Deutscher Sachbuchpreis Die wichtigsten acht Sachbücher des Jahres
Zum ersten Mal wird in diesem Jahr der Deutsche Sachbuchpreis vergeben. Wir stellen die acht nominierten Titel vor.
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In unserer Bildergalerie können Sie sich durch die acht Finalisten klicken.
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Michael Maar: Die Schlange im Wolfspelz. Das Geheimnis großer Literatur. Rowohlt Verlag, Hamburg. 656 Seiten, 34 Euro. Was ist guter Stil? Wenn man sich über dem Abgrund der Sprache mit der schwerelosen Grazie eines Seiltänzers bewegt. So ähnlich beantwortet Hugo von Hofmannsthal die Frage nach dem Betriebsgeheimnis des Schreibens und der Literatur. Die Leser von Michael Maars Buch könnten eine weitere Bestimmung beisteuern: Wenn man mit Witz und profundem Wissen, mit Leichtigkeit und Tiefgang zugleich, einen der spitzmündigsten Gegenstände in eine Angelegenheit von großer Unterhaltsamkeit und einprägsamer Anschaulichkeit verwandeln kann.
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Andreas Kossert: Flucht. Eine Menschheitsgeschichte. Siedler Verlag, München. 432 Seiten, 25 Euro. Es fängt mit der Vertreibung aus dem Paradies an und endet nicht mehr. Flucht ist ein Menschheitsthema, das sich durch die Geschichte zieht. Es kann jeden treffen, und wer bis jetzt davon verschont geblieben ist, tut gut daran, sich von dem Historiker Andreas Kossert mit den furchtbaren Folgen eines von Angst, Verlust und Schmerz geprägten Lebens vertraut machen zu lassen. Wobei der Autor den Flüchtlingen aller Zeiten und Orte selbst das Wort erteilt in Auszügen aus Tagebüchern, Erinnerungen, Gedichten oder Briefen. Vielleicht kommt mancher Leser nach der Lektüre zu einer anderen Einschätzung, wie das subjektive Gefühl der Bedrohung durch die Fluchtbewegungen unserer Tage gegenüber dem unermesslichen und lebenslangen Leid der Betroffenen zu gewichten ist.
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Asal Dardan: Betrachtungen einer Barbarin. Hoffmann und Campe, 192 Seiten, 22 Euro. Das Schlagwort von einer „linken Identitätspolitik“ droht zu einem Popanz zu werden, der in möglichst greller Aufmachung durch gegenwärtige Diskussionen getrieben wird. Bücher wie die Essay-Sammlung Asal Dardans sind geeignet, Berechtigung und Anliegen dieses angeblich gefährlichen akademischen Narrativs in der Welt alltäglicher Erfahrungen sichtbar zu machen. Die Autorin, Tochter iranischer Eltern, weiß, was es bedeutet, als Einwanderin in Deutschland aufzuwachsen. Die Erfahrung des Exils hat sie geprägt. „Im Exil lebt Heimat nicht von selbst. Sie hat ein künstliches Herz, das jederzeit aufhören kann zu schlagen“, schreibt sie in ihrem Buch. Leitkulturdebatten versetzen diesem Herz den Todesstoß. Asal Dardan wirbt für eine gemeinsame Sprache und eine Form der Toleranz, die Gegensätze überbrückt aber das Unterschiedliche duldet.
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Christoph Möllers: Freiheitsgrade. Elemente einer liberalen politischen Mechanik. Suhrkamp. 343 Seiten, 18,50 Euro. Ist der Liberalismus noch zu retten? Wenn, dann nur, indem man die ihm inhärenten Widersprüche nicht ideologisch einebnet, sondern austrägt. Und genau das tut der Berliner Rechtsphilosoph Christoph Möllers. In seinem Buch versucht er, Ordnungsformen mit einem Begriff von Bewegungsfreiheit und sozialer Varianz zu vereinbaren. Die Freiheitsgrade des Denkens zeigen sich in einer Form der Darstellung, die sich nicht großen Theoriebögen unterwirft, sondern in einer Vielzahl von kurzen Kapiteln das liberale Prinzip in lebendige Beweglichkeit versetzt. In dieser Form ist das eine Alternative zu den antiliberalen Tendenzen unserer Zeit.
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Mai Thi Nguyen-Kim: Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit. Droemer Verlag. 368 Seiten, 20 Euro. Was spricht für oder gegen die Legalisierung von Drogen? Sind Videospiele eine Einübung der Gewalt? Und ganz aktuell: Wie sicher sind Impfungen? Die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim unterzieht eine Reihe gesellschaftlicher Streitfragen einem wissenschaftlich fundierten Faktencheck. Ihr Buch macht sich auf die Suche, nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner der Wirklichkeit. Denn: „Nur wenn man bei einem Streit auf dem Fundament einer gemeinsamen Wirklichkeit steht, funktioniert Streit, funktioniert Debatte, ohne dass wir uns wie aufgezogenen Frösche ins Gesicht springen müssen.“
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Jürgen Kaube: Hegels Welt. Rowohlt Berlin. 592 Seiten, 28 Euro. Das Jubiläumsjahr ist vorbei, die Begriffe bleiben, auf die Hegel seine Zeit gebracht haben soll. Leider stellt der Eintritt in seine Gedankenwelt viele Leser vor unlösbare Probleme. Dabei hat kaum ein Philosoph die Welt so konkret in politischer, wirtschaftlicher und ästhetischer Hinsicht beeinflusst, wie der in Stuttgart geborene Denker. „Kann man über ihn, den alle für komplett unverständlich halten – was er manchmal ist, manchmal aber auch gar nicht – kann man über ihn so schreiben, dass man Lust bekommt, einzelne Dinge von ihm zu lesen?“ So fragt Jürgen Kaube zu Beginn. Die Antwort ist „Hegels Welt“.
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Heike Behrend: Menschwerdung eines Affen. Eine Autobiografie der ethnografischen Forschung. Matthes & Seitz Verlag, Berlin. 278 Seiten, 25 Euro. Wer jemand Affe nennt, hat von seinem Gegenüber keine allzuhohe Meinung. Und das scheint kulturübergreifend der Fall zu sein. Als sich die Ethnologin Heike Behrends Mitte der 80er Jahre in einem kenianischen Bergdorf aufhielt, musste sie feststellen, dass die Einheimischen sie offenbar für einen hässlichen Affen hielten, und dass es einiger Mühe bedurfte, sich die Anerkennung als menschliches Wesen zu erarbeiten. Die emeritierte Wissenschaftlerin ist im Lauf ihres Lebens weit genug herumgekommen, um die Idee der Objektivität im Licht kultureller Voraussetzungen und Missverständnisse reflektieren zu können. Ihr Buch zeichnet entlang der wissenschaftlichen Lebensreise Wegmarken der ethnografischen Forschung auf und bereichert die theoretische Debatte über kulturelle Aneignung mit genau beobachteten Erfahrungen aus der Wirklichkeit.
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Daniel Leese: Maos langer Schatten. C. H. Beck Verlag, München. 606 Seiten, 38 Euro. Um die chinesische Gesellschaft nach dem Chaos der Kulturrevolution zu befrieden, musste die KP einen Umgang mit der eigenen Vergangenheit finden. Aber wie setzt man sich mit dem Erbe von Unrecht und Staatsverbrechen auseinander, ohne die Kontrolle über die öffentliche Diskussion aus der Hand zu geben? Der Freiburger Sinologe Daniel Leese arbeitet in seinem Buch die Bedeutung von Erinnerungspolitik für die chinesische Gesellschaft heraus. Er zeigt, wie die Vergangenheit nicht einfach der Vergessenheit überantwortet wird, sondern einer ständigen neuen Bearbeitung unterzogen. Und genau dort, wo die Suche nach Gerechtigkeit an ihre Grenzen stößt ist, am unangetastet gebliebenen Monopol der KP, liegt das Einfallstor für neues Unrecht.