Bosch fährt einen harten Sparkurs. Nicht weit von dem großen Schriftzug über der A8 befindet sich das Werk Leinfelden-Echterdingen, das geschlossen werden soll. Foto: IMAGO/imagebroker
Bosch hat Konflikte lange geräuschlos ausgetragen. Laut IG Metall ist von der Partnerschaft nicht mehr viel übrig. Die Lage in Leinfelden-Echterdingen könnte den Disput verschärfen.
Der Streit um die Schließung der Elektrowerkzeuge-Fabrik der Bosch-Tochter Power Tools in Leinfelden-Echterdingen könnte sich zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über das Verhältnis zwischen Gewerkschaft und Geschäftsführung des Stuttgarter Technologiekonzerns Bosch ausweiten. Im Vorfeld einer für Mittwoch geplanten Demonstration vor dem betroffenen Werk äußerten Vertreter der Gewerkschaft fundamentale Kritik am Umgang des Unternehmens mit den Belegschaftsvertretern.
Schon immer hätten beide Seiten Kompromisse suchen und unterschiedliche Sichtweisen ausgleichen müssen, sagte Adrian Hermes, Konzernbeauftragter der IG Metall für Bosch am Montag. Von dieser Kultur sei aber nicht mehr viel übrig geblieben. „Da sind ziemlich viele rote Linien überschritten worden, sodass das Wort von der gelebten Sozialpartnerschaft eigentlich nicht mehr zutrifft“.
Bosch-Chef Stefan Hartung fährt bei dem Unternehmen einen Sparkurs. Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich
Das habe für ein Unternehmen wie Bosch, das „lange Zeit als ein im weitesten Sinne soziales Unternehmen galt, in dem die unterschiedlichen Positionen wechselseitig respektiert wurden, schon eine neue Qualität“.
Kritik nicht nur wegen der Tochter Power Tools
Ausdrücklich bezieht sich Hermes, der auch dem Aufsichtsrat des Gesamtkonzerns angehört, nicht allein auf die von der Werksschließung betroffene Bosch-Tochter Power Tools, sondern auch auf die mit Abstand größte Sparte, den Kfz-Zuliefererbereich Mobility. Im vergangenen Jahr habe Bosch in diesem Bereich Tausende von Arbeitsplätzen verloren, an mehreren Standorten hätten die Belegschaftsvertreter dem Personalabbau zugestimmt und Vereinbarungen getroffen, wie sich dieser umsetzen lässt.
Im Nachhinein müsse man nun allerdings feststellen, dass Vereinbarungen „eigentlich nicht eingehalten werden. Wir erleben auch im Kleinen, im betrieblichen Alltag, eine Reihe von Grenzüberschreitungen durch das Unternehmen, die zeigen, dass sich das Management an die eigenen Regeln nicht mehr hält.“
„Das kennen wir so nicht von Bosch“
So seien die sogenannten Zielbilder, die an den Standorten regeln sollten, wie die Transformation gestaltet wird, „teilweise gar nicht zu Ende verhandelt worden, teilweise sabotiert worden und teilweise überhaupt nicht verhandelt worden“. Das seien „Dinge, die wir vom Bosch-Konzern so nicht kennen“.
Hermes sieht dadurch auch die Arbeitnehmervertreter in eine schwierige Rolle gedrängt. Die Geschäftsführung habe ein „klares Narrativ, das sie verfolgt. Und in diesem Narrativ kommen wir als Arbeitnehmervertretungen und als Beschäftigte kaum noch vor – und wenn dann nur noch insoweit, als wir dienlich sind, um den Personalabbau zu begleiten“. Das sei „kein Weg, den wir mitgehen werden. Deshalb werden wir diesen Konflikt, den das Unternehmen zu uns trägt, auch annehmen“.
Der zweite Bevollmächtigte der IG-Metall Esslingen, Max Czipf, wirft dem Unternehmen eine einseitig an der Rendite orientierte Strategie vor. „Warum sollte man sich mit acht Prozent Ebit-Marge zufriedengeben, wenn man auch zehn Prozent haben kann?“, so Czipf. Tatsächlich hat sich Bosch Renditeziele gesetzt, von denen man mit zuletzt 3,5 Prozent allerdings weit entfernt liegt.
Die Zielrendite ist mit sieben Prozent doppelt so hoch und wird vom Unternehmen mit der Notwendigkeit begründet, zur Sicherung seiner Unabhängigkeit und für Investitionen in die Transformation neue Technologien hinreichend profitabel zu arbeiten.
Sind das Folgen früherer Fehlentscheidungen?
Nach Ansicht von Karin Solda, Betriebsratsvorsitzende von Power Tools, wälzt Bosch mit seinem heutigen Vorgehen die Folgen früherer Fehlentscheidungen auf die Beschäftigten ab. Das Unternehmen habe das Werk Leinfelden-Echterdingen „sukzessive ausbluten lassen, anstatt Investitionen zu tätigen“. Währenddessen habe man Kapazitäten in China und Ungarn geschaffen, die nun ausgelastet werden müssten. „Vor 40 Jahren waren wir auch ein großes Werk mit über 2000 Werkern“, so Solda. „Es ist einfach nur ein Trauerspiel, wenn man das sieht, was da im Augenblick abgeht.“
Gerade für die Beschäftigten im Werk Leinfelden-Echterdingen, wo der Anteil der An- und Ungelernten vergleichsweise hoch sei, werde es schwierig, neue Jobs zu finden. Nach Ansicht von Hermes wird die Bedeutung der Lohnkosten für die Wettbewerbsfähigkeit ohnehin überschätzt. Deren Anteil an den Gesamtkosten liege bei gerade mal 8 bis 13 Prozent. Czipf räumte allerdings ein, dass der Anteil bei Power Tools höher liegt.
Protestdemonstration bei Bosch geplant
Mit einer großen Demonstration in Leinfelden-Echterdingen an diesem Mittwoch wollen Betriebsrat und IG Metall die Bosch-Geschäftsführung zum Umdenken bewegen. An ihr sollen nicht nur betroffene Beschäftigte teilnehmen, sondern auch Mitarbeiter anderer Bosch-Bereiche – ebenso wie Amtsträger aus der Politik. Die Veranstalter rechnen mit mindestens 1000 Teilnehmern.