Die von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz entfachte Debatte, Doppelstaatsbürgern den deutschen Pass zu entziehen, erreicht Stuttgart. Linken-Bundestagskandidat Luigi Pantisano fühlt sich persönlich angegriffen.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz bekommt für seinen Vorstoß, eine Gesetzesgrundlage zu schaffen, um Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft den deutschen Pass entziehen zu können, massiven Gegenwind. Der CDU-Politiker sagte der „Welt am Sonntag“ in einem Interview, dass bei straffällig gewordenen „eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein“ müsse, wie dies seit einer 2019 verabschiedeten Gesetzesreform bereits Anwendung findet – allerdings nur bei Terroristen. Wobei die CDU später präzisierte, nur Schwerverbrecher im Fokus zu haben.

 

Dennoch: Auch den gemeinen Straftäter theoretisch auf dieser Ebene angehen zu können, hat zu prompter Empörung geführt – besonders bei Grünen und SPD. „Friedrich Merz spielt bewusst mit dem rechtspopulistischen Feuer und ist als Kanzler aller Deutschen nicht geeignet“, sagte etwa SPD-Chefin Saskia Esken. Der Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak kommentierte: „Eine Staatsbürgerschaft auf Abruf darf es für niemanden geben.“

Zweiklassengesellschaft der Staatsbürgerschaft?

Rechtlich ist fraglich, ob Merz’ Idee überhaupt umgesetzt werden kann. Der Artikel 16 des Grundgesetzes sagt zwar eigentlich klar: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.“ Dort heißt es aber auch: „Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird“ – was bei zwei Pässen freilich nicht der Fall wäre. Nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums sei ein Passentzug dennoch rechtlich zumindest fragwürdig, wie eine Sprecherin gegenüber der „Tagesschau“ erklärte.

Unabhängig davon ist der Knackpunkt für viele Kritiker, dass Merz’ Vorstoß in ihren Augen zu einer Zweiklassengesellschaft bei der Staatsbürgerschaft führen würde, wie Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), zu bedenken gab. Das ist es auch, was den Stuttgarter Stadtrat Luigi Pantisano auf die Palme bringt, der für Die Linke für den Bundestag kandidiert.

Scharfe Kritik vom Stuttgarter Luigi Pantisano

Pantisano, der sowohl die deutsche als auch die italienische Staatsbürgerschaft besitzt, griff den CDU-Chef auf der Plattform X daraufhin scharf an: „Ich bin in Deutschland geboren, aufgewachsen, in die Schule gegangen, hier arbeite ich, habe ich Familie gegründet und bin politisch engagiert. Ich habe die deutsche Staatsbürgerschaft. Und trotzdem stellt die CDU, seit ich denken kann, meine deutsche Identität in Frage.“

Mit seinem Vorstoß stelle auch Merz erneut klar, dass für ihn nur Deutscher sein kann, wer „deutsches Blut“ habe. „Alle anderen Deutschen, deren Eltern in einem anderen Land geboren sind, werden nur geduldet und das auch nur so lange wie sie sich im Sinne der CDU benehmen“, schreibt Pantisano. Der Stuttgarter versichert: „Im nächsten Bundestag wird es meinen erbitterten Widerstand gegen solche rassistischen Ideen geben“ – so er denn dorthin gewählt wird.

AfD-Antrag zur Ministerentlassung scheiterte

Pantisano ist nicht der einzige prominente in Stuttgart aktive Politiker, der mehrere Staatsbürgerschaften besitzt. So hat auch Danyal Bayaz, der Grünen-Finanzminister von Baden-Württemberg, sowohl einen deutschen als auch einen türkischen Pass. Die AfD nahm dies zum Anlass, seine Legitimität als Minister infrage zu stellen. Die Rechtspopulisten scheiterten 2023 mit einem entsprechenden Antrag. Im Artikel 33 des Grundgesetzes sei verankert, dass jeder Deutsche Zugang zu jedem öffentlichen Amt haben müsse, hieß es in der Landtagsdebatte – Doppelstaatsbürgerschaft hin oder her.

Auch die Baden-Württemberg-CDU schlug sich auf die Seite des Finanzministers. „Minusdeutsche“ gebe es nicht, wurde etwa der Christdemokrat Reinhard Löffler im „Staatsanzeiger“ zitiert. Merz’ Vorstoß dürfte also auch in den eigenen Reihen nicht unumstritten sein, auch wenn laute Widerworte in Wahlkampfzeiten wahrscheinlich weniger zu vernehmen sein werden.