Der Bundestagswahlkampf befindet sich auf der Zielgeraden. Um auf den letzten Metern nochmals Boden gut zu machen, holte sich der Kandidat der Grünen im Wahlkreis Böblingen, Tobias Bacherle, mit der Co-Chefin Franziska Brantner Parteiprominenz in die Heimat. Bacherle kann jede Unterstützung gebrauchen, immerhin steht sein Wiedereinzug in den Bundestag derzeit Spitz auf Kopf.
Im Böblinger AI Express eröffnete Bacherle am Freitagabend das Programm mit Worten, die sich in den Ohren der rund 80 Zuhörer wohl nach unangenehmer Wahrheit anhörten. „Nach der Wahl von Trump ist es wieder an uns Europäern, selbstbewusst aufzutreten und unsere eigene Strategie zu fahren. Die Zeiten günstiger Energie aus Russland, günstiger Sicherheit aus den USA und günstigen Arbeitskräften in China sind vorbei“, betonte der 30 Jahre alte Digitalpolitiker aus Sindelfingen.
Brantner sieht Partei in der Spur
Den Part der Mutmacherin übernahm Franziska Brantner, die seit November 2024 die Partei zusammen mit Felix Banaszak führt und seit 2021 als rechte Hand von Wirtschaftsminister Robert Habeck als Staatssekretärin fungiert. „Wir müssen in der Klimapolitik Kurs halten. Wir sind auf Kurs, wir haben die Chance, die Klimaziele einzuhalten. Dafür müssen wir aber mitregieren, denn es macht einen Unterschied, wer regiert.“ Die 45-Jährige verwies dabei auf einen Anteil von 60 Prozent erneuerbarer Energie in der Nettostromerzeugung Deutschlands 2024.
Besonders in den Bereichen Energie, Wärmewende und Industrie sei viel erreicht worden. Vor allem die Abwendung einer Energiekrise im Winter 2022 sei hier zu nennen: „Wir erinnern uns alle noch an die Ideen von Politikern, kürzer zu duschen, einen Waschlappen zu benutzen oder weniger zu heizen. Das ist alles nicht eingetreten.“
Einem Revival von Atomkraftwerken – wie CDU und AfD es fordern– erteilte die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker eine Absage: „Atomkraftwerke wieder hochzufahren ist irrsinnig teuer. Das wollen die AKW-Betreiber ebenso wenig. Die wollen eine klare Richtung.“ Franziska Brantner fügt hinzu: „Wisst ihr, wie ich diese Diskussion immer schnell beende? Ich frage immer, welcher Landkreis das AKW aufbauen und welcher den verstrahlten Atommüll bei sich lagern möchte. Dann kommt nichts mehr.“ Wollen die Grünen wieder in Regierungsverantwortung kommen, müssten sie aller Wahrscheinlichkeit nach diese Diskussion mit CDU/CSU führen.
Der Herausforderung, mit einer auch nach der gemeinsamen Bundestagsabstimmung mit der AfD politisch nach rechts gerückten Union auf einen Nenner zu kommen, sind sich die Grünen bewusst: „Es wichtig, wie stark wir abschneiden und ob wir in Verhandlungen mit zehn, vierzehn oder sechzehn Prozent gehen“, betont Brantner. Mit der Solarpflicht auf Dächern von Neubauten, so die Heidelbergerin, sei es hier im Ländle schon einmal gelungen, ein Kernanliegen gegenüber der CDU durchzusetzen.
Je mehr Prozent, desto breiter die Brust
Der Auftritt der drei Grünen in Böblingen macht klar: Die Umweltpartei scheint sich um eine stärkere Betonung ihrer Kernziele zu bemühen – den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie, die Weiterentwicklung grüner Antriebstechnologien, die Einhaltung der Pariser Klimaziele, die Stärkung der Bahn und – das wird vor allem Tobias Bacherle freuen – mehr Tempo bei der Digitalisierung. Ob er mit seinem Landeslistenplatz 13 wieder einen der begehrten Sitze im Berliner Bundestag ergattern kann, muss der Wahltag zeigen.