Digitaler Knoten Stuttgart Angespannte Stimmung vor dem S-21-Lenkungskreis

Bahninfrastrukturvorstand Berthold Huber wird am Freitag im S-21-Lenkungskreis einiges erklären müssen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski/ 

Am Freitag kommt der Lenkungskreis von Stuttgart 21 wieder zu einer Sitzung zusammen. Bahnvorstand Berthold Huber dürfte sich da einiges anhören müssen. Streitpunkt ist der Digitale Knoten.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Wenn die Bahn mit ihrer Prognose dieses Mal recht haben sollte, biegt der Lenkungskreis von Stuttgart 21 auf die Zielgerade ein: zweimal im Jahr tagt das Spitzengremium aus Vertretern der Projektpartner Bahn, Land, Region und Stadt. Bis zum derzeit angenommenen Start der neuen Infrastruktur im Dezember 2026 blieben also – die Sitzung am Ende dieser Woche eingerechnet – noch fünf Sitzungen.

 

Digitalisierung sorgt für Dauerstress

Unklar ist dabei, ob der nun im Raum stehende Eröffnungstermin gehalten werden kann. Klar ist hingegen: die am Freitag stattfindende 34. Sitzung des Lenkungskreises dürfte insbesondere für Berthold Huber, Infrastrukturvorstand der Deutschen Bahn, kein Spaziergang werden. Die übrigen Projektpartner sparen nicht mit Kritik am Gebaren des Schienenkonzerns im Staatsbesitz – und am Verhalten der leitenden Angestellten im Bahn-Tower, zu denen Huber gehört.

Die Deutsche Bahn hat sich den Zorn der versammelten Projektpartner zugezogen, weil sie die vereinbarte Ausrüstung des neuen Schienenknotens mit digitaler Sicherungstechnik zur Hängepartie gemacht hat. Parallel zu Stuttgart 21 soll der Digitale Knoten Stuttgart entstehen. Im Rahmen eines Pilotprojekts wird das sogenannte European Train Control System (ETCS) erstmals im Schienennetz einer Metropole eingebaut – so beschlossen ebenfalls in einer Lenkungskreissitzung im April 2020. Das Vorhaben ist in drei Abschnitte aufgeteilt. Die Bausteine 1 und 2 sind in Bau. Über den dritten Baustein, der die Technik weit hinaus in die Region bringen soll, ist hingegen ein zunehmend erbittert geführter Streit ausgebrochen.

Finanzierungsvertrag unterschrieben aber nicht in Kraft

Die Deutsche Bahn hatte sich vor Jahresfrist lange bitten lassen, einen Finanzierungsvertrag für diesen DKS 3 genannten Abschnitt zu unterzeichnen. Als sie es schließlich doch tat, versah sie das Papier umgehend mit einem Gremienvorbehalt, aufzulösen nur vom Aufsichtsrat des Schienenkonzerns. Das ist bis dato nicht geschehen und wohl auch nicht in der Dezember-Zusammenkunft der Bahnaufseher vorgesehen.

Was die übrigen Projektpartner so auf die Palme bringt: erfolgt die Freigabe nicht bis zum Jahresende, sind rund 825 Millionen Euro an Bundesmitteln perdu. Die Bahn ihrerseits behauptet im Widerspruch zu Aussagen des damaligen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Michael Theurer (FDP), aufgrund „der fehlenden Bundeshaushaltsbeschlüsse“ stünden wichtige „wichtige Prämissen in der Finanzplanung der DB nicht fest“.

Druck auf Bahnvorstand wächst

Dieses Lavieren hat den Bahn-Gewaltigen einige bitterböse Briefe eingebracht. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Regionalpräsident Rainer Wieland (CDU), ließen den Bahnvorstand wissen, man sei „fassungslos, dass die DB AG anscheinend nicht vorsieht, die Aufhebung des Gremienvorbehalts für die Finanzierungsvereinbarung des DKS Baustein 3 in der kommenden Aufsichtsratssitzung am 18. Dezember 2024 auf die Tagesordnung zu setzen“. Dass die Bahn nun auch noch den DKS 3 als „Pfand für Verhandlungen zum Nachtrag“ bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung gegenüber dem Bund nutzen wolle, komme einer „Geiselnahme“ gleich.

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.digitale-technik-bei-stuttgart-21-land-und-region-fassungslos-ueber-die-db.6a0fffa9-865b-466e-8d68-a3d0e5d9a037.html

Druck auf die zögerlichen Bahnvorstände kommt auch aus den Reihen des Bundestags – und zwar sowohl aus der Opposition wie auch aus einer Regierungsfraktion. Die vier SPD-Bundestagsabgeordneten aus der Region, Heike Baehrens, Jasmina Hostert, Macit Karaahmetoglu und Nils Schmid haben, flankiert von sechs baden-württembergischen Landtagsabgeordneten, Anfang dieser Woche ebenfalls an den Bahnvorstand geschrieben und an bestehende Finanzierungsvereinbarungen und die Zusagen des Bundes erinnert. Mit dem drohenden Scheitern des DKS 3 stehe, „nicht nur ein von allen Seiten unterstütztes Pilotprojekt auf dem Spiel, sondern nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der Verantwortlichen der Deutschen Bahn“.

Zweifel an weiterer Zusammenarbeit mit den Bahn-Chefs

Die hatten sich zuvor schon von dem CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Donth aus Reutlingen in gleicher Sache sagen lassen müssen, das aktuelle Verhalten des Bahnvorstands in der Angelegenheit stelle „schwere Hürden für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit“ dar.

Der Ton dürfte also gesetzt sein für die Lenkungskreissitzung am kommenden Freitag. Aus den Reihen der Briefeschreiber trifft dort Bahninfrastrukturvorstand Berhold Huber unter anderem auf Landesverkehrsminister Winfried Hermann sowie auf Regionalpräsident Rainer Wieland. Für den ist es nach seinem Amtsantritt im September der erste S-21-Lenkungskreis – und womöglich gleich ein Auftakt in angespannter Atmosphäre.

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