Die BSW-Gründerin liefert sich im ARD-Talk einen Schlagabtausch mit Studiogästen – und lobt jüngste Friedensaussagen von Olaf Scholz. Eine hitzige Sendung am Sonntagabend mit dem Hauptgast Sahra Wagenknecht bei Caren Miosga in der ARD.

Dass die ehemalige Linkenpolitikerin derzeit die Reizfigur in der deutschen Politik ist, lässt sich an der Häufigkeit ablesen, mit der ihr die Moderatorin aber auch zwei weitere Studiogäste – CDU-Politiker Thorsten Frei, Journalist Michael Bröcker – ins Wort fielen. Zwei oder dreimal musste Wagenknecht die „unterirdische Debattenkultur“ in der Sendung kritisieren und als ihr Frei einmal Nähe zum Kreml unterstellte, da wurde sie empört.

 

Sie sei es leid, das zu hören. Als ihr Bündnis Sahra Wagenknecht schon vor langer Zeit Friedensverhandlungen für eine Beendigung des Ukraine-Krieges gefordert hatte, „da sind wir dafür geteert und gefedert worden“, da man mit Putin nicht reden und nicht verhandeln könne. Jetzt aber habe Kanzler Olaf Scholz sogar im ZDF-Sommerinterview von einer Friedenslösung gesprochen und gesagt, dass Putin bei der nächsten Friedenskonferenz dabei sein müsse. Solche Aussagen seien doch gut, meinte die BSW-Chefin.

Häufige Einladungen in Talkrunden

Also noch ein Sieg nach Punkten für Sahra Wagenknecht? Die strahlenden Gewinner ihrer noch jungen Partei bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hatten zu Anfang der Sendung für leichte Harmonie gesorgt, auch wenn Caren Miosga bemerkte, „die Medien“ hätten sie - die Wagenknecht – ja wohl mit aufgebaut durch häufige Einladungen in Talkrunden. Den Anteil der ARD daran bezifferte Miosga aber nicht. Kevin Kühnert von der SPD sei 2023 öfter in Talkrunden gewesen als sie, entgegnete Wagenknecht, aber das habe sich bei der SPD nicht bezahlt gemacht: „Wir aber haben das Vertrauen der Wähler gewonnen.“

Die Partei trägt ihren Namen, und eine ganze Palette von Franchise-Produkten - T-Shirts, Tassen, Hoodies und Mousepads mit Wagenknecht-Konterfeis - ist schon entstanden. Das hat kein anderer deutscher Politiker. Wagenknecht erklärte nun, das BSW habe das Merchandising selbst in die Hand genommen, „weil es da einen Wildwuchs gab und den wollten wir stoppen“. Miosga fragte, ob man denn im BSW noch andere Götter neben Wagenknecht haben könne, aber die Angesprochene entgegnete, sie wolle keinen Personenkult und das BSW wolle auch keinen. Der Name der Partei sei ja auch nicht für die Ewigkeit. Bei Koalitionsgesprächen mit der CDU in Thüringen und Sachsen will die Parteichefin sich „eng abstimmen“ mit den Landesverbänden. Sollte es zu einer Regierungsbeteiligung kommen, will sie auch persönlich „einmal mit den künftigen Ministerpräsidenten“ gesprochen haben.

Sprache der Reichsbürger?

Der Reizton kam in die Sendung, nachdem der Politologe Johannes Hillje die Sprache von Sahra Wagenknecht analysiert hatte und da ein Dreieck des Schürens von Angst, Wut und Hoffnung erkannte. Wagenknecht trenne sauber zwischen Gut und Böse, Freund und Feind, sie schildere die Welt im Untergang und stelle sich als Retterin dar. Sie habe eine „wirksame Rhetorik“ entwickelt, bewerte beispielsweise die Grünen als „gefährliche Partei“ und Olaf Scholz als „Vasallenkanzler“ der USA. Damit war der Ring frei. Caren Miosga – und später auch Michael Bröcker, Chefredakteur bei Table Media – erkannten da Häme und Hass in der Wortwahl und fragten, ob sie – die Wagenknecht – denn die Wortwahl von Reichsbürgern oder vom Rechtsextremen Björn Höcke übernehmen müsse und ob die AfD im Bundestag nicht gefährlicher sei als die Grünen. Den Vergleich mit den Rechten verbat sich Sahra Wagenknecht, sie lasse sich nicht für die Wahl bestimmter Worte in Haftung nehmen. Und es sei nun mal so, dass die Grünen „gemessen am Schaden“ den sie anrichteten, die gefährlichste Partei sei, denn sie hätten in der Regierung begleitet von hoher Arroganz „extremen Schaden“ verursacht: die Grünen hätten die Energiepreise steigen lassen, Unternehmen vergrault, den steigenden Insolvenzen zugeschaut und am Ende habe Robert Habeck noch mit dem Heizungsgesetz „eins drauf gesetzt“. Sie schüre keine Wut, sagt Sahra Wagenknecht, die Menschen seien wütend über die Politik der Ampel-Regierung. Die Grünen seien mit ihrer Politik im Übrigen mitverantwortlich für den AfD-Auftrieb in den Ostländern.

Streit um US-Raketen

Auch beim „Vasallenkanzler“ gab Wagenknecht nicht klein bei. Der Begriff sei angebracht, wenn ein deutscher Bundeskanzler unabgestimmt die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen verkünde, von denen selbst der Oberst a. D. Wolfgang Richter in einer Studie für die Friedrich-Ebert-Stiftung sage, dass sie das nukleare Gleichgewicht stören könnten, da man mit ihnen einen „Enthauptungsschlag gegen Russland“ führen könne und das sie deshalb das Risiko für Deutschland erhöhten. Diese Waffen dienten allein der USA. Da kam dann heftiger Widerspruch von Thorsten Frei, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Union im Bundestag, Russland habe doch angefangen mit der Aufstellung von Eskender-Raketen.

Auch bei den Koalitionsverhandlungen in Sachsen und Thüringen wird das BSW das Friedensthema, aber auch ein Nein zu den US-Raketen einfordern. Wo da die Rote Linie ist, wollte Miosga wissen, ohne eine Antwort zu erhalten. Sie führe keine Koalitionsverhandlungen, so die Wagenknecht. Stattdessen teilte sie gegen die CDU aus, denn auch die habe die AfD stark gemacht, da die sich mit ihr – als sie noch „konservative Professorenpartei“ war – nicht mit ihr auseinander gesetzt habe. „Blödsinn!“, meinte daraufhin Thorsten Frei. Er warf Sahra Wagenknecht – die alle begonnen Kriege, die Russlands, aber auch die der USA für ein Verbrechen hält – eine unverantwortliche Gleichstellerei vor, man könne eine Diktatur, die Kinder verschleppe, nicht mit einem demokratischen Partnerstaat vergleichen.

Außenpolitik der Bundesländer

Was auch immer jetzt hineingeschrieben wird an außenpolitischen Statements in die Koalitionsvereinbarungen in Erfurt und Dresden, wo die Christdemokraten Mario Voigt und Michael Kretschmann nun mit dem BSW sprechen – für den Journalisten Bröcker ist das reine Schaufensterpolitik. Der Bundesrat habe zwar einen Ausschuss für Außenpolitik, sagte er Richtung Sahra Wagenknecht: „Da verfügen Sie dann über eine einzige Stimme. Die Mehrheit ist gegen Sie.“ Die Raketenfrage könne aber zu einer „Sollbruchstelle“ zwischen CDU und BSW werden. Wagenknecht ist überzeugt davon, dass die Landesregierungen das stark zum Thema machen müssen.

In Deutschland habe jeder zweite Angst vor einer Ausweitung des Ukraine-Krieges, in Sachsen und Thüringen seien zwei Drittel von Befragten gegen eine neue US-Raketenstationierung: „Ich gehe davon aus, dass Herr Voigt und Herr Kretschmer ernst nehmen, was zwei Drittel der Wähler möchten.“ Bei allen weltpolitischen Differenzen zum BSW meinte CDU-Mann Frei, dass man in beiden Ländern nach den Landtagswahlen „alles Denkbare ausprobieren muss, um einen AfD-Ministerpräsidenten zu verhindern“.

Von einem Unvereinbarkeitsbeschluss zum BSW – den einige in der CDU fordern – wollte Frei daher nichts wissen. Am Unvereinbarkeitsbeschluss zur Linkspartei will Frei aber nicht rütteln, diese Partei spiele ohnehin keine große Rolle mehr. „Aber die Stimme von Bodo Ramelow in Thüringen können Sie noch gut gebrauchen“, meinte daraufhin Caren Miosga. Das blieb unwidersprochen. Der noch amtierende Linken-Ministerpräsident Ramelow – der eine AfD-Regierung unbedingt verhindern will – könnte mit seiner Stimme und den Stimmen der CDU und des BSW immerhin zu einer Pattsituation im Thüringer Landtag führen.