Die Allianz-Versicherungen setzen an einem neuen großen Standort in Stuttgart-Vaihingen auf die Zukunft des Büros. Was beim zweitgrößten Stuttgarter Projekt nach Stuttgart 21 an den Bahnhof erinnert.
Warum der massige Bürokomplex am Bahnhof in Stuttgart-Vaihingen den inoffiziellen Titel der zweitgrößten Stuttgarter Baustelle nach Stuttgart 21 trägt, versteht man, wenn man am Ende der Fußgängerbrücke von den Gleisen auf die drei Gebäude blickt: 4500 Mitarbeiter werden sich hier vom Sommer 2025 an 3200 Büroarbeitsplätze teilen – auf 75 000 Quadratmetern. Nach München ist es der zweitgrößte Standort des Konzerns. Für die Baukosten wird nur vage ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag genannt.
Lichtaugen über verborgener Sporthalle
Immerhin lockern leicht geschwungene Fassaden am 17-stöckigen Hauptgebäude und den fünf beziehungsweise fünfeinhalb Etagen hohen Nebengebäuden den Eindruck etwas auf. Das soll die Luftzirkulation verbessern. Denn das seit 2021 errichtete Großvorhaben auf einem der Allianz gehörenden Grundstück, wo es zuvor Sportplätze und eine Turnhalle gab, war in der Planungsphase nicht unumstritten. Ein öffentlicher Park auf dem Areal soll künftig einen gewissen Ausgleich für die verlorenen Freiflächen schaffen. Die Sportplätze wurden einige Hundert Meter weiter auf ein anderes Gelände verlagert.
Wegen der sportlichen Vorgeschichte gibt es eine Besonderheit: eine unterirdische Sporthalle mit separatem Eingang. Sie ist nur zu erahnen, weil auf dem Vorplatz einige Lichtaugen verteilt sind, die ähnlich dem künftigen Stuttgarter Bahnhof unterirdisch Tageslicht hereinlassen.
Und auch ein weiteres, großes Lichtauge, das mit geschwungenen Glasscheiben in zwölf Meter Höhe die Eingangshalle überwölbt, weckt mit den weißen Linien von Brüstungen, Säulen und Wänden eine leichte Assoziation an den Architekturstil von Stuttgart 21. Die Dimensionen hier sind den Planungen vor Corona geschuldet. Eigentlich sollten auf einem zwischenzeitlich weiterverkauften Drittel des Grundstücks weitere Gebäude entstehen. Doch der Trend der Beschäftigten zum Homeoffice machte das zur Makulatur.
Das Betriebsrestaurant wird Ort für Meetings
„Wir wollen aber keine Flächen, welche die meiste Zeit des Tages ungenutzt bleiben“, sagt Thomas Lutz, Gesamtleiter des Projekts. Und so sind die 700 Plätze im zentralen Betriebsrestaurant außerhalb der Essenszeiten als Besprechungszone deklariert: „Auch bei der Planung der Büroflächen wurden mehr Räume integriert, die den Austausch ermöglichen.“
Die Allianz Lebensversicherung AG, die als größter Nutzer mit 19 weiteren, kleineren Konzerngesellschaften den Bürokomplex bevölkern wird, folgt bislang nicht dem Trend, die Mitarbeiter mehr in die Büros zurückzubeordern, wie dies Bosch, Mercedes oder die Schwarz-Gruppe (Lidl) aktuell tun.
Teams organisieren ihr Büroleben selbst
„Die Teams sollen selbst eine eigene Bürocharta entwickeln“, sagt Sabrina Brenner, Personalleiterin der Allianz für die Hauptverwaltung. Wer wann im Büro arbeitet, wie die Räume verteilt und genutzt werden, soll selbstständig organisiert werden. Nur eines ist vorgegeben: Einmal in der Woche müssen alle Teammitglieder an einem Tag gemeinsam im Büro sein. Das werde nicht zwangsläufig der Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag, sagt Projektleiter Lutz: „In meinem Team in München ist es der Montag – und als Pendler, der an einem Tag unterwegs ist, wo tendenziell weniger Verkehr ist, lernt man das schnell zu schätzen.“
Parkplätze werden reserviert, Schreibtische nicht
Reserviert werden müssen die Arbeitsplätze nicht. „Eine Reservierungspflicht macht die Dinge auf gewisse Weise schon wieder ein bisschen unflexibel“, sagt Sabrina Brenner, eine von zwei Personalleitern am Standort. Nur die laut Baugenehmigung auf 580 Plätze limitierten Stellplätze in der Tiefgarage müssen gebucht werden. Man setzt auf die direkte Anbindung an mehrere S-Bahn- und Stadtbahnlinien. Zudem gibt es eine Fahrradgarage mit 350 Plätzen.
Auf einem Stockwerk wurde probeweise die Büroeinrichtung installiert. Sie spiegelt wider, wie man sich bei der Allianz das Arbeiten der Zukunft vorstellt: in einer Kombination aus Großraumcharakter und Viererbüros. Zwischen den Schreibtisch-Vierergruppen liegen Rückzugsräume und gliedern die Flächen auf. „Wir denken, dass wir die Arbeitsplätze so attraktiv gemacht haben, dass die Leute von sich aus gerne ins Büro kommen“, sagt Projektleiter Lutz. Dazu gehört etwa eine auf Anregung der Mitarbeiter eingerichtete, kleine Einkaufsmöglichkeit, wo man vor dem Heimweg dringende Kleinigkeiten besorgen kann.
Allianz sieht neue Balance in der Büronutzung
Eine Kindertagesstätte gibt es nicht. „Auch wegen des Homeoffice ist es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Regel lieber, wenn der Kitaplatz in der Nähe vom Zuhause ist, als dass man extra ins Büro fahren muss, um sein Kind in die Betreuung zu geben“, sagt Brenner. Nach der Eröffnung wird die Allianz ihre Standorte in der Innenstadt etwa an der Reinsburg- und an der Uhlandstraße, wo man im Gegensatz zu Vaihingen nur Mieter war, komplett aufgeben.