Fotografie Bilder für die Ewigkeit
Vor 50 Jahren sinkt Kanzler Willy Brandt vor dem Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos auf die Knie. Die Bilder gehen um die Welt. Sieben Fotos, die nicht nur Geschichte schrieben, sondern sie auch beeinflussten.
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Foto dpa/dpa
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Bundeskanzler Willy Brandt kniet am 7. Dezember 1970 vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto in Warschau, das den Helden des Aufstandes vom April 1943 gewidmet ist.

Foto dpa/Tass/Jewgeni Chaldej
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Totale NiederlageDie Nationalsozialisten bedienen sich von Anfang an der Macht der Bilder. Der vorzeitige Kollaps des „Tausendjährigen Reichs“ wird ebenso in Szene gesetzt. Das erste Banner der Sowjetunion flattert bereits auf dem Dach des Berliner Reichstags, als im Keller noch gekämpft wird. 32 Stunden später, am Morgen des 2. Mai 1945, stellt der Kriegsberichterstatter Jewgeni Chaldej die Szene nach und muss am Ende auch noch eine zweite Uhr am Arm eines Rotarmisten wegretuschieren, weil diese jenen als Plünderer zu erkennen gibt. Das Ergebnis wird – mit Rauchwolken versehen, um die Dramatik zu unterstreichen – zur Ikone des Triumphs über Hitler und wirkt bis heute nach als Symbol der totalen Niederlage.

Foto Wikipedia/gemeinfrei
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Rosinenbomber über BerlinWährend der Berliner Blockade 1948/49 nimmt der sowjetische Diktator Stalin den Westen der Stadt als Geisel. Alle Verbindungen werden gekappt. Berlin wird zur „Frontstadt“ des Kalten Krieges – versorgt durch eine Luftbrücke der USA und Großbritanniens. Vor allem die Kinder warten sehnsüchtig auf die Flugzeuge, deren Piloten manchmal Schokolade an kleinen Fallschirmen abwerfen. Aus Feinden werden Freunde: Die Luftbrücke signalisiert den Deutschen, dass sie nicht allein stehen. Ein weiterer Schritt auf dem langen Weg nach Westen.

Foto obs/United Charity gemeinnützige Stiftungs GmbH/Peter Leibing
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Sprung in die Freiheit Schon die Niederschlagung des Arbeiteraufstands 1953 war eine Bankrotterklärung des selbst ernannten Arbeiter-und-Bauern-Paradieses gewesen. Der Bau der Mauer 1961 lässt die DDR nicht attraktiver erscheinen, allen Beteuerungen zum Trotz, dass es sich um einen antifaschistischen Schutzwall handele und nicht um einen Bau, der die eigene Bevölkerung, die dem Regime zu Tausenden den Rücken kehrt, aufhalten soll. Das Bild des NVA-Soldaten Conrad Schumann, der in letzter Minute den Sprung in die Freiheit wagt, straft die SED Lügen und erweist sich als wirkungsvoller als zehn Raketen vom Typ SS-20. „Erst seit dem 9. November 1989 fühlte ich mich wirklich frei“, erklärt er nach der Wende – und fürchtet doch zeitlebens die Rache der Stasi. 1998 begeht Schumann Suizid.

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Eichmanns ProzessEr ist eine der Schlüsselfiguren des Holocaust, und doch lebt Adolf Eichmann nach dem Krieg völlig unbehelligt in Argentinien und gibt freimütig Interviews, in denen er sich seiner Effizienz bei der „Endlösung der Judenfrage“ rühmt. Im Mai 1960 wird der einstige SS-Obersturmbannführer vom Mossad entführt und ein Jahr später in Jerusalem vor Gericht gestellt. Die Bilder des biederen Schreibtischtäters, der sich keiner Schuld bewusst ist, gehen um die Welt, Hannah Arendt prägt den Begriff der „Banalität des Bösen“ – und in Deutschland setzt ein Umdenken ein: Die NS-Verbrechen werden nicht länger verdrängt, sondern aufgearbeitet. Eineinhalb Jahre nach Eichmanns Hinrichtung beginnt in Frankfurt am Main der erste Auschwitz-Prozess.

Foto Bundespresseamt/Engelbert Reineke
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Brandts KniefallEs ist eigentlich eine protokollarische Pflichtübung, doch dann sinkt Bundeskanzler Willy Brandt am 7. Dezember 1970, nachdem er vor dem Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos einen Kranz niedergelegt hat, auf die Knie. Es sei eine spontane Geste gewesen, erklärt er: „Am Abgrund der deutschen Geschichte und unter der Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt.“ Tags darauf wird der Warschauer Vertrag geschlossen, in dem Deutschland die Oder-Neiße-Grenze anerkennt. Kritikern seiner Ostpolitik hatte er schon nach Abschluss des Moskauer Vertrags im August 1970, in dem die Bundesrepublik den Verlust der Ostgebiete akzeptiert, erklärt: „Mit diesem Vertrag geht nichts verloren, was nicht längst verspielt worden war.“ Die beiden Verträge sind entscheidende Schritte auf dem Weg der Annäherung von Ost und West und viel mehr als das. Denn während Brandt zu Hause als Vaterlandsverräter beschimpft wird, feiert ihn die Welt für seine Geste: Deutschland hat seine Würde wiedererlangt.

Foto AP Photo/HO
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Schleyers Ende Im Gesicht des sonst so vitalen Arbeitgeberpräsidenten spiegeln sich Unsicherheit, Angst und Erschöpfung. Die Fotos des entführten Hanns Martin Schleyer sollen die Bundesregierung unter Druck setzen – und Schleyer erniedrigen. Doch der Schuss geht nach hinten los. Statt Häme für den „Boss der Bosse“ und ehemaligen SS-Mann lösen die Bilder Mitleid aus, befürworten die meisten Bürger eine harte Linie gegen den Terror der RAF. Mit der Befreiung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ und dem Selbstmord der RAF-Spitze um Andreas Baader und Gudrun Ensslin am 18. Oktober 1977 in der Justizvollzugsanstalt Stammheim endet der „Deutsche Herbst“. Schleyers Leiche wird einen Tag später in Mulhouse gefunden.

Foto dpa
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Unerwartete WendeDas Ende hatte sich abgezeichnet, der Fall der Mauer trifft die meisten aber doch unvorbereitet. Am 9. November 1989 tanzen Tausende Berliner aus Ost und West auf dem Symbol der deutschen Teilung. Unter dem Eindruck der rauschhaften Bilder wird möglich, was undenkbar schien, gewinnt die Wende eine Eigendynamik, die binnen eines Jahres in der Wiedervereinigung Deutschlands mündet. Gegen die Aufnahmen euphorischer Menschen haben Bedenken keine Chance. „Es wächst zusammen, was zusammengehört.“