CDU Merz’ Manöver – und wie der Parteitag darauf reagiert

Friedrich Merz Foto: dpa/Kay Nietfeld

Seit der vergangenen Woche ist im Bundestagswahlkampf alles anders. Vor allem für Friedrich Merz, der sich auf dem CDU-Parteitag in Berlin von den Delegierten feiern lässt. Geht es für ihn nun aufwärts? Oder ist der fast schon sicher geglaubte Sieg gefährdet?

Korrespondenten: Tobias Peter (pet)

Rhythmisches Klatschen. Die Delegierten stehen. Viele halten Schilder nach oben. „Wieder nach vorn“, ist da zu lesen. „Team Merz“. Und auch: „KANNzler“. Friedrich Merz steht am Rednerpult. Er macht jetzt das, von dem viele sagen, er könne es nicht so gut: Er lächelt.

 

Der Unionskanzlerkandidat spricht zuallererst über Konrad Adenauer, über Ludwig Erhard und Helmut Kohl. „Wir werden den Hebel so schnell wie möglich umlegen“, sagt Merz mit Blick auf die Wirtschaftspolitik. Jede Entscheidung werde daraufhin geprüft, ob sie der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie diene. Auch die kleinen und mittlere Betriebe sollten gestärkt werden. Steuersenkungen würden Wachstum schaffen.

Die CDU beschließt bei diesem Parteitag ein Sofortprogramm für die Zeit nach der Wahl: Weniger Bürokratie. Weg mit dem Heizungsgesetz der Ampel. Mehr Steuerung in der Migrationspolitik.

Der Soundtrack klingt nach Fahrstuhl

Es klingt nach einem recht normalen CDU-Parteitag. Aber es ist ein besonderer – in einer besonderen Situation. Merz gilt als der wahrscheinliche nächste Kanzler Deutschlands. Vielen in der Union galt die Sache schon als sicher. Doch seit der vergangenen Woche hält es auch dort mancher nicht mehr für ausgeschlossen, dass womöglich doch noch etwas schiefgeht.

Den Soundtrack des CDU-Parteitags liefert eine Band, die zwischen den einzelnen Auftritten so eine Art Fahrstuhlmusik liefert. Eine besonders schnelle. Geht es aufwärts oder abwärts für die CDU? Die kommenden Tage werden es zeigen.

Er gehe „All in“, so soll es Merz intern gesagt haben. Das sei das Denken eines Pokerspielers, eines Zockers, so hat es Kanzler Olaf Scholz kritisiert. Wenn man es einmal rein taktisch betrachtet, kann man es vielleicht so beschreiben: Die Union erinnert an eine Fußballmannschaft, die in der 70. Minute 2:0 oder sogar 3:0 vorn liegt. Und die dann plötzlich die gesamte Abwehr auswechselt. Und noch mal zusätzlich mit sehr riskanten Spielzügen in die Offensive geht.

Worum geht es? Was ist passiert?

Merz hat nach der Gewalttat von Aschaffenburg, bei der ein Mann aus Afghanistan auch einen zweijährigen Jungen getötet hat, einen Fünf-Punkte-Plan zum Thema Migrationspolitik vorgelegt. Kernpunkt: ein faktisches Einreiseverbot für alle irregulären Migranten – auch wenn sie Asyl suchen. Das kam gut an – innerhalb und außerhalb der Partei, auch wenn man darüber streiten kann, ob das europa- und verfassungsrechtlich zulässig ist.

Doch dann entschied Merz, seine Ideen noch vor der Wahl in den Bundestag einzubringen – ohne Rücksicht darauf, ob sie dort womöglich mit der in Teilen rechtsextremen AfD eine Mehrheit finden würden. Und das, obwohl der CDU-Chef noch im November persönlich im Bundestag ausgeschlossen hatte, so etwas zu tun.

Das hat ein Beben ausgelöst. Im Bundestag. Im Land. Ein Antrag der Union zur Migrationspolitik – ein Entschließungsantrag, der die Regierung zu nichts verpflichtet – ist am Mittwoch im Parlament mit Stimmen der AfD beschlossen worden. Die frühere Kanzlerin Angela Merkel erklärte, sie fände das Verhalten von Merz und der Union im Bundestag „falsch“. Dass eine ehemalige Parteivorsitzende den Kandidaten der eigenen Partei wenige Wochen vor der Wahl so zurechtweist, hat es noch nie gegeben.

Hunderttausende auf den Straßen

Als Merz am Freitag das Zustrombegrenzungsgesetz der Union, das die Migration stärker regeln soll, ins Plenum brachte, verfehlte es, trotz AfD-Stimmen, die Mehrheit. Nicht nur, aber auch, weil es einige Abweichler in der eigenen Unionsfraktion gab. Im Wahlkampf ist seit der vergangenen Woche nichts mehr, wie es vorher war. Die SPD warnt, es dürfe keine „schwarz-blaue Mehrheit“ geben. Kanzler Olaf Scholz stellt die Frage, was das Wort von Friedrich Merz, er werde keine Zusammenarbeit von Union und AfD nach der Wahl geben, noch wert sei. Bundesweit haben in den vergangenen Tagen Hunderttausende gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD demonstriert.

War es richtig und war es klug, im Bundestag in Abstimmungen zu gehen, bei denen klar war, dass es auf die Stimmen der AfD ankäme? War es das wert für einen Entschließungsantrag, der die Regierung nicht bindet und für ein Gesetz, das keine Mehrheit gefunden hat?

„Wahlkämpfer haben immer recht.“ So soll es CDU-Fraktionsvize Jens Spahn in einer internen Sitzung gesagt haben. Das ist jetzt die Devise in der CDU. Das ist jetzt auch die Devise dieses Parteitags.

„Wahlkämpfer haben immer recht.“ Deshalb lautet die offizielle Version bei so ziemlich jedem, mit dem man auf dem Parteitag über die Vorgänge der vergangenen Woche spricht: Merz habe Entschlossenheit gezeigt. Das werde Wähler überzeugen.

Mancher lässt aber unter der Hand auch erkennen, dass es an der Basis in Teilen Verunsicherung gibt. Hätte es nicht ausgereicht, mit dem Fünf-Punkte-Plan in den Wahlkampf zu ziehen, statt ihn noch vor der Wahl in den Bundestag einzubringen? Verliert die Partei womöglich weitere Wählerinnen und Wähler, die zu Zeiten der Kanzlerin Angela Merkel einmal die CDU gewählt haben?

Söder und das Sauerland

„Wahlkämpfer haben immer recht.“ Deshalb haben diese Fragen auf dem Parteitag keinen Raum. Und so stellt sich selbst der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder an diesem Tag voll in den Dienst der gemeinsamen Sache. Manch einer sei skeptisch gewesen und viele hätten gehofft, dass es wieder zum großen Zerwürfnis zwischen CDU und CSU kommt, sagt Söder, der im Wahlkampf 2021 den CDU-Chef und Kanzlerkandidaten Armin Laschet schwer beschädigt hat. Söder quält auch Merz schon mal gern – aber nicht an diesem Tag. „Ich war sogar im Sauerland“, sagt Söder über die Heimat von Friedrich Merz. „Das erste Mal in meinem Leben.“ Und er behauptet: „Es gibt keinen Platz für Eitelkeiten, Streitigkeiten.“

Mit Blick auf die aktuelle Situation sagt er: „Noch vor zwei Wochen hat jeder gesagt: Der Wahlkampf ist so langweilig. Schlafwagen. Jetzt sind wir im Schnellzug.“ Söder spricht von einem „steilen Move“ in der vergangenen Woche im Bundestag. Nach der Wahl brauche es einen Politikwechsel, um die AfD kleinzuhalten.

Und Merz? Er betont: „Wir werden mit der Partei, die sich da Alternative für Deutschland nennt, nicht zusammenarbeiten.“ Die AfD stehe gegen alles, was die CDU und das Land in den vergangenen Jahrzehnten groß gemacht habe. Es werde keine Zusammenarbeit, keine Duldung und keine Minderheitsregierung geben. „Kein Wenn und Aber.“

Es gibt stehenden Applaus. „So klar und so eindeutig. Da gibt es nun wirklich für niemanden einen Zweifel mehr, den er äußern könnte“, sagt Friedrich Merz. Olaf Scholz dürfte es anders sehen.

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