeitern“, die die „Ablehnung ihrer Anträge zwingend erforderlich“ machten. Die AfD-Bundestagsfraktion war bei der Einstellung von Philipp R. als „Sicherheitschef“ offenbar noch zu einem anderen Schluss gekommen – obwohl er zu dem Zeitpunkt bereits verurteilt war.

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