Das Ampel-Aus, Merkels Biografie, Scholz bei der „Wahlsiegkonferenz“, Habeck am Küchentisch, die FDP wegen des „D-Days“ am Boden: In der Politik geht es drunter und drüber. Höchste Zeit, dass ein Kabarettist das Chaos seziert. Ein Fall für Mathias Richling.
Kurz vor seinem Auftritt am 7. Dezember im Stuttgarter Theaterhaus nimmt Mathias Richling die allerletzte Folge seiner Show im SWR-Fernsehen auf. Ausgestrahlt wird die Abschiedssendung am 17. Dezember. In der Politik passiert gerade so viel, dass ein Kabarettist sehr viel zu tun hat, so viele Vorlagen zu verwandeln.
Herr Richling, Angela Merkel hat es geschafft, das Ampel-Aus mit nur einem Wort zu erklären: „Männer!“ Wie viele Worte brauchen Sie dafür?
Wenn Frau Merkel das Scheitern einer außerordentlich ungelittenen Bundesregierung als Frau definiert mit dem Wort „Männer“, kann ich als Mann nur dagegenhalten: „Frauenquote“. Wobei man fairerweise doch wieder Frau Merkel Recht geben muss, denn mit seiner Frauenquote drückte Olaf Scholz im Grund nur seinen tief sitzenden Hass auf diese Frauenquote aus, respektive sogar auf Frauen. Sonst hätte Herr Scholz nicht beinahe alle für Frauen vorgesehenen Positionen besetzt mit den Nullnummern Faeser, Lemke, Paus, Spiegel, Lambrecht, Schulze, Baerbock.
Klingt frauenfeindlich.
Wollte Scholz dafür den Beweis liefern? Wir können Frauen gleichbehandeln, aber man sieht ja selbst, dass Frauen es eben nicht können? Das war zutiefst frauenfeindlich von Scholz. Wie unglaublich viele qualifizierte Frauen hätte es gegeben, um die entsprechenden Ämter in der Ampel zu besetzen? Insofern muss ich insgesamt Frau Merkel doch recht geben: „Männer“. Schränke das aber insofern noch mal ein, als ich fragen möchte, wieviel Mann steckt in Olaf Scholz?
Was Frau Merkel typisch männlich vorgekommen ist, erklärt sie dem „Spiegel“ so: „Zum Beispiel, Dinge persönlich zu nehmen.“ Nehmen Sie es Frau Merkel persönlich, dass sie so über Männer ablästert?
Nein, das kann man ihr nicht übel nicht nehmen. Denn wie wir aus der Küchenpsychologie wissen, ist seit alters die Klischee-Charakterisierung der Frau, alles persönlich zu nehmen. Wer Frauen kennt, wird diese Einordnung als erstes anführen, wenn er zu Frauen befragt wird. Darüber hinaus ist es ja auch – was man in ihrer neuen Biografie schmerzlich vermisst – eine leise Form von Selbstkritik. Als Frau Bundeskanzler war sie ja in der Wahrnehmung vor allem ihrer Parteikollegen vor allem Mann. Was Übel-Nehmen und Wegboxen von Kollegen angeht, die sie als Konkurrenten empfunden hat: Merz, Röttgen, von Beust, Müller, Wulff, Oettinger nach Europa, Koch. Die alle pflasterten ihren Weg. So viele fallen einem bei männlichen Bundeskanzlern gar nicht ein.
Für Kabarettisten läuft das Becken mit Themen über. Kommen Sie noch mit dem Schreiben nach bei all dem, was national und international passiert?
Natürlich komm‘ ich hinterher. Ich schreib oft schneller, als die Dinge passiert sind. Das hab‘ ich trainiert zu Zeit der Wende, als man noch glaubte, die Einheit würde eine Einheit. Seither schreib ich in sich überschlagenden Zeiten manchmal täglich ein Drittel meines Programmes um. Und manchmal sogar, bevor die Dinge eingetreten sind. Aber das machen Sie doch zu 100 Prozent jeden Tag in Ihrer Zeitung auch. Also, was ist das Besondere?
Bei der FDP ist Feuer unterm Dach. Stichwort: D-Day. Hat die FDP nach allem, was bekannt wurde, noch eine Chance, in den Bundestag zu kommen? Wäre es ein Schaden, wenn wir künftig ohne FDP leben müssten?
Natürlich. Wir haben doch von den Grünen gelernt, dass insbesondere die Minderheiten es sind, die zu schützen und zu pflegen sind. Die FDP ist eine langjährige Minderheit. Die Sehnsucht nach ihr wird genauso wieder aufleben, wie sich die Menschen nach drei Jahren Ampel die vor drei Jahren noch verhasste Groko wieder zurückwünschen. Darüber hinaus erinnert mich die FDP immer an Mistelzweige. Die Mistel schiebt ihre wurzelähnlichen Saugorgane weit in die Äste und Leitungsbahnen ihres Wirtsbaumes hinein, schwächt ihn, und das wirkt sich auch negativ auf die Früchte aus. Die FDP hat noch jede Regierung ausgesaugt. Misteln sind allerdings auch nicht kaputt zu kriegen.
Der nächste Kanzler heißt wohl Merz. Oder haben Sie Informationen, wonach es doch nicht dazu kommt?
Nein, ich habe keine Informationen. Aber ich kann schlussfolgern. Und so stelle ich fest, dass wir uns vielleicht nicht alle erinnern, dass Herr Merz oft in seiner politischen Karriere ausgebootet, ausgetrickst und verhindert wurde, in höhere Positionen zu kommen oder in ihnen zu bleiben. Zum Beispiel Fraktionsvorsitzender. Und zwar durch Frau Merkel. Nun hat seit ihrem Ausscheiden aus dem Amt des Bundeskanzlers Frau Merkel drei Jahre lang zu allen Problemen und Krisen der Welt kaum ein einziges Wort gesagt, kein Interview gegeben, keinen Talk abgehalten. Und in dem Moment, in dem für Merz durch die vorgezogene Bundestagswahl die Kanzlerschaft in greifbare Nähe rückt, erscheint plötzlich zeitgleich ihre Biografie.
Und jetzt ist Frau Merkel omnipräsent in Interviews, Talkshows, Buchpräsentationen.
Richtig! Muss man da nicht den Eindruck gewinnen, sie will Merz schon wieder verhindern? Frau Merkel kommt sogar erstmals nach drei Jahren wieder in meine – letzte – „Mathias-Richling-Show“, die am 17. Dezember um 23 Uhr im SWR-Fernsehen ausgestrahlt wird. Gut, ich spiele Merkel selbst, weil sie selbst zu Maischberger oder Miosga muss. Aber wo ist der Unterschied?
Herr Scholz will sich als Friedenskanzler positionieren. Sollte die SPD deshalb darauf hoffen, dass Putin uns im Westen noch mehr Angst macht?
Herr Scholz will sich vielleicht als Friedenskanzler positionieren. Nur, wer glaubt es ihm? Weil er telefoniert hat mit Herrn Putin? Er hat es nicht mal geschafft, Frieden zu schaffen in seiner eigenen Ampel. Statt mit Putin hätte er lieber noch öfter telefonieren sollen mit Lindner und Habeck.
Herr Habeck lädt zu Gesprächen an den Küchentisch ein. Haben Sie ihn schon an Ihren Küchentisch nach Stuttgart eingeladen? Was kochen Sie dann?
Erstmal finde ich seine Idee prima. Er sollte sie erweitern. Ich habe Habeck in der nächsten „Mathias-Richling-Show“ dargestellt in Gesprächen nicht in der Küche. Sondern auf dem Klo. Denn an Plätzen wie diesen kommen noch mehr Menschen zusammen. Meistens hintereinander. Aber auch in der Schlange beim Dixi-Klo auf Veranstaltungen. Wenn Habeck uns einlädt zu Küchengesprächen, sollte er wissen, dass eine Einladung zu Latrinen-Gesprächen eine viel längere, uralte Tradition hat.
Sie meinen, entscheidend ist, was hinten rauskommt?
Aber klar. Die alten Römer vor zweitausend Jahren trafen sich nicht, wie wir, wie Sie, zum Arbeitsessen in einem Lokal. Sie trafen sich in einem großen Raum mit Bänken rundum, in die 10, 20, 30 große Löcher eingelassen waren, durch die, ja tatsächlich, die Fäkalien nach unten abgelassen worden sind. Man nahm seine Akten, Unterlagen, Notizen, um zu besprechen, was zu besprechen war. Daher kommt die heute noch gebräuchliche Formulierung: Man geht aufs Örtchen, um sein Geschäft zu machen. Das wäre wirklich volksnah von Herrn Habeck. Oder wie er sich inzwischen anschleimend nennen lässt: von unserem Robert. Rooobert – wie weit ist er entfernt von den Geissens? Wann gibt es die neue Serie bei RTL
Was empfehlen Sie uns für den Umgang mit der AfD?
Aufmerksame Gelassenheit. Und nicht alle deren Wähler als rechtsradikal zu diffamieren. Das löst nur Trotz und eine Erst-Recht-Haltung aus. Wobei die AfD das Prädikat ‚rechtsradikal‘ gar nicht allein beanspruchen darf. Rechtsradikal war ja, wer zwar nicht die vernünftigen, wohl aber die irrwitzigen, beziehungsweise sich widersprechenden Maßnahmen in der Corona-Zeit kritisierte oder wer mehr Angst vor seinem sozialen Abstieg als vor dem Virus hatte. Rechtsradikal ist heut schon, wer es wagt, zu fragen – nur zu fragen! – ob der Westen in puncto NATO-Osterweiterung wirklich alles richtig gemacht hat? Ich wundere mich, dass Olaf Scholz noch nicht als Rechter bezeichnet wurde, wo er die Taurus-Lieferung weiter ablehnt und es gewagt hat, mit Herr Putin zu telefonieren.
Ist ein Telefonat schon rechtsradikal?
Will sagen, wer auch immer ‚rechtsradikal‘ nennt, was unsere Demokratie wirklich (AfD) oder auch nur vermeintlich (Scholz?) in Bedrängnis bringt, sollte sich erinnern, dass wir in Baden Württemberg in den Neunzigern zwei Legislaturperioden die vergleichbaren Republikaner im Landtag sitzen hatten. Und wir sollten uns erinnern, dass Adenauers Staatssekretäre zur Hälfte richtige ehemalige praktizierende Nazis waren. Dass Bundeskanzler Kiesinger Altnazi war und Bundespräsident Carstens ebenso. Und unsere Demokratie hat alle und alles überlebt.
Was erwartet das Publikum bei Ihrem Auftritt im Theaterhaus? Gibt es noch Karten?
Es gibt immer Karten. Zur Not mach ich die Bühne frei. Und es erwartet die Zuschauer diesmal eine gewisse Krimi-Atmosphäre: Ich begebe mich auf den Tatort Berlin, aber auch auf internationales Parkett, um mit detektivischem Spürsinn die Wurzeln des Übels in Politik und Gesellschaft aufzuspüren. Die Täter sind bekannt, wobei sich wie in jedem Krimi die Frage stellt, ob die Täter nicht manchmal auch Opfer sind. Zur Fahndung ausgeschrieben sind im neuen Programm unter anderen Olaf Scholz, Wladimir Putin und Donald Trump. So wie Überzeugungstäter wie Alice Weidel als Rechtsberaterin, Cem Özedmir als Ernährungsberater, Greta Thunberg als Welterklärerin, Robert Habeck als Dolch im Gewande, Annalena Baerbock als Frisurenmodel, Markus Lanz und Richard David Precht als Kollateralschäden der Philosophie, Oliver Pocher als Selbstmitleidskasper – und das legendäre schwäbische Komiker-Duo, nein , nicht Häberle und Pfleiderer, sondern Winfried Kretschmann und Thomas Strobl. Alles unter der einmaligen Regie vom meinem Günter Verdin.
Am 17. Dezember läuft die allerletzte „Mathias-Richling-Show“ im SWR-Fernsehen. Nach 28 Jahren ist Schluss. Erst geht’s mit der Ampel nicht mehr weiter, dann hört auch noch der Richling mit seiner Sendung auf. Was kommt da noch alles auf uns zu?
Tja, vor allem sind die Kollateralfolgen zu bedenken. Denn insbesondere Kretschmann und Strobl habe ich mit dieser Show ja erst verwandelt in ein Zweigespann, das in die Geschichte eingehen wird als würdige Nachfolger von Häberle und Pfleiderer, Pat und Patachon oder Dick und Doof. Die landen ohne die Mathias-Richling-Show im Orkus der Vergesslichkeit. Wer wird sie noch erkennen auf der Straße? Aber da müssen sie durch.
Was wird aus Ihnen?
Was mich betrifft, höre ich ja nicht auf. Man kann mich eben nicht mehr so viel verfolgen im analogen Fernsehen, wohl aber weiter im Netz. In der unendlichen Weite von youtube und mediathek. Mit dem schon seit einigen Jahren monatlich ausgestrahlten Stand-up-Format „Richling backstage“. Denn das Netz ist das Medium der Zukunft. Das beweist spürbar der Vergleich von analoger Einschaltquote und Klickzahlen im Netz.
Steigen auch die Alten auf digital um?
Ja, auch sehr alte Zuschauer sind inzwischen fast ausschließlich digital unterwegs. Während viele junge Zuschauer, für die die Sender vor allem Programm machen wollen, einfach nicht mehr in der Lage sind, einen einfachen Fernsehapparat einzuschalten. So reduziert der Digitalismus die Fähigkeiten. Das kommt, um Ihre Frage zu beantworten, auf uns zu.