Gemeinderatswahl in Pforzheim Warum auch Stimmen von Migranten der AfD zum Wahlsieg verhelfen

Pforzheim wird auch als „Pforte zum Schwarzwald“ bezeichnet. Die AfD schneidet in der Stadt immer wieder gut ab. Foto: imago//Manuel Kamuf

Pforzheim ist die einzige Stadt im Südwesten, in der die rechtspopulistische Partei die Gemeinderatswahl gewonnen hat. Das liegt auch an vielen AfD-Anhängern in migrantischen Communitys.

Baden-Württemberg: Florian Dürr (fid)

In Pforzheim fühlt sich die AfD wohl – hier an der „Pforte zum Schwarzwald“, wie die Stadt auch genannt wird, erreicht die rechtspopulistische Partei immer wieder starke Wahlergebnisse. Das war auch am Sonntag bei der Gemeinderatswahl nicht anders: 22 Prozent der Stimmen in Pforzheim gingen an die AfD. Damit stellt die Partei künftig die stärkste Fraktion im Gemeinderat – was den Rechtspopulisten in keiner anderen Stadt in Baden-Württemberg gelang. Pforzheim bleibt damit AfD-Hochburg.

 

FDP-Politiker Rülke: „Die AfD darf diese Stadt nicht regieren!“

Doch auch in anderen Orten im Land legte die Partei ordentlich zu: In Göppingen stellt sie künftig die zweitstärkste Fraktion im Gemeinderat, ebenso in Rastatt. Und in Singen zogen von vier aufgestellten AfD-Kandidaten aus dem Stand drei in den Gemeinderat ein. Der AfD-Landesvorsitzende Markus Frohnmaier sieht seine Partei deshalb auch in Baden-Württemberg auf dem Weg zur Volkspartei.

Anderen bereitet dieser Aufstieg der AfD in den Städten und Gemeinden Sorgen. „Ich bedaure, dass die Stadt Pforzheim nun wieder als AfD-Hochburg bundesweit durch die Medien geht“, sagt Hans-Ulrich Rülke, der FDP-Fraktionschef im Landtag von Baden-Württemberg, der seit 1999 im Pforzheimer Gemeinderat sitzt und auch am Sonntag wieder gewählt worden ist. „Es wird nun darum gehen, Mehrheiten jenseits der AfD zu bilden. Die AfD darf diese Stadt nicht regieren!“, sagt Rülke.

CDU-Stadträtin: „Die AfD hat bisher nichts zum Wohle der Stadt beigetragen“

Ernüchterung auch bei der CDU, die von den Rechtspopulisten als stärkste Fraktion abgelöst wird. „Für die Außenwirkung unserer Stadt ist der Erfolg der AfD verheerend“, sagt deren Spitzenkandidatin Oana Krichbaum. Man müsse nun intern beraten, wie man im Pforzheimer Gemeinderat eine „Koalition der Vernunft“ bilden könne – ohne bei Abstimmungen auf die Stimmen der AfD angewiesen zu sein. Denn, das betont die CDU-Stadträtin: „Die Brandmauer bleibt selbstverständlich, eine Zusammenarbeit ist ausgeschlossen.“ Komplizierter werde es bei der Mehrheitsfindung im Gemeinderat nun auch für Oberbürgermeister Peter Boch (CDU).

Aber was hat ihn und die CDU überhaupt in diese verzwickte Situation gebracht, warum ist die AfD für viele Pforzheimer so attraktiv? Allein an der bisherigen Arbeit der AfD-Fraktion könne es kaum liegen, sagt Krichbaum: „Die AfD hat bisher nichts zum Wohle der Stadt beigetragen, die waren immer nur dagegen und haben verhindert.“ Das sieht die AfD-Spitzenkandidatin Diana Zimmer anders: „Wir haben in den vergangenen Jahren sachlogische Politik im Gemeinderat gemacht und uns von übergeordneten, ideologischen Diskussionen aus Bund oder Land nicht einspannen lassen.“

Die Migrationspolitik hat laut Krichbaum eine große Rolle im Wahlkampf gespielt, in Pforzheim leben zudem viele Russlanddeutsche, von denen ein großer Teil Sympathien für die rechtspopulistische Partei hegt.

Für viele Russlanddeutsche bedeuten weitere Migranten Konkurrenz

Generell stehen in Pforzheim viele Menschen mit Migrationshintergrund der AfD wohlwollend gegenüber. „Viele Migranten empfinden andere Migranten als Konkurrenz“, sagt Krichbaum. Zahlreiche Russlanddeutsche würden auch in Pforzheim über russische Medien beeinflusst – was ebenfalls der AfD in die Karten spiele.

Liane Bley bestätigt die Beobachtungen, sie ist selbst eine in Pforzheim lebende Russlanddeutsche, zudem Sprecherin des Internationalen Beirats der Stadt sowie Vorständin im Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen Baden-Württemberg (Laka). „Viele Russlanddeutsche, die sich hier etwas aufgebaut haben, nehmen die weiteren Migranten als Konkurrenz wahr“, sagt sie. Inzwischen lebten 142 unterschiedliche Nationalitäten in Pforzheim, der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund unter den rund 130 000 Einwohnern liege bei 58 Prozent. Dieser Angst vor Konkurrenz begegne die AfD mit „einfachen Antworten“.

Verlust von Wohlstand und Sicherheit – das beschäftige viele

Zudem seien viele Russlanddeutsche sehr traditionsorientiert und teilten die konservativen Werte, die auch die AfD vertrete. Auch in den Reihen der Gastarbeitergenerationen würden sich viele AfD-Anhänger finden. Bley und ihre Kollegen des Internationalen Beirats seien immer wieder in den türkischen und italienischen Communitys in Pforzheim unterwegs, suchen das Gespräch. „Vor fünf Jahren hat man noch nicht dieses öffentliche Bekenntnis gehört – und heute scheint es fast schon schick zu sein, dass man die AfD wählt“, berichtet sie.

Spreche man jene dann auf AfD-Positionen an, von denen sie selbst betroffen sein könnten, stoßen Bley und Co. oft auf Verwunderung: „Weil sie sich als Deutsche, als Pforzheimer sehen, die sich ihren Wohlstand hier erarbeitet haben.“ Das Versprechen der AfD, diesen Wohlstand zu sichern, treibe sie in die Arme der Rechtspopulisten. Dazu gehöre etwa das Auto mit Verbrennermotor sowie das Haus, das mit Öl geheizt wird. Der Verlust des Wohlstands, der Traditionen, der Sicherheit – das beschäftige viele Menschen in den migrantischen Communitys von Pforzheim. „Und die AfD steht für die Sehnsucht nach einfachen Lösungen in einer komplexen Welt“, sagt Bley.

Weitere Themen