Stuttgart hat eins, München auch – ein Frühlingsfest, und da liegt der Wasen stets vor der Wiesn. Beim Gesangswettbewerb, präsentiert von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten, ist das musikalische Niveau überraschend hoch für ein Bierzelt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Auf dem Münchner Frühlingsfest, klagen die Veranstalter, laufen die Geschäfte in diesem Jahr „katastrophal“. Von der Theresienwiese wird „Null Umsatz, enormer Schaden“ gemeldet. Das nasskalte Wetter hielt das Publikum fern – und am 5. Mai ist mit dem Rummel dort auch schon wieder Schluss.

 

Sorry, liebe Bayern, bei jedem Oktoberfest haltet ihr uns auf Abstand und lasst uns nur den zweiten Platz. Aber im Frühling habt ihr keine Chance gegen uns. Mit Frühlingsgefühlen kennen wir uns halt besser aus.

Am Samstag kommen die Bayern – dann geht noch mehr ab

Gut, dieses Mal legten wir einen Kaltstart hin, mussten uns mit dem Norovirus herumschlagen, dazu sorgte ein Mann mit Machete für Aufregung. Aber nun, so scheint es, kommt das Stuttgarter Frühlingsfest richtig in Fahrt – nicht nur, weil am Samstag Bayern nebenan in der MHP-Arena gegen einen weiteren Champions-League-Teilnehmer spielt und danach wohl noch mehr Lederhosen auf dem Cannstatter Wasen feiern werden.

Wer wem die Lederhosen auszieht? Auch VfB-Chef Alexander Wehrle hat sich bereits in der Krachledernen gezeigt, nämlich in der Spitzbubenbar, dem diesjährigen Party-Hotspot auf dem Frühlingsfest. Steht dem Wehrle gut – wie auch dem VfB ein Bundesliga-Platz vor den Bayern München gut steht.

„Nach all der Scheiße geht’s auf die Reise“ – der Europa-Wir-kommen-Song der VfB-Fans, dessen Refrain nun auch auf einem unfassbar nachgefragten T-Shirt steht, ist zu hören beim „Goldkehlchen“, dem neuen Gesangswettbewerb im Zelt von Nina Renoldi, den die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten präsentieren. Auch ein stolzes „1893“ (das Gründungsjahr des VfB) erklingt – zwar nicht auf der Bühne, aber doch an den Tischen, an denen Fans sitzen.

Fußball-Legenden vom VfB und von den Kickers

Etliche VfB-Legenden wie Christof Weber, Roland Mall und Victor Lopez feiern bei der VIP-Party mit. Auch die Stuttgarter Kicker sind reichlich vertreten. In der zehnköpfigen Promi-Jury, die drei Gewinner aus 15 Teilnehmern wählt, sitzen etwa Markus „Toni“ Sailer, der 98 Zweitligaspiele im Trikot der Blauen hatte, sowie der frühere Kickers-Spieler Enzo Marchese und Jens Bauer, der Co-Trainer der U18-Nationalmannschaft. Natürlich ist auch weibliche Kompetenz gefragt, DJane Alegra Cole und SWR-Nachrichtenfrau Tatjana Geßler sind in der Jury.

Was auffällt an diesem Abend: Das musikalische Niveau der Teilnehmer ist überraschend hoch, was man in einem lauten Bierzelt gar nicht so erwartet hat. Das Goldkehlchen ist ein zarter Singvogel, doch die Wasen-Goldkehlen hauen richtig rein.

Hannes Staffler, als viel beschäftigter Musicalsänger (er spielt den Robert im Pur-Musical „Abenteuerland“) fürwahr mehr als ein „Talent“, begründet seine Teilnahme scherzhaft so: „Da ich nicht für die Promi-Jury ausgewählt wurde, sing ich halt mit.“ Am Ende belegt Staffler, auch bekannt als Faschingsprinz des Möbelwagens, Platz drei.

Mister Sexbomb begeistert

Platz zwei geht an den Bühnenältesten: Monty Bürkle, 79, der Teilnehmer der TV-Show „Voice Senior“, verwandelt das Zelt mit Tom-Jones Songs wie „Sexbomb“ in einen Hexenkessel. Siegerin wird Lisa Lu mit „I will survive“ und „My heart will go on“. Die gelernte Speditionskauffrau, aktuell daheim als Ehefrau und Mutter von zwei Kindern, ist Teil der Gruppe Soundwich, die am 9. Mai beim Gaydelight im Wasenwirt-Zelt auftritt. Außerdem gesehen: Karlin Obiango, einst bei „Germanys Next Topmodel“, mit Schwester Caviar Obiango, auch ein Model, Moderator Mustafa Göktas, Marco Mangold, der Chef von Koelbe & Brunotte, Entertainer Michael Gaedt, Sänger Nils Strasburg, Babs Steinbock von den DoopWop Mädla u.v.a.

An diesem Abend zeigt sich: Was die Stimmung und das Schaulaufen der Stadtpromis betrifft, ist das Frühlingsfest nicht mehr nur die „kleine Schwester“ vom Volksfest im Herbst, sondern ebenbürtig. Die Sehnsucht nach Fluchten aus Krisenzeiten ist groß, die man zum Auftanken braucht.

Und wo ist OB Frank Nopper?

Nur einer fehlt konsequent: OB Frank Nopper, dem im Frühling 2023 vorgeworfen wurde, er sei abends lieber in Festzelten als bei Konferenzen zur Stadtpolitik, hat im Kalender diesmal nicht einen einzigen Wasentermin stehen, heißt es in seinem Büro.

Was ist mit dem Kiffen und mit Peta? Darüber ist zum Start hitzig diskutiert worden. Cannabis sei „absolut kein Thema“, sagt Stefanie Hirrle, die neue Unternehmenssprecherin von in.Stuttgart. Joints sind weder zu sehen noch zu riechen. Und die Proteste der Tierschützer gegen Fleisch blieben wohl nicht ganz ohne Folgen. Festwirtin Nina Renoldi bietet vegane Vesperbretter an, bei denen die Nachfrage steige, aber nur sehr leicht. Vielleicht muss sich’s auch erst noch rumsprechen. Die vegane, sehr leckere Variante kommt beim Goldkehlchen-Event sehr gut an. Und die Wiesn kann einpacken.