Bei der „Wahlsiegkonferenz“ im Willy-Brandt-Haus ist Olaf Scholz endgültig vom Kanzler zum Kanzlerkandidaten geworden. Der kämpferische Auftritt verrät viel darüber, welche Strategie von der SPD in den kommenden Wochen zu erwarten ist.
Olaf Scholz ist mindestens so gut vorbereitet wie am Tag, an dem er Finanzminister Christian Lindner entlassen hat. Es gibt einen Teleprompter, auf den er bei seiner 55-minütigen Rede zurückgreifen kann.
Und es gibt noch eine Parallele zu Scholz‘ Auftritt vor dem Bruch der Ampel. Bei der Wahlsiegkonferenz der SPD im Willy-Brandt-Haus knöpft der Kanzler sich – aus aktuellem Anlass – erneut Lindner vor. Ist der FDP-Chef und Finanzminister doch erheblich unter Druck geraten, weil nun zweifelsfrei belegt werden konnte, dass es im Hans-Dietrich-Genscher Haus Pläne für einen „D-Day“ gab, an dem der Bruch der Regierung herbeigeführt werden sollte.
In ernsten Zeiten brauche das Land „keine Spieler, keine Zocker“, sagte Scholz. „Lindner und seine FDP haben die Arbeit der Bundesregierung über Monate hinweg systematisch sabotiert“, ruft Scholz den Sozialdemokraten zu. „Doch die Wählerinnen und Wähler sind nicht blöd, sie können das einordnen.“
Ein selbstbewusster Titel
Etwa 500 Mitglieder sind zu der Veranstaltung in die SPD-Zentrale in Berlin gekommen. Aus allen Wahlkreisen, wie es heißt. „Wahlsiegkonferenz“, das ist ein selbstbewusster Titel für eine Partei, die seit einiger in den Umfragen rund um die 15 Prozent liegt. Die Angereisten erhalten rote Schals für den kalten Winterwahlkampf. Und Workshops, zum Beispiel in Sachen der Mobilisierung von Wählern. Vor allem aber geht es hier um eins: Der in der Partei nicht selten als zu nüchtern empfundene Kanzler Olaf Scholz soll hier, durch einen kämpferischen Auftritt, endgültig zum Kanzlerkandidaten werden.
Dabei geht es um drei Schritte, aus denen sich bereits ziemlich gut die Wahlkampfstrategie der SPD ablesen lässt. Erstens geht es Scholz darum, sich vom Makel zu befreien, der Kanzler eines gescheiterten Bündnisses zu sein. Die Botschaft ist: „Seht her, jetzt ist es bewiesen, es war allein die FDP.“ Zweitens suchen Scholz und die SPD die harte und direkte Konfrontation mit Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz. Drittens will die SPD durch einige ausgewählte inhaltliche Festlegungen in die Offensive kommen.
Wie stark Merz im Fokus steht, zeigt sich schon bei der Eröffnungsrede von SPD-Chef Lars Klingbeil. Mit Blick auf die Frage, ob die Union sich derzeit vor der Wahl im Bundestag konstruktiv genug einbringt, sagt Klingbeil: „Friedrich Merz muss aufpassen, dass er nicht der berühmteste Totalverweigerer dieses Landes wird.“ Scholz betont: „Die Merz-Union hat mit der Merkel-CDU so gar nichts mehr zu tun.“ Wahlen würden in Deutschland in der Mitte entschieden. Die Partei der Mitte sei bei dieser Wahl die SPD.
Als ein zentrales Thema dieser Wahl nennt Scholz den Kampf um Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung. Es ist für ihn kein einfaches Thema, da das Land unter seiner Führung in der ökonomischen Krise ist. Der CDU hält er vor, sie habe – egal, was los sei in der Welt – immer nur das gleiche Rezept: pauschale Steuersenkungen für Unternehmen. „Mich erinnert das an einen Arzt, der seinen Patienten immer die gleichen Pillen verschreibt, egal ob der Husten hat oder einen gebrochenen Fuß“, kritisiert Scholz.
Für höheren Mindestlohn
Der Kanzler selbst wirbt für einen „Investitionsbonus ganz ähnlich wie in den USA“, um private Investitionen anzuregen. Er fordert eine Reform der Schuldenbremse. Und er positioniert sich eindeutig beim Thema Mindestlohn: Die SPD fordere hier 15 Euro ab 2026. „Wir haben beim letzten Mal Wort gehalten. Und das werden wir wieder tun“, verspricht Scholz.
Dieser kämpferische Olaf Scholz kommt gut an in den Reihen der Sozialdemokraten, die aus den Wahlkreisen nach Berlin gekommen sind. Das ist ein Fortschritt für Scholz. Vor seiner Nominierung durch den SPD-Vorstand hatte es – gerade von der Parteibasis – viele Stimmen gegeben, die sich lieber eine Kanzlerkandidatur des beliebten Verteidigungsministers Boris Pistorius gewünscht hätten. Scholz weiß aber auch: Er muss noch etwas tun, damit die ganze SPD im Wahlkampf voll mitzieht.
„Unsere Partei ist mir eine Heimat“, sagt Scholz. Er werde als Kandidat jetzt „alles, aber auch wirklich alles“ geben. Jetzt gelte es, gemeinsam zu kämpfen.