Das frühere Domizil der Schriftstellerin Margarete Hannsmann neben dem Weißenburgpark wird erneut verkauft, nachdem ein erster Versuch 2012 fehlgeschlagen ist. Gegen die Veräußerung des Dichterhäusles gibt es Protest – zumindest ein bisschen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Schon sechs Jahre währt die Hängepartie um das schöne Haus an der Schillereiche  23, idyllisch gelegen oberhalb der Weinsteige, direkt am Weißenburgpark – jetzt soll, wieder einmal, ein Schlusspunkt gesetzt werden. Die Stadt will das Gebäude an eine Privatperson verkaufen, am 6. Dezember soll darüber der Wirtschaftsausschuss entscheiden.

 

In jenem Haus hat bis zu ihrem Tod im Jahr 2007 die Lyrikerin Margarete Hannsmann gelebt, lange Zeit gemeinsam mit dem Dichter Johannes Poethen. Später verband Hannsmann eine enge Beziehung mit dem Bildhauer HAP Grieshaber. In einer schwierigen finanziellen Lebenslage Hannsmanns hat der damalige OB Manfred Rommel dann entschieden, dass die Dichterin für eine geringe Miete im Dichterhäusle leben kann. Ob dies als Geschenk gewertet werden muss oder ob die Stadt damals schon im Gegenzug Anspruch auf einen Teil des Erbes erhob, ist ungeklärt. Jedenfalls vermachte Hannsmann der Stadt 2007 in ihrem Testament 2000 Werke von Grieshaber, allerdings geknüpft an die Bedingung, in der Schillereiche 23 ein Museum einzurichten.

Erst Rückabwicklung des Erbes, dann Fehlschlag beim Verkauf

Doch es kam anders, und das war der Beginn der Auseinandersetzung. Als Hannsmann starb, waren es nur rund 1000 Holzschnitte und Plakate, die die Stadt übernehmen konnte; umgekehrt hielt die Stadt ihr Versprechen nicht, das Museum zu realisieren. Ende des Jahres 2011 einigte man sich in diesem Streit dann mit den Erben, und alles wurde rückabgewickelt: Stuttgart gab die Kunstwerke zurück und gedachte, das Haus zu verkaufen. Doch ein erster Kaufvertrag im Frühjahr 2012 kam nicht zustande, wie erst jetzt öffentlich wurde. Angeblich akzeptierte der Käufer letztlich doch keinen Grundbucheintrag, nach dem das Haus vorerst nicht abgerissen werden dürfte.

Rund eineinhalb Jahre hat es nun gedauert, bis das Haus erneut einen Interessenten gefunden hat. Der jetzige Käufer werde das Haus selbst bewohnen, teilte eine Sprecherin der Stadt mit. Die ursprüngliche Idee, ein Dichterhäusle an der Schillereiche einzurichten, ist damit endgültig Schnee von gestern.

Das weiß auch der Stuttgarter Schriftsteller Rainer Wochele. Aber er kritisiert dennoch scharf, dass die Stadt keine Nutzung angestrebt hat, die die Literatur und Kunst in Stuttgart befördert. Er hätte sich eine Stadtschreiberstelle vorstellen können, bei der ein Schriftsteller eine Zeit lang im Dichterhäusle an der Schillereiche wohnt und über die Eindrücke in der Stadt schreibt. Auch Schreibkurse und Lesungen wären denkbar gewesen.

Haus sei Treffpunkt von Schriftstellern aus aller Welt gewesen

Poethen und Hannsmann seien bundesweit bekannt gewesen, argumentiert Wochele, und das Haus am Weißenburgpark sei ein Treffpunkt von Schriftstellern aus aller Welt gewesen – man dürfe es deshalb der Öffentlichkeit nicht einfach entziehen: „Das, was an literarischem Potenzial und literarischem Geist und literarischer Zukunftsmöglichkeit mit dem Anwesen Schillereiche 23 verknüpft ist, ist weit mehr wert als das, was der pekuniäre Erlös darstellt“, sagt Rainer Wochele.

Dieser pekuniäre Erlös liegt laut Gerüchten übrigens bei 860 000 Euro, was weit weniger ist als der Verkehrswert, der vor zwei Jahren noch angegeben wurde – damals sollte ein Interessent mindestens 1,078 Millionen Euro bieten, um Chancen auf das Objekt mit 1092 Quadratmetern Grund und Boden in bester Lage zu haben.

Stipendium für Schriftsteller wird aus Verkauf finanziert

Gerade das Abrissverbot, das im Grundbuch eingetragen ist, habe zu dieser Wertminderung geführt, teilt die Stadt nun mit. Auch sonst verzichtet sie auf einiges Geld. Denn zum einen wird wohl ein Teil des Grundstücks dem öffentlichen Weißenburgpark zugeschlagen. Zum anderen will die Stadt 15 000 Euro für ein Schriftsteller-Stipendium verwenden. Der Literaturszene in Stuttgart gefällt das allerdings nur bedingt: Eine Literaturwoche oder ein Lyrikseminar wäre dort besser angekommen.

Ein Museum sei nie ernsthaft in Frage gekommen, weil das Haus zu klein sei, die Zufahrtsstraße zu eng, und es gebe keine Parkplätze, argumentiert die Stadt. „Man sollte lieber die Literatur mitten in der Stadt fördern als an dem recht abgelegenen Ort“, sagt Michael Kienzle, der als Stadtrat der Grünen und Literaturwissenschaftler unverdächtig ist, die Kunst nicht fördern zu wollen. Auch die SPD wird dem Verkauf zustimmen, so Stadträtin Monika Wüst.