Opernsanierung bis 2044? Stuttgarter Milliardenprojekt wird wohl später fertig

Der Littmann-Bau muss saniert werden – das kann sehr lange dauern. Foto: Imago Images/Arnulf Hettrich

Die Sanierung und Erweiterung der Stuttgarter Staatstheater dauern wohl noch länger als bisher vorgesehen. Der Verwaltungsrat wird am 18. November informiert.

Wer in diesen Tagen um den Eckensee streift, kommt an einem Pavillon vorbei, in dem sich ein Modell der Interimsoper befindet. Das ist jene Immobilie, die auf dem C-1-Gelände im Nordbahnhof erstellt wird, um den Betrieb der Württembergischen Staatstheater (WST) aufrechtzuerhalten, solange der denkmalgeschützte Littmann-Bau saniert wird. Als dritte Maßnahme wird ein neues Kulissenlager auf dem Areal der Cannstatter Zuckerfabrik erstellt.

 

Bei der Betrachtung von Modell, Fotos und Skizzen stellt sich manchem Betrachter unweigerlich die Frage, ob er die Rückkehr der Ensemble in den Littmann-Bau wohl noch erleben wird? Die Interimsoper soll schon 2029 bespielt werden, der Wechsel zurück in den Schlossgarten könnte sich nach neuester Lesart aber bis weit in die 40er Jahre hinauszögern.

Zuletzt sind nach bislang nicht dementierten Informationen unserer Zeitung vier weitere Jahre hinzugekommen. Die Projektgesellschaft ProWST sei tiefer in die Detailplanung eingestiegen, heißt es. Darüber will man im Verwaltungsrat der Württembergischen Staatstheater (WST) am 18. November sprechen. Länger bauen heißt aber auch, dass die Kosten steigen. Bisher schwankten die Prognosen – abhängig von Einschätzungen zur Inflation und der Baupreisentwicklung – zwischen einer und 1,5 Milliarden Euro.

Bei Land und Stadt ist man an solche Diskrepanzen gewöhnt. Es sei an die Fildermesse erinnert, die der Öffentlichkeit mit einem politischen Sonderangebot von einer halben Milliarde Euro schmackhaft gemacht und dann zum Festpreis von 805 Millionen Euro festgezurrt wurde. Am Ende waren es – es kommt auch auf die Bauleitung an – 817 Millionen Euro. Der Fertigstellungstermin von Stuttgart 21 wird seit Jahren nach hinten verschoben. Gleichzeitig werden die längst jeden Rahmen sprengenden Kosten ständig nach oben angepasst.

Land und Stadt sagen nichts

Der Geschäftsführende WST-Intendant Marc-Oliver Hendriks nannte im Frühjahr eine Bauzeit von „mindestens einer Dekade bis Ende 2030“ für sein Projekt. Dieses Datum bestätigte ProWST-Geschäftsführer Christoph Niethammer und lieferte den Hinweis, es brauche einen „langen Atem“. Kürzlich sprach er dann aber schon von einer zehn- bis 15-jährigen Realisierungsphase.

Der Tag der Einweihung des sanierten Littmann-Baus ist auch vom Baufortschritt bei der Interimsoper abhängig. Die erste Spielzeit wird dort wohl im September 2029 beginnen. Ursprünglich sollten die Gebäude, die nach der Interimsnutzung teils erhalten, teils abgebaut und weiterveräußert werden sollen, zur IBA’27 eingeweiht sein.

Unterschiedliche Zeitpläne

Im Gemeinderat werden derweil Bebauungsplanverfahren wie jenes für die Staatstheater und das Kulissengebäude vorangetrieben. Im April wurde dafür der Aufstellungsbeschluss gefasst. Derzeit ist ein Wettbewerb für das an die Oper angrenzende Königin-Katharina-Stift in Vorbereitung, der unter anderem die Anlieferung mit Lastwagen auf begrenzter Fläche regeln soll.

Projektgesellschaft auf Personalsuche

Die Projektgesellschaft ist weiter im Aufbau begriffen. Detailinformationen zum Vorhaben sucht man auf der Internetseite vergebens. Aktuell konzentriert sich die ProWST darauf, per Stellenanzeige einen Teamassistenten sowie einen „menschlich wie fachlich überzeugenden“ Architekten anzuwerben, der sich auf „die Erstellung detaillierter Kostenkalkulationen“ versteht und die Projektkosten überwachen soll.

Die Entwicklung von Kosten und Zeitplan dürften im Hinblick auf die Landtagswahl 2026 zum Verdruss der Verantwortlichen von Staatstheater und Landes-Grünen wohl der Debatte über Umfang und Notwendigkeit der Sanierung neue Nahrung geben. Die CDU und ihr möglicher Spitzenkandidat Manuel Hagel hatten in Anbetracht der Herausforderungen durch Inflation, Krieg und die Krise der Wirtschaft Bedenken wegen der hohen Investition angemeldet und eine Prüfung kostengünstigerer Varianten gefordert.

Nun ist aus CDU-Kreisen zu hören, dass diese Haltung weiter bestehe. Eine Momentaufnahme des Steuerzahlerbundes, bei der 70 Prozent von 2000 Befragten für eine Neuplanung votierten, kommt der Union zupass. Die Befürworter im Land betonen dagegen, es handele sich keineswegs um eine „Goldrand-Sanierung“. Der Betrieb im Littmann-Bau könne seit Jahren nur wegen des Bestandsschutzes für das denkmalgeschützte Gemäuer aufrechterhalten werden. Sie sehen sich auch durch die Ergebnisse eines Bürgerdialogs bestätigt.

Nur der Bestandsschutz sichert den Betrieb

Im Stuttgarter Gemeinderat sind es vor allem das Linksbündnis mit Stadtrat Hannes Rockenbauch sowie die Fraktionsgemeinschaft Puls, die mit Verweis auf wichtigere Investitionen gegen diese große Lösung sind. Es gibt aber eine Mehrheit für das Projekt mit einer städtischen Unterstützung von mindestens einer halben Milliarde Euro. Gleichzeitig warnt Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) vor zu hohen Investitionen, vor allem in Kulturprojekte, und den damit verbundenen Folgekosten. Bei den Haushaltsberatungen im Dezember 2023 mahnte er an, dass sich „diese Entwicklung so nicht fortsetzen darf. Es müssen zwingend Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzsituation und zu einer nachhaltigen Haushaltsplanung eingeleitet werden.“

Gemeinderat und Verwaltung priorisieren nicht

Doch weder die Verwaltung noch der Gemeinderat und auch nicht OB Frank Nopper (CDU) haben sich bisher trotz drohender Verschuldung in Milliardenhöhe an eine Priorisierung gewagt. Deshalb stehen immer noch der Neubau der Schleyerhalle, ein Konzertforum, die Sanierung des Gustav-Siegle-Hauses, das Film- und Medienhaus, eine Philharmonie und die Erweiterung der Villa Berg gleichrangig auf der Wunschliste. Dafür befinden sich allerdings nur noch 125 Millionen Euro in den Rücklagen. Rockenbauch fordert, dass sich der Gemeinderat mit der Verwaltung auf ein Bewertungsverfahren einigt, „um wenigstens ein bisschen Transparenz und Verbindlichkeit in die kommenden Entscheidungen zu bekommen“.

Denn es gibt Investitionen jenseits der Kultur: etwa zur Erreichung der Klimaziele bis 2035, etwa in Form von Eigenkapital für die eigenen Stadtwerke, in Grundstücke für sozialen Wohnungsbau (Eiermann und EnBW-Areal), für Sanierungen und Neubau von Schulen, Bädern, Feuerwehrwachen, verkehrliche Infrastruktur, Verwaltungsgebäuden und sozialen Einrichtungen.

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