Die Stadt hat das frühere Wohnhaus der Stuttgarter Schriftsteller Margarete Hannsmann und Johannes Poethen verkauft und richtet ein Literaturstipendium ein, das an die beiden Dichter erinnert. Die Debatte um ein Museum und um ausstehendes Geld ist beigelegt.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart hat das Wohnhaus der Dichterin Margarete Hannsmann an der Schillereiche 23 im Dezember 2013 endgültig verkauft – die Debatte, ob die Stadt fahrlässig auf viel Geld verzichtet hat, ging aber weiter.

 

Zur Erinnerung: Die Schriftstellerin und ihr Lebensgefährte, der Autor Johannes Poethen, hatten von 1980 an über Jahrzehnte hinweg zu einer sehr geringen Miete in dem Dichterhäusle am Rande des Weißenburgparks gelebt. Diese Miete war auch nie erhöht worden. Der damalige OB Manfred Rommel hatte dem Paar, das sich in finanzieller Not befand, 1980 diesen niedrigen Mietzins gewährt.

Als Gegenleistung sollte die Stadt viele hundert Werke und Dokumente des Bildhauers HAP Grieshaber erhalten, mit dem Hannsmann lange zusammen war. Doch das Erbe wurde einige Zeit nach dem Tod Hannsmanns im Jahr 2007 rückabgewickelt; die Stadt ging am Ende leer aus (die StZ berichtete). Sie hat dadurch auf eine sechsstellige Summe verzichtet.

Stadt konnte fast 30 Jahre lang über Kunstwerke verfügen

Jetzt hat sich der Schwiegersohn Margarete Hannsmanns in dieser Sache zu Wort gemeldet. Friedhelm Woitinas hatte 2010 die Rückabwicklung mit der Stadt verhandelt und ist nicht der Ansicht, dass Stuttgart übervorteilt worden ist. Im Gegenteil: Zwischen der Stadt und Margarete Hannsmann habe es einen schriftlichen Vertrag gegeben, in dem sich die Stadt verpflichtet habe, nach dem Tod der Dichterin ein Museum in dem Haus an der Schillereiche einzurichten. Dafür habe Stuttgart bereits etwa 1982, kurz nach dem Tod Grieshabers, 980 Stücke aus dessen Nachlass erhalten. Über Jahrzehnte hinweg habe die Stadt diese Werke in ihrem Eigentum gehabt und in Ausstellungen gezeigt – dies sei bereits eine Gegenleistung für das günstige Wohnrecht gewesen.

Woitinas räumt aber ein, dass der Wert aller Stücke nicht allzu hoch gewesen sei; vieles sei nur Papier gewesen und zudem schlecht erhalten. Bei einer Auktion im Jahr 2011 hätten die Dokumente gerade so viel erbracht, dass es „als größeres Taschengeld für die sieben Enkel“ Hannsmanns gereicht habe, so Woitinas. Bis heute ungeklärt sei allerdings, ob nicht eine gewisse Zahl von Dokumenten während der Zeit, als die Stadt diese aufbewahrt hat, verschwunden sind. Es gab jedenfalls von anderen Erben solche Anschuldigungen an die Stadt, die jetzt im Zuge der Einigung erledigt sind. Tatsächlich sprach die Stadtverwaltung jüngst nur noch von 618 Bildnissen, Plakaten und Dokumenten.

Stuttgart wollte aus dem Vertrag herauszukommen

Der Stuttgarter Autor Peter Schlack, der Margarete Hannsmann gut gekannt hat, betont daneben, dass die Stadt Stuttgart zudem sehr viel Geld gespart habe, weil die Erben – auf Drängen Stuttgarts – auf die Einrichtung des Museums verzichtet hätten. Laut Vertrag wäre Stuttgart dazu verpflichtet gewesen, und allein der Betrieb eines solchen Museums hätte eine sechsstellige Summe im Jahr gekostet. Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann hatte ein Museum abgelehnt mit der Begründung, das Gebäude sei dafür zu klein und die enge Straße zu schlecht erreichbar.

Friedhelm Woitinas betont daneben die Bedeutung von Johannes Poethen. Grieshaber habe nie an der Schillereiche gewohnt, so dass ein Museum für Hannsmann und Grieshaber sowieso nicht sinnvoll gewesen wäre. Vielmehr hätte Poethens Arbeit in dem Museum thematisiert werden müssen, denn er habe viele seiner Werke in einem Häuschen direkt neben der Schillereiche verfasst; dorthin hat er sich während des Schreibprozesses zurückgezogen. Dieses Gebäude ist aber im Jahr 2004 abgerissen worden, und zwar auf Betreiben der Stadt, wie Woitinas sagt.

Ein Stipendium für Hannsmann und Poethen wird ausgelobt

Immerhin beabsichtigt die Stadt nun, jährlich 15 000 Euro für ein neues „Hannsmann-Poethen-Literaturstipendium der Landeshauptstadt Stuttgart“ zur Verfügung zu stellen. Durch diesen Namen wird also auch Johannes Poethen gewürdigt. Dieses Stipendium sei auch als eine Gegenleistung dafür anzusehen, dass der Vertrag zwischen der Stadt und Margarete Hannsmann aufgehoben wurde, betont Sven Matis, der Sprecher der Stadt Stuttgart.

Und: Der neue Eigentümer darf das Dichterhäusle nicht abreißen, damit die Erinnerung an die zwei Schriftsteller wach bleibt. Die Stadt hat, um diese Klausel durchzusetzen, den Verkaufspreis vermutlich um eine sechsstellige Summe verringern müssen; er lag wohl zuletzt bei 860 000 Euro. Für den Gemeinderat ist die Debatte um das Dichterhäusle damit beendet. Weder Peter Pätzold (Grüne) noch Alexander Kotz (CDU) wollen das Thema nochmals auf die Tagesordnung setzen.